liebe Hand zu geben? mir, dem Bösewicht, dem sie noch nie mit Wissen und Willen eine Gefällig- keit erzeiget haben?
Wie sonderbar war diese Bitte angebracht! Jch erwartete damahls weder eine solche Bitte, noch eine so sonderbare Einkleidung dieser Bitte. Jch schäme mich, wenn ich daran gedencke, in was für Verwirrung ich gesetzt ward. Jhr Rath fiel mir eben bey. Er sahe meine Verwirrung mit einem recht zuversichtlichen Vergnügen an, (er muß gar nicht wissen, wie Ehrfurcht mit Liebe bestehen kann) und gaffete mich an, als wenn er mich durchsehen wollte.
Aus meiner folgenden Erzählung werden Sie sehen, daß er sich nachher noch deutlicher herausließ. Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun- gen wäre.
Jch war auf mich selbst von Hertzen unwillig, daß ein Mensch, der so völlig über sich Herr zu seyn schien, da alle meine Leydenschaften ausbrachen, mich in solche Verwirrung bringen konnte. Jch brach endlich in Thränen aus, und wollte ihn mit Unwillen verlassen: er umfassete mich aber auf eine zärtliche und ehrerbietige Weise, und machte über seine vorigen Reden eine sehr abgeschmackte Brühe.
Er sagte: es sey seine Meinung nicht, sich die Nachricht von meines Bruders Vorhaben so zu Nu- tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub- niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher immer abgeschlagen hätte, und die er deswegen - -
Hier
liebe Hand zu geben? mir, dem Boͤſewicht, dem ſie noch nie mit Wiſſen und Willen eine Gefaͤllig- keit erzeiget haben?
Wie ſonderbar war dieſe Bitte angebracht! Jch erwartete damahls weder eine ſolche Bitte, noch eine ſo ſonderbare Einkleidung dieſer Bitte. Jch ſchaͤme mich, wenn ich daran gedencke, in was fuͤr Verwirrung ich geſetzt ward. Jhr Rath fiel mir eben bey. Er ſahe meine Verwirrung mit einem recht zuverſichtlichen Vergnuͤgen an, (er muß gar nicht wiſſen, wie Ehrfurcht mit Liebe beſtehen kann) und gaffete mich an, als wenn er mich durchſehen wollte.
Aus meiner folgenden Erzaͤhlung werden Sie ſehen, daß er ſich nachher noch deutlicher herausließ. Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun- gen waͤre.
Jch war auf mich ſelbſt von Hertzen unwillig, daß ein Menſch, der ſo voͤllig uͤber ſich Herr zu ſeyn ſchien, da alle meine Leydenſchaften ausbrachen, mich in ſolche Verwirrung bringen konnte. Jch brach endlich in Thraͤnen aus, und wollte ihn mit Unwillen verlaſſen: er umfaſſete mich aber auf eine zaͤrtliche und ehrerbietige Weiſe, und machte uͤber ſeine vorigen Reden eine ſehr abgeſchmackte Bruͤhe.
Er ſagte: es ſey ſeine Meinung nicht, ſich die Nachricht von meines Bruders Vorhaben ſo zu Nu- tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub- niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher immer abgeſchlagen haͤtte, und die er deswegen ‒ ‒
Hier
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liebe Hand zu geben? mir, dem Boͤſewicht, dem
ſie noch nie mit Wiſſen und Willen eine Gefaͤllig-
keit erzeiget haben?
Wie ſonderbar war dieſe Bitte angebracht!
Jch erwartete damahls weder eine ſolche Bitte, noch
eine ſo ſonderbare Einkleidung dieſer Bitte. Jch
ſchaͤme mich, wenn ich daran gedencke, in was fuͤr
Verwirrung ich geſetzt ward. Jhr Rath fiel mir
eben bey. Er ſahe meine Verwirrung mit einem
recht zuverſichtlichen Vergnuͤgen an, (er muß gar
nicht wiſſen, wie Ehrfurcht mit Liebe beſtehen kann)
und gaffete mich an, als wenn er mich durchſehen
wollte.
Aus meiner folgenden Erzaͤhlung werden Sie
ſehen, daß er ſich nachher noch deutlicher herausließ.
Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun-
gen waͤre.
Jch war auf mich ſelbſt von Hertzen unwillig,
daß ein Menſch, der ſo voͤllig uͤber ſich Herr zu ſeyn
ſchien, da alle meine Leydenſchaften ausbrachen,
mich in ſolche Verwirrung bringen konnte. Jch
brach endlich in Thraͤnen aus, und wollte ihn mit
Unwillen verlaſſen: er umfaſſete mich aber auf eine
zaͤrtliche und ehrerbietige Weiſe, und machte uͤber
ſeine vorigen Reden eine ſehr abgeſchmackte Bruͤhe.
Er ſagte: es ſey ſeine Meinung nicht, ſich die
Nachricht von meines Bruders Vorhaben ſo zu Nu-
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niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/358>, abgerufen am 24.11.2024.
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