mir auf nichts so viel ein, als auf meine glücklichen Einfälle und Erfindungen: und, bey meiner See- le, ich kann dieses ohnmöglich verbergen. Diese Einbildung kann bey einem so scharfsichtigen Frauenzimmer sehr leicht mein Unglück seyn.
Es scheint, daß sie sich vor mir fürchtet. Jch ha- be mich sonst immer bemühet, ihr und der Fräulein Howe als ein leichtsinniger Mensch ohne Gedan- cken und Vorsicht vorzukommen. Habe ich nicht thö- richt gehandelt, daß ich ihre Gewissens-Frage we- gen des Lerms in dem Garten so weitläuftig und mit so vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al- lein weil dieses glücklich ablief, so machte mich mein Glück verwegen. Du weißt es selbst, Bruder, wie einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man glücklich ist. Mein Hochmuth übereilte meine Bedachtsamkeit. So bald ich meine Drohungen vorgebracht hatte, Solmesen auf die Seite zu bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu gehen, und an beyden Bedienten Rache zu üben: gerieth meine Geliebte in ein solches Schrecken, daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar- te auswetzen konnte.
Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgesan- ten in ihrem Hause eine glückliche Nachricht; die ich zum wenigsten glücklich gebrauchen konnte. Jch bat deswegen, daß ich möchte vor sie gelassen wer- den, ehe sie einen Entschluß gegen mich fassen konn- te, das ist, unterdessen daß sie meine entschlossene Dreistigkeit bewunderte, und selbst dadurch un- schlüßig ward.
Jch
mir auf nichts ſo viel ein, als auf meine gluͤcklichen Einfaͤlle und Erfindungen: und, bey meiner See- le, ich kann dieſes ohnmoͤglich verbergen. Dieſe Einbildung kann bey einem ſo ſcharfſichtigen Frauenzimmer ſehr leicht mein Ungluͤck ſeyn.
Es ſcheint, daß ſie ſich vor mir fuͤrchtet. Jch ha- be mich ſonſt immer bemuͤhet, ihr und der Fraͤulein Howe als ein leichtſinniger Menſch ohne Gedan- cken und Vorſicht vorzukom̃en. Habe ich nicht thoͤ- richt gehandelt, daß ich ihre Gewiſſens-Frage we- gen des Lerms in dem Garten ſo weitlaͤuftig und mit ſo vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al- lein weil dieſes gluͤcklich ablief, ſo machte mich mein Gluͤck verwegen. Du weißt es ſelbſt, Bruder, wie einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man gluͤcklich iſt. Mein Hochmuth uͤbereilte meine Bedachtſamkeit. So bald ich meine Drohungen vorgebracht hatte, Solmeſen auf die Seite zu bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu gehen, und an beyden Bedienten Rache zu uͤben: gerieth meine Geliebte in ein ſolches Schrecken, daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar- te auswetzen konnte.
Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgeſan- ten in ihrem Hauſe eine gluͤckliche Nachricht; die ich zum wenigſten gluͤcklich gebrauchen konnte. Jch bat deswegen, daß ich moͤchte vor ſie gelaſſen wer- den, ehe ſie einen Entſchluß gegen mich faſſen konn- te, das iſt, unterdeſſen daß ſie meine entſchloſſene Dreiſtigkeit bewunderte, und ſelbſt dadurch un- ſchluͤßig ward.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0240"n="226"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mir auf nichts ſo viel ein, als auf meine gluͤcklichen<lb/>
Einfaͤlle und Erfindungen: und, bey meiner See-<lb/>
le, ich kann dieſes ohnmoͤglich verbergen. Dieſe<lb/>
Einbildung kann bey einem ſo ſcharfſichtigen<lb/>
Frauenzimmer ſehr leicht mein Ungluͤck ſeyn.</p><lb/><p>Es ſcheint, daß ſie ſich vor mir fuͤrchtet. Jch ha-<lb/>
be mich ſonſt immer bemuͤhet, ihr und der Fraͤulein<lb/><hirendition="#fr">Howe</hi> als ein leichtſinniger Menſch ohne Gedan-<lb/>
cken und Vorſicht vorzukom̃en. Habe ich nicht thoͤ-<lb/>
richt gehandelt, daß ich ihre Gewiſſens-Frage we-<lb/>
gen des Lerms in dem Garten ſo weitlaͤuftig und<lb/>
mit ſo vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al-<lb/>
lein weil dieſes gluͤcklich ablief, ſo machte mich mein<lb/>
Gluͤck verwegen. Du weißt es ſelbſt, Bruder, wie<lb/>
einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man<lb/>
gluͤcklich iſt. Mein Hochmuth uͤbereilte meine<lb/>
Bedachtſamkeit. So bald ich meine Drohungen<lb/>
vorgebracht hatte, <hirendition="#fr">Solmeſen</hi> auf die Seite zu<lb/>
bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu<lb/>
gehen, und an beyden Bedienten Rache zu uͤben:<lb/>
gerieth meine Geliebte in ein ſolches Schrecken,<lb/>
daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar-<lb/>
te auswetzen konnte.</p><lb/><p>Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgeſan-<lb/>
ten in ihrem Hauſe eine gluͤckliche Nachricht; die ich<lb/>
zum wenigſten gluͤcklich gebrauchen konnte. Jch<lb/>
bat deswegen, daß ich moͤchte vor ſie gelaſſen wer-<lb/>
den, ehe ſie einen Entſchluß gegen mich faſſen konn-<lb/>
te, das iſt, unterdeſſen daß ſie meine entſchloſſene<lb/>
Dreiſtigkeit bewunderte, und ſelbſt dadurch un-<lb/>ſchluͤßig ward.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[226/0240]
mir auf nichts ſo viel ein, als auf meine gluͤcklichen
Einfaͤlle und Erfindungen: und, bey meiner See-
le, ich kann dieſes ohnmoͤglich verbergen. Dieſe
Einbildung kann bey einem ſo ſcharfſichtigen
Frauenzimmer ſehr leicht mein Ungluͤck ſeyn.
Es ſcheint, daß ſie ſich vor mir fuͤrchtet. Jch ha-
be mich ſonſt immer bemuͤhet, ihr und der Fraͤulein
Howe als ein leichtſinniger Menſch ohne Gedan-
cken und Vorſicht vorzukom̃en. Habe ich nicht thoͤ-
richt gehandelt, daß ich ihre Gewiſſens-Frage we-
gen des Lerms in dem Garten ſo weitlaͤuftig und
mit ſo vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al-
lein weil dieſes gluͤcklich ablief, ſo machte mich mein
Gluͤck verwegen. Du weißt es ſelbſt, Bruder, wie
einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man
gluͤcklich iſt. Mein Hochmuth uͤbereilte meine
Bedachtſamkeit. So bald ich meine Drohungen
vorgebracht hatte, Solmeſen auf die Seite zu
bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu
gehen, und an beyden Bedienten Rache zu uͤben:
gerieth meine Geliebte in ein ſolches Schrecken,
daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar-
te auswetzen konnte.
Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgeſan-
ten in ihrem Hauſe eine gluͤckliche Nachricht; die ich
zum wenigſten gluͤcklich gebrauchen konnte. Jch
bat deswegen, daß ich moͤchte vor ſie gelaſſen wer-
den, ehe ſie einen Entſchluß gegen mich faſſen konn-
te, das iſt, unterdeſſen daß ſie meine entſchloſſene
Dreiſtigkeit bewunderte, und ſelbſt dadurch un-
ſchluͤßig ward.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/240>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.