ohnmöglich übel nehmen. Jch will mich desfals wegen der Freyheit, die ich mir nehme, nicht ent- schuldigen; ja ich brauche mich auch nicht zu ent- schuldigen. Denn meine Erinnerung ist so von allem Schein des Eigennutzes entfernet, daß Sie mich vielmehr des einzigen Trostes beraubet, den ich bisher genossen habe.
Jhr mürrisches Betragen gegen Jhre Mutter, das Sie selbst nicht leugnen; daß Sie ihr einen Brief aus der Hand gerissen haben, welchen zu sehen Sie ihrer Meinung nach berechtiget war; daß Sie ihn vor ihren Augen verbrannt haben; daß Sie sich wegern, einen Herrn zu sprechen, der aus Geneigt- heit gegen ihre unglückliche Freundin Jhnen so ge- horsam gewesen ist, blos damit Sie Jhrer Frau Mutter Verdruß machen möchten: alles dieses sind Dinge, (und es ist doch nur die Hälfte von dem, was an Jhrer Aufführung zu tadeln seyn könnte) die schwerlich an einer Person zu entfchuldigen sind, welche von ihrer Pflicht so vollständig unterrichtet ist.
Jhre Frau Mutter hatte ehemahls eine bessere Meinung von mir: eben deswegen ist Jhrem Ur- theil mehr zu trauen, da sie glaubet, daß ich mich ihrer guten Meinung unwürdig gemacht habe. Denn eine Zuneigung ist sonst eben so schwer zu ü- berwinden und ein eben so starckes Vorurtheil, als eine Abneigung. Wie schwartz muß ihr demnach meine Handlung vorkommen, da sie ihr gantzes Hertz von mir abwendet, ob sie gleich nicht selbst durch meine Uebereilung beleidiget ist?
Sie
ohnmoͤglich uͤbel nehmen. Jch will mich desfals wegen der Freyheit, die ich mir nehme, nicht ent- ſchuldigen; ja ich brauche mich auch nicht zu ent- ſchuldigen. Denn meine Erinnerung iſt ſo von allem Schein des Eigennutzes entfernet, daß Sie mich vielmehr des einzigen Troſtes beraubet, den ich bisher genoſſen habe.
Jhr muͤrriſches Betragen gegen Jhre Mutter, das Sie ſelbſt nicht leugnen; daß Sie ihr einen Brief aus der Hand geriſſen haben, welchen zu ſehen Sie ihrer Meinung nach berechtiget war; daß Sie ihn vor ihren Augen verbrannt haben; daß Sie ſich wegern, einen Herrn zu ſprechen, der aus Geneigt- heit gegen ihre ungluͤckliche Freundin Jhnen ſo ge- horſam geweſen iſt, blos damit Sie Jhrer Frau Mutter Verdruß machen moͤchten: alles dieſes ſind Dinge, (und es iſt doch nur die Haͤlfte von dem, was an Jhrer Auffuͤhrung zu tadeln ſeyn koͤnnte) die ſchwerlich an einer Perſon zu entfchuldigen ſind, welche von ihrer Pflicht ſo vollſtaͤndig unterrichtet iſt.
Jhre Frau Mutter hatte ehemahls eine beſſere Meinung von mir: eben deswegen iſt Jhrem Ur- theil mehr zu trauen, da ſie glaubet, daß ich mich ihrer guten Meinung unwuͤrdig gemacht habe. Denn eine Zuneigung iſt ſonſt eben ſo ſchwer zu uͤ- berwinden und ein eben ſo ſtarckes Vorurtheil, als eine Abneigung. Wie ſchwartz muß ihr demnach meine Handlung vorkommen, da ſie ihr gantzes Hertz von mir abwendet, ob ſie gleich nicht ſelbſt durch meine Uebereilung beleidiget iſt?
Sie
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ohnmoͤglich uͤbel nehmen. Jch will mich desfals
wegen der Freyheit, die ich mir nehme, nicht ent-
ſchuldigen; ja ich brauche mich auch nicht zu ent-
ſchuldigen. Denn meine Erinnerung iſt ſo von
allem Schein des Eigennutzes entfernet, daß Sie
mich vielmehr des einzigen Troſtes beraubet, den
ich bisher genoſſen habe.
Jhr muͤrriſches Betragen gegen Jhre Mutter,
das Sie ſelbſt nicht leugnen; daß Sie ihr einen
Brief aus der Hand geriſſen haben, welchen zu ſehen
Sie ihrer Meinung nach berechtiget war; daß Sie
ihn vor ihren Augen verbrannt haben; daß Sie ſich
wegern, einen Herrn zu ſprechen, der aus Geneigt-
heit gegen ihre ungluͤckliche Freundin Jhnen ſo ge-
horſam geweſen iſt, blos damit Sie Jhrer Frau
Mutter Verdruß machen moͤchten: alles dieſes ſind
Dinge, (und es iſt doch nur die Haͤlfte von dem,
was an Jhrer Auffuͤhrung zu tadeln ſeyn koͤnnte)
die ſchwerlich an einer Perſon zu entfchuldigen ſind,
welche von ihrer Pflicht ſo vollſtaͤndig unterrichtet
iſt.
Jhre Frau Mutter hatte ehemahls eine beſſere
Meinung von mir: eben deswegen iſt Jhrem Ur-
theil mehr zu trauen, da ſie glaubet, daß ich mich
ihrer guten Meinung unwuͤrdig gemacht habe.
Denn eine Zuneigung iſt ſonſt eben ſo ſchwer zu uͤ-
berwinden und ein eben ſo ſtarckes Vorurtheil, als
eine Abneigung. Wie ſchwartz muß ihr demnach
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/330>, abgerufen am 25.11.2024.
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