Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



wanten so wohl angeschrieben zu seyn, daß ich
ihnen schriftlich von allem was ich in der
Sache vornehme und von allen Anträgen Nach-
richt geben will, so bald sie sich von mir ent-
fernen. Die Meinigen wissen, daß ich Recht habe
mit meinem großväterlichen Vermächtniß auf eine
solche Weise zu schalten und zu walten, die ihnen an-
genehm oder unangenehm seyn kann, ob ich es gleich
der Familie nicht gantz entziehen kann. Wenn sich
die erste Hitze geleget hat, so werden sie zum wenig-
sten in dieser Absicht sich nicht gar zu unvernünftig
gegen mich betragen; so bald sie wissen, daß ich in
keiner Verbindung mit ihnen stehe.

Er fing an meine richtigen Schlüsse zu bewun-
dern. Mein Versprechen war alles was er nur hof-
fen oder wünschen konnte. Es war mehr, als er sich
würde unterstanden haben zu bitten. Was für eine
Glückseeligkeit, wenn man sich auf das Wort eines
edelmüthigen Frauenzimmers verlassen darf?
Wenn er gleich zu Anfang ein Frauenzimmer von
solchem Gemüthe angetroffen hätte, so würde er nie
von der Bahn der strengesten Tugend abgewichen
seyn. Jedoch auch das Unglück möchte zu seinem
Besten verhänget seyn: denn er würde sonst nie zu
dem Glück gelanget seyn, auf welches er jetzt hoffen
dürfte, weil ihm seine Anverwanten stets angelegen
hätten, sich zu verheyrathen, ehe er mich noch ge-
kannt hätte. Da er nicht völlig so schlimm seye, als
ihn einige Leute machten, so habe er vielleicht mehr
Ruhm von seiner Besserung, als wenn er nie
schlimm gewesen wäre.

Jch



wanten ſo wohl angeſchrieben zu ſeyn, daß ich
ihnen ſchriftlich von allem was ich in der
Sache vornehme und von allen Antraͤgen Nach-
richt geben will, ſo bald ſie ſich von mir ent-
fernen. Die Meinigen wiſſen, daß ich Recht habe
mit meinem großvaͤterlichen Vermaͤchtniß auf eine
ſolche Weiſe zu ſchalten und zu walten, die ihnen an-
genehm oder unangenehm ſeyn kann, ob ich es gleich
der Familie nicht gantz entziehen kann. Wenn ſich
die erſte Hitze geleget hat, ſo werden ſie zum wenig-
ſten in dieſer Abſicht ſich nicht gar zu unvernuͤnftig
gegen mich betragen; ſo bald ſie wiſſen, daß ich in
keiner Verbindung mit ihnen ſtehe.

Er fing an meine richtigen Schluͤſſe zu bewun-
dern. Mein Verſprechen war alles was er nur hof-
fen oder wuͤnſchen konnte. Es war mehr, als er ſich
wuͤrde unterſtanden haben zu bitten. Was fuͤr eine
Gluͤckſeeligkeit, wenn man ſich auf das Wort eines
edelmuͤthigen Frauenzimmers verlaſſen darf?
Wenn er gleich zu Anfang ein Frauenzimmer von
ſolchem Gemuͤthe angetroffen haͤtte, ſo wuͤrde er nie
von der Bahn der ſtrengeſten Tugend abgewichen
ſeyn. Jedoch auch das Ungluͤck moͤchte zu ſeinem
Beſten verhaͤnget ſeyn: denn er wuͤrde ſonſt nie zu
dem Gluͤck gelanget ſeyn, auf welches er jetzt hoffen
duͤrfte, weil ihm ſeine Anverwanten ſtets angelegen
haͤtten, ſich zu verheyrathen, ehe er mich noch ge-
kannt haͤtte. Da er nicht voͤllig ſo ſchlimm ſeye, als
ihn einige Leute machten, ſo habe er vielleicht mehr
Ruhm von ſeiner Beſſerung, als wenn er nie
ſchlimm geweſen waͤre.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" n="256"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wanten &#x017F;o wohl ange&#x017F;chrieben zu &#x017F;eyn, daß ich<lb/>
ihnen &#x017F;chriftlich von allem was ich in der<lb/>
Sache vornehme und von allen Antra&#x0364;gen Nach-<lb/>
richt geben will, &#x017F;o bald &#x017F;ie &#x017F;ich von mir ent-<lb/>
fernen. Die Meinigen wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich Recht habe<lb/>
mit meinem großva&#x0364;terlichen Verma&#x0364;chtniß auf eine<lb/>
&#x017F;olche Wei&#x017F;e zu &#x017F;chalten und zu walten, die ihnen an-<lb/>
genehm oder unangenehm &#x017F;eyn kann, ob ich es gleich<lb/>
der Familie nicht gantz entziehen kann. Wenn &#x017F;ich<lb/>
die er&#x017F;te Hitze geleget hat, &#x017F;o werden &#x017F;ie zum wenig-<lb/>
&#x017F;ten in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht &#x017F;ich nicht gar zu unvernu&#x0364;nftig<lb/>
gegen mich betragen; &#x017F;o bald &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich in<lb/>
keiner Verbindung mit ihnen &#x017F;tehe.</p><lb/>
          <p>Er fing an meine richtigen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu bewun-<lb/>
dern. Mein Ver&#x017F;prechen war alles was er nur hof-<lb/>
fen oder wu&#x0364;n&#x017F;chen konnte. Es war mehr, als er &#x017F;ich<lb/>
wu&#x0364;rde unter&#x017F;tanden haben zu bitten. Was fu&#x0364;r eine<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit, wenn man &#x017F;ich auf das Wort eines<lb/>
edelmu&#x0364;thigen Frauenzimmers verla&#x017F;&#x017F;en darf?<lb/>
Wenn er gleich zu Anfang ein Frauenzimmer von<lb/>
&#x017F;olchem Gemu&#x0364;the angetroffen ha&#x0364;tte, &#x017F;o wu&#x0364;rde er nie<lb/>
von der Bahn der &#x017F;trenge&#x017F;ten Tugend abgewichen<lb/>
&#x017F;eyn. Jedoch auch das Unglu&#x0364;ck mo&#x0364;chte zu &#x017F;einem<lb/>
Be&#x017F;ten verha&#x0364;nget &#x017F;eyn: denn er wu&#x0364;rde &#x017F;on&#x017F;t nie zu<lb/>
dem Glu&#x0364;ck gelanget &#x017F;eyn, auf welches er jetzt hoffen<lb/>
du&#x0364;rfte, weil ihm &#x017F;eine Anverwanten &#x017F;tets angelegen<lb/>
ha&#x0364;tten, &#x017F;ich zu verheyrathen, ehe er mich noch ge-<lb/>
kannt ha&#x0364;tte. Da er nicht vo&#x0364;llig &#x017F;o &#x017F;chlimm &#x017F;eye, als<lb/>
ihn einige Leute machten, &#x017F;o habe er vielleicht mehr<lb/>
Ruhm von &#x017F;einer Be&#x017F;&#x017F;erung, als wenn er nie<lb/>
&#x017F;chlimm gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0270] wanten ſo wohl angeſchrieben zu ſeyn, daß ich ihnen ſchriftlich von allem was ich in der Sache vornehme und von allen Antraͤgen Nach- richt geben will, ſo bald ſie ſich von mir ent- fernen. Die Meinigen wiſſen, daß ich Recht habe mit meinem großvaͤterlichen Vermaͤchtniß auf eine ſolche Weiſe zu ſchalten und zu walten, die ihnen an- genehm oder unangenehm ſeyn kann, ob ich es gleich der Familie nicht gantz entziehen kann. Wenn ſich die erſte Hitze geleget hat, ſo werden ſie zum wenig- ſten in dieſer Abſicht ſich nicht gar zu unvernuͤnftig gegen mich betragen; ſo bald ſie wiſſen, daß ich in keiner Verbindung mit ihnen ſtehe. Er fing an meine richtigen Schluͤſſe zu bewun- dern. Mein Verſprechen war alles was er nur hof- fen oder wuͤnſchen konnte. Es war mehr, als er ſich wuͤrde unterſtanden haben zu bitten. Was fuͤr eine Gluͤckſeeligkeit, wenn man ſich auf das Wort eines edelmuͤthigen Frauenzimmers verlaſſen darf? Wenn er gleich zu Anfang ein Frauenzimmer von ſolchem Gemuͤthe angetroffen haͤtte, ſo wuͤrde er nie von der Bahn der ſtrengeſten Tugend abgewichen ſeyn. Jedoch auch das Ungluͤck moͤchte zu ſeinem Beſten verhaͤnget ſeyn: denn er wuͤrde ſonſt nie zu dem Gluͤck gelanget ſeyn, auf welches er jetzt hoffen duͤrfte, weil ihm ſeine Anverwanten ſtets angelegen haͤtten, ſich zu verheyrathen, ehe er mich noch ge- kannt haͤtte. Da er nicht voͤllig ſo ſchlimm ſeye, als ihn einige Leute machten, ſo habe er vielleicht mehr Ruhm von ſeiner Beſſerung, als wenn er nie ſchlimm geweſen waͤre. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/270
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/270>, abgerufen am 22.12.2024.