Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



um sich einigen Leuten fürchterlich zu machen, und
Unglück zu vermeiden. Er sey oft darin unglück-
lich gewesen, daß er einige geschwinde Einfälle gleich
heraus gesagt hätte: es würde ihm vieles nachge-
redet, das er nie gesagt, und noch mehreres, das
er nie gethan hätte. Manches gebe man ihm als
eine That schuld, davon er nur (wie eben jetzt) ge-
redet, und in einer Viertheil-Stunde nichts mehr
davon gewußt hätte.

Es kann etwas hievon wahr seyn. Ein so
junger Mensch kann nicht vollkommen so gottlos
seyn, als man ihn abzumahlen pflegt. Allein was
muß man nicht von einem solchen Mann gewärtig
seyn, der der Anführer einer solchen Bande von drei-
sten und bemittelten jungen Herren ist, und derglei-
chen Dinge auszuführen im Stande ist, als ich schon
leyder erfahren habe?

Eine seiner Entschuldigungen war, daß er sich
nicht darum bekümmere, was andere Leute von
ihm dächten. Gewiß eine schlechte Entschuldigung!
Was für Zutrauen kann ein Frauenzimmer zu ei-
nem Manne haben, der nichts auf seine Ehre hält?
Diese muntern Köpfe können uns wol einmahl eine
vergnügte Stunde machen: allein der, mit dem
man wünschen kann seine Lebens-Zeit zuzubrin-
gen, muß ein redliches und tugendhaftes Hertz ha-
ben. Welche Frauens Person, die es ändern kann,
wird es auf die bloße Höflichkeit eines solchen Man-
nes, der allen Pflichten der Sitten-Lehre Trotz bie-
tet, ankommen lassen, ober seine Pflicht gegen sie er-
füllen, und ihr nicht gar zu übel begegnen wolle?

Was



um ſich einigen Leuten fuͤrchterlich zu machen, und
Ungluͤck zu vermeiden. Er ſey oft darin ungluͤck-
lich geweſen, daß er einige geſchwinde Einfaͤlle gleich
heraus geſagt haͤtte: es wuͤrde ihm vieles nachge-
redet, das er nie geſagt, und noch mehreres, das
er nie gethan haͤtte. Manches gebe man ihm als
eine That ſchuld, davon er nur (wie eben jetzt) ge-
redet, und in einer Viertheil-Stunde nichts mehr
davon gewußt haͤtte.

Es kann etwas hievon wahr ſeyn. Ein ſo
junger Menſch kann nicht vollkommen ſo gottlos
ſeyn, als man ihn abzumahlen pflegt. Allein was
muß man nicht von einem ſolchen Mann gewaͤrtig
ſeyn, der der Anfuͤhrer einer ſolchen Bande von drei-
ſten und bemittelten jungen Herren iſt, und derglei-
chen Dinge auszufuͤhren im Stande iſt, als ich ſchon
leyder erfahren habe?

Eine ſeiner Entſchuldigungen war, daß er ſich
nicht darum bekuͤmmere, was andere Leute von
ihm daͤchten. Gewiß eine ſchlechte Entſchuldigung!
Was fuͤr Zutrauen kann ein Frauenzimmer zu ei-
nem Manne haben, der nichts auf ſeine Ehre haͤlt?
Dieſe muntern Koͤpfe koͤnnen uns wol einmahl eine
vergnuͤgte Stunde machen: allein der, mit dem
man wuͤnſchen kann ſeine Lebens-Zeit zuzubrin-
gen, muß ein redliches und tugendhaftes Hertz ha-
ben. Welche Frauens Perſon, die es aͤndern kann,
wird es auf die bloße Hoͤflichkeit eines ſolchen Man-
nes, der allen Pflichten der Sitten-Lehre Trotz bie-
tet, ankommen laſſen, ober ſeine Pflicht gegen ſie er-
fuͤllen, und ihr nicht gar zu uͤbel begegnen wolle?

Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="205"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
um &#x017F;ich einigen Leuten fu&#x0364;rchterlich zu machen, und<lb/>
Unglu&#x0364;ck zu vermeiden. Er &#x017F;ey oft darin unglu&#x0364;ck-<lb/>
lich gewe&#x017F;en, daß er einige ge&#x017F;chwinde Einfa&#x0364;lle gleich<lb/>
heraus ge&#x017F;agt ha&#x0364;tte: es wu&#x0364;rde ihm vieles nachge-<lb/>
redet, das er nie ge&#x017F;agt, und noch mehreres, das<lb/>
er nie gethan ha&#x0364;tte. Manches gebe man ihm als<lb/>
eine That &#x017F;chuld, davon er nur (wie eben jetzt) ge-<lb/>
redet, und in einer Viertheil-Stunde nichts mehr<lb/>
davon gewußt ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Es kann etwas hievon wahr &#x017F;eyn. Ein &#x017F;o<lb/>
junger Men&#x017F;ch kann nicht vollkommen &#x017F;o gottlos<lb/>
&#x017F;eyn, als man ihn abzumahlen pflegt. Allein was<lb/>
muß man nicht von einem &#x017F;olchen Mann gewa&#x0364;rtig<lb/>
&#x017F;eyn, der der Anfu&#x0364;hrer einer &#x017F;olchen Bande von drei-<lb/>
&#x017F;ten und bemittelten jungen Herren i&#x017F;t, und derglei-<lb/>
chen Dinge auszufu&#x0364;hren im Stande i&#x017F;t, als ich &#x017F;chon<lb/>
leyder erfahren habe?</p><lb/>
          <p>Eine &#x017F;einer Ent&#x017F;chuldigungen war, daß er &#x017F;ich<lb/>
nicht darum beku&#x0364;mmere, was andere Leute von<lb/>
ihm da&#x0364;chten. Gewiß eine &#x017F;chlechte Ent&#x017F;chuldigung!<lb/>
Was fu&#x0364;r Zutrauen kann ein Frauenzimmer zu ei-<lb/>
nem Manne haben, der nichts auf &#x017F;eine Ehre ha&#x0364;lt?<lb/>
Die&#x017F;e muntern Ko&#x0364;pfe ko&#x0364;nnen uns wol einmahl eine<lb/>
vergnu&#x0364;gte Stunde machen: allein der, mit dem<lb/>
man wu&#x0364;n&#x017F;chen kann &#x017F;eine Lebens-Zeit zuzubrin-<lb/>
gen, muß ein redliches und tugendhaftes Hertz ha-<lb/>
ben. Welche Frauens Per&#x017F;on, die es a&#x0364;ndern kann,<lb/>
wird es auf die bloße Ho&#x0364;flichkeit eines &#x017F;olchen Man-<lb/>
nes, der allen Pflichten der Sitten-Lehre Trotz bie-<lb/>
tet, ankommen la&#x017F;&#x017F;en, ober &#x017F;eine Pflicht gegen &#x017F;ie er-<lb/>
fu&#x0364;llen, und ihr nicht gar zu u&#x0364;bel begegnen wolle?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0219] um ſich einigen Leuten fuͤrchterlich zu machen, und Ungluͤck zu vermeiden. Er ſey oft darin ungluͤck- lich geweſen, daß er einige geſchwinde Einfaͤlle gleich heraus geſagt haͤtte: es wuͤrde ihm vieles nachge- redet, das er nie geſagt, und noch mehreres, das er nie gethan haͤtte. Manches gebe man ihm als eine That ſchuld, davon er nur (wie eben jetzt) ge- redet, und in einer Viertheil-Stunde nichts mehr davon gewußt haͤtte. Es kann etwas hievon wahr ſeyn. Ein ſo junger Menſch kann nicht vollkommen ſo gottlos ſeyn, als man ihn abzumahlen pflegt. Allein was muß man nicht von einem ſolchen Mann gewaͤrtig ſeyn, der der Anfuͤhrer einer ſolchen Bande von drei- ſten und bemittelten jungen Herren iſt, und derglei- chen Dinge auszufuͤhren im Stande iſt, als ich ſchon leyder erfahren habe? Eine ſeiner Entſchuldigungen war, daß er ſich nicht darum bekuͤmmere, was andere Leute von ihm daͤchten. Gewiß eine ſchlechte Entſchuldigung! Was fuͤr Zutrauen kann ein Frauenzimmer zu ei- nem Manne haben, der nichts auf ſeine Ehre haͤlt? Dieſe muntern Koͤpfe koͤnnen uns wol einmahl eine vergnuͤgte Stunde machen: allein der, mit dem man wuͤnſchen kann ſeine Lebens-Zeit zuzubrin- gen, muß ein redliches und tugendhaftes Hertz ha- ben. Welche Frauens Perſon, die es aͤndern kann, wird es auf die bloße Hoͤflichkeit eines ſolchen Man- nes, der allen Pflichten der Sitten-Lehre Trotz bie- tet, ankommen laſſen, ober ſeine Pflicht gegen ſie er- fuͤllen, und ihr nicht gar zu uͤbel begegnen wolle? Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/219
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/219>, abgerufen am 18.12.2024.