ihn so lange fortzusetzen, als die Veranlassung da- zu nicht gehoben war? Was kann er sich bey die- sen Umständen für ein Recht zu haben einbilden, mich fremde Sünden, die mir mehr als ihm ge- schadet haben, entgelten zu lassen, wenn ich auch völlig in seiner Gewalt wäre. Es ist ohnmöglich, daß er ein so niederträchtiges, ein so abscheuliches Hertz haben sollte.
Sie verlangen, daß ich mich über den kleinen Haus-Krieg zwischen Jhnen und Jhrer Frau Mut- ter nicht ängstigensoll. Allein wie kann ich deswegen unbekümmert seyn, da ich die Ursache dieses Streites bin? Dadurch muß meine Bekümmerniß nothwen- dig wachsen, daß mein Ouckle und meine übrigen Anverwanten einen Antheil daran haben.
Vielleicht ist mein Urtheil schärfer, als es sich zu meinen jetzigen Umständen schicket. Jndessen kommt es mir vor, als wenn die Ausdrücke Jhrer Frau Mutter, derer Sie in Jhrem Briefe geden- cken, eine richtige und scharfe Anklage gegen Sie selbst seyn könnten. Wenn sie z. E. sagt: du sollst das thun, meine Tochter; ich sage es dir: so schließt man aus diesem Ausdruck, daß Sie sich ihrem Willen widersetzt haben müssen: und eine gleiche Bewandniß hat es auch mit den übrigen Ausdrücken.
Was das anlanget, daß Sie meinen, bey un- serem Briefwechsel sey nicht eben die Gefahr, als bey meinem Briefwechsel mit Lovelacen: so belie- ben Sie zu bedencken, daß ich zu Anfang eben so wenig üble Folgen befürchtete, als Sie jetzt be-
fürch-
ihn ſo lange fortzuſetzen, als die Veranlaſſung da- zu nicht gehoben war? Was kann er ſich bey die- ſen Umſtaͤnden fuͤr ein Recht zu haben einbilden, mich fremde Suͤnden, die mir mehr als ihm ge- ſchadet haben, entgelten zu laſſen, wenn ich auch voͤllig in ſeiner Gewalt waͤre. Es iſt ohnmoͤglich, daß er ein ſo niedertraͤchtiges, ein ſo abſcheuliches Hertz haben ſollte.
Sie verlangen, daß ich mich uͤber den kleinen Haus-Krieg zwiſchen Jhnen und Jhrer Frau Mut- ter nicht aͤngſtigenſoll. Allein wie kann ich deswegen unbekuͤmmert ſeyn, da ich die Urſache dieſes Streites bin? Dadurch muß meine Bekuͤmmerniß nothwen- dig wachſen, daß mein Ouckle und meine uͤbrigen Anverwanten einen Antheil daran haben.
Vielleicht iſt mein Urtheil ſchaͤrfer, als es ſich zu meinen jetzigen Umſtaͤnden ſchicket. Jndeſſen kommt es mir vor, als wenn die Ausdruͤcke Jhrer Frau Mutter, derer Sie in Jhrem Briefe geden- cken, eine richtige und ſcharfe Anklage gegen Sie ſelbſt ſeyn koͤnnten. Wenn ſie z. E. ſagt: du ſollſt das thun, meine Tochter; ich ſage es dir: ſo ſchließt man aus dieſem Ausdruck, daß Sie ſich ihrem Willen widerſetzt haben muͤſſen: und eine gleiche Bewandniß hat es auch mit den uͤbrigen Ausdruͤcken.
Was das anlanget, daß Sie meinen, bey un- ſerem Briefwechſel ſey nicht eben die Gefahr, als bey meinem Briefwechſel mit Lovelacen: ſo belie- ben Sie zu bedencken, daß ich zu Anfang eben ſo wenig uͤble Folgen befuͤrchtete, als Sie jetzt be-
fuͤrch-
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ihn ſo lange fortzuſetzen, als die Veranlaſſung da-
zu nicht gehoben war? Was kann er ſich bey die-
ſen Umſtaͤnden fuͤr ein Recht zu haben einbilden,
mich fremde Suͤnden, die mir mehr als ihm ge-
ſchadet haben, entgelten zu laſſen, wenn ich auch
voͤllig in ſeiner Gewalt waͤre. Es iſt ohnmoͤglich,
daß er ein ſo niedertraͤchtiges, ein ſo abſcheuliches
Hertz haben ſollte.
Sie verlangen, daß ich mich uͤber den kleinen
Haus-Krieg zwiſchen Jhnen und Jhrer Frau Mut-
ter nicht aͤngſtigenſoll. Allein wie kann ich deswegen
unbekuͤmmert ſeyn, da ich die Urſache dieſes Streites
bin? Dadurch muß meine Bekuͤmmerniß nothwen-
dig wachſen, daß mein Ouckle und meine uͤbrigen
Anverwanten einen Antheil daran haben.
Vielleicht iſt mein Urtheil ſchaͤrfer, als es ſich
zu meinen jetzigen Umſtaͤnden ſchicket. Jndeſſen
kommt es mir vor, als wenn die Ausdruͤcke Jhrer
Frau Mutter, derer Sie in Jhrem Briefe geden-
cken, eine richtige und ſcharfe Anklage gegen Sie
ſelbſt ſeyn koͤnnten. Wenn ſie z. E. ſagt: du ſollſt
das thun, meine Tochter; ich ſage es dir:
ſo ſchließt man aus dieſem Ausdruck, daß Sie ſich
ihrem Willen widerſetzt haben muͤſſen: und eine
gleiche Bewandniß hat es auch mit den uͤbrigen
Ausdruͤcken.
Was das anlanget, daß Sie meinen, bey un-
ſerem Briefwechſel ſey nicht eben die Gefahr, als
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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