Als geklingelt ward, daß die Bedienten zu Ti- sche gehen sollten, so kam Elisabeth und fragte mich, ob ich noch etwas zu befehlen hätte? Sie gab mir hiebey abermahls zu verstehen, daß sie zu thun haben würde, und daß sie glaubte, man er- warte mich nicht eher wieder in dem Hause, als bis sie zu mir käme, oder bis mich meine Mutter Schwester oder die Fräulein Hervey abrieffe.
Jch fragte Sie allerhand von der Cascade, die etwas verfallen und erst kürtzlich wieder ausgebessert war. Jch war so künstlich mich selbst zu fangen, daß ich mich stellete, als wäre ich sehr begierig, die Wasser-Kunst springend zu sehen, damit sie mich bey der Wasser-Kunst suchen möchte, wenn sie mich nicht fände, indem dieser Theil des Gar- teus am weitesten von dem Sommer-Hause ent- fernet ist.
Sie konnte kaum in das Haus getreten seyn, als ich das erste Zeichen hörete. Wie schlug mir das Hertz! Allein es war keine Zeit zu verlieren. Jch ging nach der Garten-Thür, und weil ich mich sicher sahe, so riegelte ich die schon aufge- schlossene Garten-Thür auf. Hier stand er, und erwartete mich voller Ungeduld.
Jch empfand bey seinem Anblick das äußerste Schrecken, daß ich mich kaum halten konnte. Mein Hertz war voller Verwirrung, und ich be- bete so, daß ich nicht auf den Füßen würde haben ste hen können, wenn er mich nicht gehalten hätte.
Fürchten Sie sich nicht, liebstes Kind. (sagte er zu mir) Lassen sie uns eilen! der Wagen stehet
schon
A 4
Als geklingelt ward, daß die Bedienten zu Ti- ſche gehen ſollten, ſo kam Eliſabeth und fragte mich, ob ich noch etwas zu befehlen haͤtte? Sie gab mir hiebey abermahls zu verſtehen, daß ſie zu thun haben wuͤrde, und daß ſie glaubte, man er- warte mich nicht eher wieder in dem Hauſe, als bis ſie zu mir kaͤme, oder bis mich meine Mutter Schweſter oder die Fraͤulein Hervey abrieffe.
Jch fragte Sie allerhand von der Cascade, die etwas verfallen und erſt kuͤrtzlich wieder ausgebeſſert war. Jch war ſo kuͤnſtlich mich ſelbſt zu fangen, daß ich mich ſtellete, als waͤre ich ſehr begierig, die Waſſer-Kunſt ſpringend zu ſehen, damit ſie mich bey der Waſſer-Kunſt ſuchen moͤchte, wenn ſie mich nicht faͤnde, indem dieſer Theil des Gar- teus am weiteſten von dem Sommer-Hauſe ent- fernet iſt.
Sie konnte kaum in das Haus getreten ſeyn, als ich das erſte Zeichen hoͤrete. Wie ſchlug mir das Hertz! Allein es war keine Zeit zu verlieren. Jch ging nach der Garten-Thuͤr, und weil ich mich ſicher ſahe, ſo riegelte ich die ſchon aufge- ſchloſſene Garten-Thuͤr auf. Hier ſtand er, und erwartete mich voller Ungeduld.
Jch empfand bey ſeinem Anblick das aͤußerſte Schrecken, daß ich mich kaum halten konnte. Mein Hertz war voller Verwirrung, und ich be- bete ſo, daß ich nicht auf den Fuͤßen wuͤrde haben ſte hen koͤnnen, wenn er mich nicht gehalten haͤtte.
Fuͤrchten Sie ſich nicht, liebſtes Kind. (ſagte er zu mir) Laſſen ſie uns eilen! der Wagen ſtehet
ſchon
A 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0021"n="7"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Als geklingelt ward, daß die Bedienten zu Ti-<lb/>ſche gehen ſollten, ſo kam <hirendition="#fr">Eliſabeth</hi> und fragte<lb/>
mich, ob ich noch etwas zu befehlen haͤtte? Sie<lb/>
gab mir hiebey abermahls zu verſtehen, daß ſie zu<lb/>
thun haben wuͤrde, und daß ſie glaubte, man er-<lb/>
warte mich nicht eher wieder in dem Hauſe, als<lb/>
bis ſie zu mir kaͤme, oder bis mich meine Mutter<lb/>
Schweſter oder die Fraͤulein Hervey abrieffe.</p><lb/><p>Jch fragte Sie allerhand von der Cascade, die<lb/>
etwas verfallen und erſt kuͤrtzlich wieder ausgebeſſert<lb/>
war. Jch war ſo kuͤnſtlich mich ſelbſt zu fangen,<lb/>
daß ich mich ſtellete, als waͤre ich ſehr begierig,<lb/>
die Waſſer-Kunſt ſpringend zu ſehen, damit ſie<lb/>
mich bey der Waſſer-Kunſt ſuchen moͤchte, wenn<lb/>ſie mich nicht faͤnde, indem dieſer Theil des Gar-<lb/>
teus am weiteſten von dem Sommer-Hauſe ent-<lb/>
fernet iſt.</p><lb/><p>Sie konnte kaum in das Haus getreten ſeyn,<lb/>
als ich das erſte Zeichen hoͤrete. Wie ſchlug mir<lb/>
das Hertz! Allein es war keine Zeit zu verlieren.<lb/>
Jch ging nach der Garten-Thuͤr, und weil ich<lb/>
mich ſicher ſahe, ſo riegelte ich die ſchon aufge-<lb/>ſchloſſene Garten-Thuͤr auf. Hier ſtand er, und<lb/>
erwartete mich voller Ungeduld.</p><lb/><p>Jch empfand bey ſeinem Anblick das aͤußerſte<lb/>
Schrecken, daß ich mich kaum halten konnte.<lb/>
Mein Hertz war voller Verwirrung, und ich be-<lb/>
bete ſo, daß ich nicht auf den Fuͤßen wuͤrde haben<lb/>ſte hen koͤnnen, wenn er mich nicht gehalten haͤtte.</p><lb/><p>Fuͤrchten Sie ſich nicht, liebſtes Kind. (ſagte er<lb/>
zu mir) Laſſen ſie uns eilen! der Wagen ſtehet<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſchon</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[7/0021]
Als geklingelt ward, daß die Bedienten zu Ti-
ſche gehen ſollten, ſo kam Eliſabeth und fragte
mich, ob ich noch etwas zu befehlen haͤtte? Sie
gab mir hiebey abermahls zu verſtehen, daß ſie zu
thun haben wuͤrde, und daß ſie glaubte, man er-
warte mich nicht eher wieder in dem Hauſe, als
bis ſie zu mir kaͤme, oder bis mich meine Mutter
Schweſter oder die Fraͤulein Hervey abrieffe.
Jch fragte Sie allerhand von der Cascade, die
etwas verfallen und erſt kuͤrtzlich wieder ausgebeſſert
war. Jch war ſo kuͤnſtlich mich ſelbſt zu fangen,
daß ich mich ſtellete, als waͤre ich ſehr begierig,
die Waſſer-Kunſt ſpringend zu ſehen, damit ſie
mich bey der Waſſer-Kunſt ſuchen moͤchte, wenn
ſie mich nicht faͤnde, indem dieſer Theil des Gar-
teus am weiteſten von dem Sommer-Hauſe ent-
fernet iſt.
Sie konnte kaum in das Haus getreten ſeyn,
als ich das erſte Zeichen hoͤrete. Wie ſchlug mir
das Hertz! Allein es war keine Zeit zu verlieren.
Jch ging nach der Garten-Thuͤr, und weil ich
mich ſicher ſahe, ſo riegelte ich die ſchon aufge-
ſchloſſene Garten-Thuͤr auf. Hier ſtand er, und
erwartete mich voller Ungeduld.
Jch empfand bey ſeinem Anblick das aͤußerſte
Schrecken, daß ich mich kaum halten konnte.
Mein Hertz war voller Verwirrung, und ich be-
bete ſo, daß ich nicht auf den Fuͤßen wuͤrde haben
ſte hen koͤnnen, wenn er mich nicht gehalten haͤtte.
Fuͤrchten Sie ſich nicht, liebſtes Kind. (ſagte er
zu mir) Laſſen ſie uns eilen! der Wagen ſtehet
ſchon
A 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/21>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.