ihr Bruder thut, wenn er diesen Vorschlag ausfüh- ret? Sie werden doch glauben, daß es Wage-Hälse gebe, die eben so dreiste sind als ich. Allein dieser Vorschlag ihres Bruders ist so unbesonnen, daß man sich gar nicht davor fürchten darf. Jch ken- ne ihren Bruder wohl. Schon auf Universitäten schwärmete ihm immer der irrende Ritter im Kopfe herum. Allein es fehlete ihm an Verstande: er dachte die Sachen nur halb durch, und bildete sich etwas gantzes darauf ein. Er war weder im Stan- de sich nützlich noch andern schädlich zu seyn, wenn ihm die andern nicht durch ihren Unverstand die Waffen selbst in die Hände gaben.
Sie nehmen es sehr auf die leichte Schulter. Allein die hitzigen Köpfe haben sehr viele Gleich- heit mit einander. Zum wenigsten sind sie einan- der in der Rachbegierde gleich. Sie haben nicht Ursache sich für unschuldiger auszugeben, da sie mei- ner gantzen Familie in ihrem eigenen Hause haben trotzen wollen, wenn ich nicht durch meine Thorheit sie vor diese Unbesonnenheit und die Meinigen vor dem Verdruß bewahret hätte.
Allerliebste Fräulein, sie reden noch immer von Uebereilungen, von Thorheit. Es ist ihnen ohn- möglich, etwas gutes von jemand zu gedencken, der nicht zu ihrer Familie gehört: und keiner in ihrer Familie ist werth, daß sie ihn lieben. Sie müssen mir dieses vergeben. Wenn ich sie nicht so zärtlich liebete, als noch nie eine Manns-Person hat lieben können, so würde ich unempfindlicher dabey seyn, daß sie mir andere vorziehen, die es nicht ver-
dienen.
ihr Bruder thut, wenn er dieſen Vorſchlag ausfuͤh- ret? Sie werden doch glauben, daß es Wage-Haͤlſe gebe, die eben ſo dreiſte ſind als ich. Allein dieſer Vorſchlag ihres Bruders iſt ſo unbeſonnen, daß man ſich gar nicht davor fuͤrchten darf. Jch ken- ne ihren Bruder wohl. Schon auf Univerſitaͤten ſchwaͤrmete ihm immer der irrende Ritter im Kopfe herum. Allein es fehlete ihm an Verſtande: er dachte die Sachen nur halb durch, und bildete ſich etwas gantzes darauf ein. Er war weder im Stan- de ſich nuͤtzlich noch andern ſchaͤdlich zu ſeyn, wenn ihm die andern nicht durch ihren Unverſtand die Waffen ſelbſt in die Haͤnde gaben.
Sie nehmen es ſehr auf die leichte Schulter. Allein die hitzigen Koͤpfe haben ſehr viele Gleich- heit mit einander. Zum wenigſten ſind ſie einan- der in der Rachbegierde gleich. Sie haben nicht Urſache ſich fuͤr unſchuldiger auszugeben, da ſie mei- ner gantzen Familie in ihrem eigenen Hauſe haben trotzen wollen, wenn ich nicht durch meine Thorheit ſie vor dieſe Unbeſonnenheit und die Meinigen vor dem Verdruß bewahret haͤtte.
Allerliebſte Fraͤulein, ſie reden noch immer von Uebereilungen, von Thorheit. Es iſt ihnen ohn- moͤglich, etwas gutes von jemand zu gedencken, der nicht zu ihrer Familie gehoͤrt: und keiner in ihrer Familie iſt werth, daß ſie ihn lieben. Sie muͤſſen mir dieſes vergeben. Wenn ich ſie nicht ſo zaͤrtlich liebete, als noch nie eine Manns-Perſon hat lieben koͤnnen, ſo wuͤrde ich unempfindlicher dabey ſeyn, daß ſie mir andere vorziehen, die es nicht ver-
dienen.
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ihr Bruder thut, wenn er dieſen Vorſchlag ausfuͤh-
ret? Sie werden doch glauben, daß es Wage-Haͤlſe
gebe, die eben ſo dreiſte ſind als ich. Allein dieſer
Vorſchlag ihres Bruders iſt ſo unbeſonnen, daß
man ſich gar nicht davor fuͤrchten darf. Jch ken-
ne ihren Bruder wohl. Schon auf Univerſitaͤten
ſchwaͤrmete ihm immer der irrende Ritter im Kopfe
herum. Allein es fehlete ihm an Verſtande: er
dachte die Sachen nur halb durch, und bildete ſich
etwas gantzes darauf ein. Er war weder im Stan-
de ſich nuͤtzlich noch andern ſchaͤdlich zu ſeyn, wenn
ihm die andern nicht durch ihren Unverſtand die
Waffen ſelbſt in die Haͤnde gaben.
Sie nehmen es ſehr auf die leichte Schulter.
Allein die hitzigen Koͤpfe haben ſehr viele Gleich-
heit mit einander. Zum wenigſten ſind ſie einan-
der in der Rachbegierde gleich. Sie haben nicht
Urſache ſich fuͤr unſchuldiger auszugeben, da ſie mei-
ner gantzen Familie in ihrem eigenen Hauſe haben
trotzen wollen, wenn ich nicht durch meine Thorheit
ſie vor dieſe Unbeſonnenheit und die Meinigen vor
dem Verdruß bewahret haͤtte.
Allerliebſte Fraͤulein, ſie reden noch immer von
Uebereilungen, von Thorheit. Es iſt ihnen ohn-
moͤglich, etwas gutes von jemand zu gedencken, der
nicht zu ihrer Familie gehoͤrt: und keiner in ihrer
Familie iſt werth, daß ſie ihn lieben. Sie muͤſſen
mir dieſes vergeben. Wenn ich ſie nicht ſo zaͤrtlich
liebete, als noch nie eine Manns-Perſon hat lieben
koͤnnen, ſo wuͤrde ich unempfindlicher dabey ſeyn,
daß ſie mir andere vorziehen, die es nicht ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/356>, abgerufen am 24.11.2024.
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