(Hiebey umfassete er mich, und zog mich gelinder mit sich fort.) Jetzt ist die Zeit. Jch bitte sie, allerliebster Schatz, entfliehen sie mit mir. Se- tzen sie in ihren unglücklichen und verfolgten An- beter kein Mistrauen. Haben wir nicht mit ein- ander in einer Sache gelitten? Wenn der Leute Nachrede etwas an ihren Betragen zu tadeln findet, so gönnen sie mir, so bald ich anfange es zu ver- dienen, die Ehre, sie die Meinige zu nennen. Solte ich alsdann nicht im Stande seyn, ihre Per- son und ihren guten Nahmen zu vertheidigen?
Dringen sie nicht weiter in mich, Herr Love- lace, ich bitte sie um Gottes willen. Sie selbst haben mir jetzt einen Winck gegeben; und ich will deutlicher reden, als es mir die Klugheit in andern Umständen erlauben würde. Jch bin völlig ver- sichert, und ich wolte sie auch überzeugen, wenn ich nur Zeit hätte, daß der bevorstehende Mitte- wochen nicht der Tag ist, vor dem wir beyde uns fürchten. Wenn dieser Tag vorüber ist, und ich finde, daß meine Freunde noch entschlossen sind, des Herrn Solmes Gesuch durchzutreiben: so will ich einen Weg machen, daß ich sie bey der Fräu- lein Howe sprechen kann, die gewiß ihre Feindin nicht ist. Wenn erst die nöthige Cerimonie vor- her gegangen ist, so will ichs für meine Schuldig- digkeit ansehen, den Schritt zu thun, der vorhin unrechtmäßig seyn würde: weil ich alsdenn einen Gehorsam schuldig bin, der den Gehorsam gegen die Eltern billig aufhebt.
Allerliebste Fräulein - -
Ja
(Hiebey umfaſſete er mich, und zog mich gelinder mit ſich fort.) Jetzt iſt die Zeit. Jch bitte ſie, allerliebſter Schatz, entfliehen ſie mit mir. Se- tzen ſie in ihren ungluͤcklichen und verfolgten An- beter kein Mistrauen. Haben wir nicht mit ein- ander in einer Sache gelitten? Wenn der Leute Nachrede etwas an ihren Betragen zu tadeln findet, ſo goͤnnen ſie mir, ſo bald ich anfange es zu ver- dienen, die Ehre, ſie die Meinige zu nennen. Solte ich alsdann nicht im Stande ſeyn, ihre Per- ſon und ihren guten Nahmen zu vertheidigen?
Dringen ſie nicht weiter in mich, Herr Love- lace, ich bitte ſie um Gottes willen. Sie ſelbſt haben mir jetzt einen Winck gegeben; und ich will deutlicher reden, als es mir die Klugheit in andern Umſtaͤnden erlauben wuͤrde. Jch bin voͤllig ver- ſichert, und ich wolte ſie auch uͤberzeugen, wenn ich nur Zeit haͤtte, daß der bevorſtehende Mitte- wochen nicht der Tag iſt, vor dem wir beyde uns fuͤrchten. Wenn dieſer Tag voruͤber iſt, und ich finde, daß meine Freunde noch entſchloſſen ſind, des Herrn Solmes Geſuch durchzutreiben: ſo will ich einen Weg machen, daß ich ſie bey der Fraͤu- lein Howe ſprechen kann, die gewiß ihre Feindin nicht iſt. Wenn erſt die noͤthige Cerimonie vor- her gegangen iſt, ſo will ichs fuͤr meine Schuldig- digkeit anſehen, den Schritt zu thun, der vorhin unrechtmaͤßig ſeyn wuͤrde: weil ich alsdenn einen Gehorſam ſchuldig bin, der den Gehorſam gegen die Eltern billig aufhebt.
Allerliebſte Fraͤulein ‒ ‒
Ja
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(Hiebey umfaſſete er mich, und zog mich gelinder
mit ſich fort.) Jetzt iſt die Zeit. Jch bitte ſie,
allerliebſter Schatz, entfliehen ſie mit mir. Se-
tzen ſie in ihren ungluͤcklichen und verfolgten An-
beter kein Mistrauen. Haben wir nicht mit ein-
ander in einer Sache gelitten? Wenn der Leute
Nachrede etwas an ihren Betragen zu tadeln findet,
ſo goͤnnen ſie mir, ſo bald ich anfange es zu ver-
dienen, die Ehre, ſie die Meinige zu nennen.
Solte ich alsdann nicht im Stande ſeyn, ihre Per-
ſon und ihren guten Nahmen zu vertheidigen?
Dringen ſie nicht weiter in mich, Herr Love-
lace, ich bitte ſie um Gottes willen. Sie ſelbſt
haben mir jetzt einen Winck gegeben; und ich will
deutlicher reden, als es mir die Klugheit in andern
Umſtaͤnden erlauben wuͤrde. Jch bin voͤllig ver-
ſichert, und ich wolte ſie auch uͤberzeugen, wenn
ich nur Zeit haͤtte, daß der bevorſtehende Mitte-
wochen nicht der Tag iſt, vor dem wir beyde uns
fuͤrchten. Wenn dieſer Tag voruͤber iſt, und ich
finde, daß meine Freunde noch entſchloſſen ſind,
des Herrn Solmes Geſuch durchzutreiben: ſo
will ich einen Weg machen, daß ich ſie bey der Fraͤu-
lein Howe ſprechen kann, die gewiß ihre Feindin
nicht iſt. Wenn erſt die noͤthige Cerimonie vor-
her gegangen iſt, ſo will ichs fuͤr meine Schuldig-
digkeit anſehen, den Schritt zu thun, der vorhin
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Gehorſam ſchuldig bin, der den Gehorſam
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/27>, abgerufen am 24.11.2024.
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