Jch sagte: mit ihrer Erlaubniß, Herr Lovela- ce, ich finde sehr viel widersprechendes in ihrem Gemüthe. Sie müssen sich recht Mühe gegeben haben, einige gute Gedancken zu unterdrücken, so bald sie zu keimen angefangen haben: oder sie müs- sen ausserordentlich leichtsinnig seyn. Jndessen bin ich nicht im Stande, wegen der Frau Norton eine andere Entschliessung zu fassen, bis ich Nach- richt von Hause bekomme.
Jch kann weiter nichts sagen, Fräulein, (ant- wortete er) als: ich war begierig, etwas auszufin- den, das ihnen angenehm seyn könnte. Da ich aber so glücklich nicht bin, so bitte ich sie recht sehr, sagen sie mir selbst, was sie wünschen? Jch will alles in der Welt eingehen, dieses eintzige ausgenommen, daß ich sie in diesem Hause nicht allein lassen kann, da ich meine Wohnung allzu weit abnehmen müßte, und nicht im Stande wäre, gleich bey der Hand zu seyn, wenn es die Umstände erfordern sollten, son- derlich nachdem aus Mangel der nöthigen Vorsich- tigkeit von meiner Seite die Schmarutzers, meine Diener, es überall bekannt gemacht haben, daß wir hier sind. Dieses Geschmeiß kann ohnmöglich un- terlassen zu prahlen, wenn es bey einem Cavallier von guter Familie in Diensten ist. Sie rühmen sich der Ahnen und Herkunft ihres Herren, nicht an- ders, als wenn sie mit ihm verwandt wären. Nichts was sie von seinen Umständen wissen, bleibt in ihren Gelagen verschwiegen, wenn es auch den Herrn um den Hals bringen könnte.
Wie
Jch ſagte: mit ihrer Erlaubniß, Herr Lovela- ce, ich finde ſehr viel widerſprechendes in ihrem Gemuͤthe. Sie muͤſſen ſich recht Muͤhe gegeben haben, einige gute Gedancken zu unterdruͤcken, ſo bald ſie zu keimen angefangen haben: oder ſie muͤſ- ſen auſſerordentlich leichtſinnig ſeyn. Jndeſſen bin ich nicht im Stande, wegen der Frau Norton eine andere Entſchlieſſung zu faſſen, bis ich Nach- richt von Hauſe bekomme.
Jch kann weiter nichts ſagen, Fraͤulein, (ant- wortete er) als: ich war begierig, etwas auszufin- den, das ihnen angenehm ſeyn koͤnnte. Da ich aber ſo gluͤcklich nicht bin, ſo bitte ich ſie recht ſehr, ſagen ſie mir ſelbſt, was ſie wuͤnſchen? Jch will alles in der Welt eingehen, dieſes eintzige ausgenommen, daß ich ſie in dieſem Hauſe nicht allein laſſen kann, da ich meine Wohnung allzu weit abnehmen muͤßte, und nicht im Stande waͤre, gleich bey der Hand zu ſeyn, wenn es die Umſtaͤnde erfordern ſollten, ſon- derlich nachdem aus Mangel der noͤthigen Vorſich- tigkeit von meiner Seite die Schmarutzers, meine Diener, es uͤberall bekannt gemacht haben, daß wir hier ſind. Dieſes Geſchmeiß kann ohnmoͤglich un- terlaſſen zu prahlen, wenn es bey einem Cavallier von guter Familie in Dienſten iſt. Sie ruͤhmen ſich der Ahnen und Herkunft ihres Herren, nicht an- ders, als wenn ſie mit ihm verwandt waͤren. Nichts was ſie von ſeinen Umſtaͤnden wiſſen, bleibt in ihren Gelagen verſchwiegen, wenn es auch den Herrn um den Hals bringen koͤnnte.
Wie
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Jch ſagte: mit ihrer Erlaubniß, Herr Lovela-
ce, ich finde ſehr viel widerſprechendes in ihrem
Gemuͤthe. Sie muͤſſen ſich recht Muͤhe gegeben
haben, einige gute Gedancken zu unterdruͤcken, ſo
bald ſie zu keimen angefangen haben: oder ſie muͤſ-
ſen auſſerordentlich leichtſinnig ſeyn. Jndeſſen bin
ich nicht im Stande, wegen der Frau Norton
eine andere Entſchlieſſung zu faſſen, bis ich Nach-
richt von Hauſe bekomme.
Jch kann weiter nichts ſagen, Fraͤulein, (ant-
wortete er) als: ich war begierig, etwas auszufin-
den, das ihnen angenehm ſeyn koͤnnte. Da ich aber
ſo gluͤcklich nicht bin, ſo bitte ich ſie recht ſehr, ſagen
ſie mir ſelbſt, was ſie wuͤnſchen? Jch will alles in
der Welt eingehen, dieſes eintzige ausgenommen,
daß ich ſie in dieſem Hauſe nicht allein laſſen kann,
da ich meine Wohnung allzu weit abnehmen muͤßte,
und nicht im Stande waͤre, gleich bey der Hand zu
ſeyn, wenn es die Umſtaͤnde erfordern ſollten, ſon-
derlich nachdem aus Mangel der noͤthigen Vorſich-
tigkeit von meiner Seite die Schmarutzers, meine
Diener, es uͤberall bekannt gemacht haben, daß wir
hier ſind. Dieſes Geſchmeiß kann ohnmoͤglich un-
terlaſſen zu prahlen, wenn es bey einem Cavallier
von guter Familie in Dienſten iſt. Sie ruͤhmen
ſich der Ahnen und Herkunft ihres Herren, nicht an-
ders, als wenn ſie mit ihm verwandt waͤren. Nichts
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/280>, abgerufen am 22.12.2024.
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