Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



gen, sonderlich da ich meine liebe und unvergleich-
liche Mutter in dieser Bitte zur Vorsprecherin
habe. O diese liebe und gütige Mutter! wie blu-
tet mir das Hertz, wenn ich an sie gedencke, und wie
wird es mir noch ferner bluten.

Sie verbieten mir, eine Aussöhnung mit den
Meinigen zu hoffen. Jch hoffe auch nicht darauf,
allein ich wünsche sie von Hertzen. Was kann ich
aber in Absicht auf den Lovelace thun? Sie sehen
selbst, daß eine nähere Verbindung mit ihm nicht
mehr in meiner Gewalt stehet, wenn ich sie auch
wählen, und den Versuch zu einer Aussöhnung,
den ich zu machen von Hertzen entschlossen bin,
hintan setzen wollte.

Sie sagen, er sey stoltz und trotzig. Sie haben
Recht. Jch möchte aber wissen, ob es seine Ab-
sicht seyn kann, mich so zu demüthigen, daß ich
mich vor seinem niederträchtigen Hochmuth bücken
soll?

Was verstehen Sie aber darunter, wenn Sie
mir anrathen, etwas freyer gegen ihn zu seyn? Jch
weiß noch nicht, daß ich jemahls zurückgehalten ha-
be. Seyn Sie versichert, wenn ich etwas an Lo-
velacen
gewahr werde, das einer Absicht mich zu
demüthigen ähnlich ist; so soll er mich doch nicht so
weit bringen, daß ich eine niederträchtige Auf-
führung annehme, die sich für eine Freundin von
Jhnen nicht schicken, und dadurch ich mein Ge-
schlecht beschämen, und mir selbst ungleich werden
würde.

Jch



gen, ſonderlich da ich meine liebe und unvergleich-
liche Mutter in dieſer Bitte zur Vorſprecherin
habe. O dieſe liebe und guͤtige Mutter! wie blu-
tet mir das Hertz, wenn ich an ſie gedencke, und wie
wird es mir noch ferner bluten.

Sie verbieten mir, eine Ausſoͤhnung mit den
Meinigen zu hoffen. Jch hoffe auch nicht darauf,
allein ich wuͤnſche ſie von Hertzen. Was kann ich
aber in Abſicht auf den Lovelace thun? Sie ſehen
ſelbſt, daß eine naͤhere Verbindung mit ihm nicht
mehr in meiner Gewalt ſtehet, wenn ich ſie auch
waͤhlen, und den Verſuch zu einer Ausſoͤhnung,
den ich zu machen von Hertzen entſchloſſen bin,
hintan ſetzen wollte.

Sie ſagen, er ſey ſtoltz und trotzig. Sie haben
Recht. Jch moͤchte aber wiſſen, ob es ſeine Ab-
ſicht ſeyn kann, mich ſo zu demuͤthigen, daß ich
mich vor ſeinem niedertraͤchtigen Hochmuth buͤcken
ſoll?

Was verſtehen Sie aber darunter, wenn Sie
mir anrathen, etwas freyer gegen ihn zu ſeyn? Jch
weiß noch nicht, daß ich jemahls zuruͤckgehalten ha-
be. Seyn Sie verſichert, wenn ich etwas an Lo-
velacen
gewahr werde, das einer Abſicht mich zu
demuͤthigen aͤhnlich iſt; ſo ſoll er mich doch nicht ſo
weit bringen, daß ich eine niedertraͤchtige Auf-
fuͤhrung annehme, die ſich fuͤr eine Freundin von
Jhnen nicht ſchicken, und dadurch ich mein Ge-
ſchlecht beſchaͤmen, und mir ſelbſt ungleich werden
wuͤrde.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="188"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen, &#x017F;onderlich da ich meine liebe und unvergleich-<lb/>
liche Mutter in die&#x017F;er Bitte zur Vor&#x017F;precherin<lb/>
habe. O die&#x017F;e liebe und gu&#x0364;tige Mutter! wie blu-<lb/>
tet mir das Hertz, wenn ich an &#x017F;ie gedencke, und wie<lb/>
wird es mir noch ferner bluten.</p><lb/>
          <p>Sie verbieten mir, eine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit den<lb/>
Meinigen zu hoffen. Jch hoffe auch nicht darauf,<lb/>
allein ich wu&#x0364;n&#x017F;che &#x017F;ie von Hertzen. Was kann ich<lb/>
aber in Ab&#x017F;icht auf den <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> thun? Sie &#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, daß eine na&#x0364;here Verbindung mit ihm nicht<lb/>
mehr in meiner Gewalt &#x017F;tehet, wenn ich &#x017F;ie auch<lb/>
wa&#x0364;hlen, und den Ver&#x017F;uch zu einer Aus&#x017F;o&#x0364;hnung,<lb/>
den ich zu machen von Hertzen ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bin,<lb/>
hintan &#x017F;etzen wollte.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;agen, er &#x017F;ey &#x017F;toltz und trotzig. Sie haben<lb/>
Recht. Jch mo&#x0364;chte aber wi&#x017F;&#x017F;en, ob es &#x017F;eine Ab-<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;eyn kann, mich &#x017F;o zu demu&#x0364;thigen, daß ich<lb/>
mich vor &#x017F;einem niedertra&#x0364;chtigen Hochmuth bu&#x0364;cken<lb/>
&#x017F;oll?</p><lb/>
          <p>Was ver&#x017F;tehen Sie aber darunter, wenn Sie<lb/>
mir anrathen, etwas freyer gegen ihn zu &#x017F;eyn? Jch<lb/>
weiß noch nicht, daß ich jemahls zuru&#x0364;ckgehalten ha-<lb/>
be. Seyn Sie ver&#x017F;ichert, wenn ich etwas an <hi rendition="#fr">Lo-<lb/>
velacen</hi> gewahr werde, das einer Ab&#x017F;icht mich zu<lb/>
demu&#x0364;thigen a&#x0364;hnlich i&#x017F;t; &#x017F;o &#x017F;oll er mich doch nicht &#x017F;o<lb/>
weit bringen, daß ich eine niedertra&#x0364;chtige Auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung annehme, die &#x017F;ich fu&#x0364;r eine Freundin von<lb/>
Jhnen nicht &#x017F;chicken, und dadurch ich mein Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht be&#x017F;cha&#x0364;men, und mir &#x017F;elb&#x017F;t ungleich werden<lb/>
wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0202] gen, ſonderlich da ich meine liebe und unvergleich- liche Mutter in dieſer Bitte zur Vorſprecherin habe. O dieſe liebe und guͤtige Mutter! wie blu- tet mir das Hertz, wenn ich an ſie gedencke, und wie wird es mir noch ferner bluten. Sie verbieten mir, eine Ausſoͤhnung mit den Meinigen zu hoffen. Jch hoffe auch nicht darauf, allein ich wuͤnſche ſie von Hertzen. Was kann ich aber in Abſicht auf den Lovelace thun? Sie ſehen ſelbſt, daß eine naͤhere Verbindung mit ihm nicht mehr in meiner Gewalt ſtehet, wenn ich ſie auch waͤhlen, und den Verſuch zu einer Ausſoͤhnung, den ich zu machen von Hertzen entſchloſſen bin, hintan ſetzen wollte. Sie ſagen, er ſey ſtoltz und trotzig. Sie haben Recht. Jch moͤchte aber wiſſen, ob es ſeine Ab- ſicht ſeyn kann, mich ſo zu demuͤthigen, daß ich mich vor ſeinem niedertraͤchtigen Hochmuth buͤcken ſoll? Was verſtehen Sie aber darunter, wenn Sie mir anrathen, etwas freyer gegen ihn zu ſeyn? Jch weiß noch nicht, daß ich jemahls zuruͤckgehalten ha- be. Seyn Sie verſichert, wenn ich etwas an Lo- velacen gewahr werde, das einer Abſicht mich zu demuͤthigen aͤhnlich iſt; ſo ſoll er mich doch nicht ſo weit bringen, daß ich eine niedertraͤchtige Auf- fuͤhrung annehme, die ſich fuͤr eine Freundin von Jhnen nicht ſchicken, und dadurch ich mein Ge- ſchlecht beſchaͤmen, und mir ſelbſt ungleich werden wuͤrde. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/202
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/202>, abgerufen am 21.11.2024.