Jch habe dich immer bisher als ihren Verthey- diger vorgestellet, weil ich wohl weiß, daß mein Onckle dich ersucht hat, mich nach allem Vermö- gen, das er dir zuschreibt, zum Heyrathen zu bere- den. Um aber unserem ernsthaften Streit ein Ende zu machen, so frage ich dich: willst du mir nicht selbst erlauben, daß ich sie auf die Probe setze, ob sie ein Frauenzimmer sey? daß ich versuche, ob sie bey so glüenden Wangen, bey so artigen Gliedern, bey einer solchen Blüthe von Schönheit und Jah- ren, dadurch sie aller Augen an sich ziehet, dennoch in der Haupt-Sache unbeweglich ist?
Jch will den Anfang hiezu machen, wie sich die Gelegenheit zeigen wird. Jch will auf alle Schritte Acht geben; vielleicht wird einer seyn, bey dem sie gleiten könnte: auf alle Augenblicke, denn vielleicht wird einer gefährlich für sie seyn. Jch will dieses desto mehr thun, weil sie meiner nicht schonet, weil sie sich auf meine Ehrlichkeit nicht verläßt, sondern alle Gelegenheit mich zu plagen und mir Verweise zu geben wahrnimt. Wenn sie von der Art ist, wie andere Frauenzimmer, und sie liebet mich, so will ich sie gewiß einmahl fan- gen. Die Liebe verräth sich immer selbst. Wenn Liebe in ihrem Hertzen ist, und Liebe ihr Hertz be- lagert, so müßte entweder sie (wie der Poet sagt) mehr seyn als ein Frauenzimmer, oder ich weniger als ein Mann, wenn ich ihr Hertz nicht besiegen sollte.
Alles ist am Ende, Belford. Die Fräulein ist mein, und sie soll noch in einem stärckeren Ver-
stande
Jch habe dich immer bisher als ihren Verthey- diger vorgeſtellet, weil ich wohl weiß, daß mein Onckle dich erſucht hat, mich nach allem Vermoͤ- gen, das er dir zuſchreibt, zum Heyrathen zu bere- den. Um aber unſerem ernſthaften Streit ein Ende zu machen, ſo frage ich dich: willſt du mir nicht ſelbſt erlauben, daß ich ſie auf die Probe ſetze, ob ſie ein Frauenzimmer ſey? daß ich verſuche, ob ſie bey ſo gluͤenden Wangen, bey ſo artigen Gliedern, bey einer ſolchen Bluͤthe von Schoͤnheit und Jah- ren, dadurch ſie aller Augen an ſich ziehet, dennoch in der Haupt-Sache unbeweglich iſt?
Jch will den Anfang hiezu machen, wie ſich die Gelegenheit zeigen wird. Jch will auf alle Schritte Acht geben; vielleicht wird einer ſeyn, bey dem ſie gleiten koͤnnte: auf alle Augenblicke, denn vielleicht wird einer gefaͤhrlich fuͤr ſie ſeyn. Jch will dieſes deſto mehr thun, weil ſie meiner nicht ſchonet, weil ſie ſich auf meine Ehrlichkeit nicht verlaͤßt, ſondern alle Gelegenheit mich zu plagen und mir Verweiſe zu geben wahrnimt. Wenn ſie von der Art iſt, wie andere Frauenzimmer, und ſie liebet mich, ſo will ich ſie gewiß einmahl fan- gen. Die Liebe verraͤth ſich immer ſelbſt. Wenn Liebe in ihrem Hertzen iſt, und Liebe ihr Hertz be- lagert, ſo muͤßte entweder ſie (wie der Poet ſagt) mehr ſeyn als ein Frauenzimmer, oder ich weniger als ein Mann, wenn ich ihr Hertz nicht beſiegen ſollte.
Alles iſt am Ende, Belford. Die Fraͤulein iſt mein, und ſie ſoll noch in einem ſtaͤrckeren Ver-
ſtande
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Jch habe dich immer bisher als ihren Verthey-
diger vorgeſtellet, weil ich wohl weiß, daß mein
Onckle dich erſucht hat, mich nach allem Vermoͤ-
gen, das er dir zuſchreibt, zum Heyrathen zu bere-
den. Um aber unſerem ernſthaften Streit ein Ende
zu machen, ſo frage ich dich: willſt du mir nicht ſelbſt
erlauben, daß ich ſie auf die Probe ſetze, ob ſie
ein Frauenzimmer ſey? daß ich verſuche, ob ſie
bey ſo gluͤenden Wangen, bey ſo artigen Gliedern,
bey einer ſolchen Bluͤthe von Schoͤnheit und Jah-
ren, dadurch ſie aller Augen an ſich ziehet, dennoch
in der Haupt-Sache unbeweglich iſt?
Jch will den Anfang hiezu machen, wie ſich
die Gelegenheit zeigen wird. Jch will auf alle
Schritte Acht geben; vielleicht wird einer ſeyn, bey
dem ſie gleiten koͤnnte: auf alle Augenblicke, denn
vielleicht wird einer gefaͤhrlich fuͤr ſie ſeyn. Jch
will dieſes deſto mehr thun, weil ſie meiner nicht
ſchonet, weil ſie ſich auf meine Ehrlichkeit nicht
verlaͤßt, ſondern alle Gelegenheit mich zu plagen
und mir Verweiſe zu geben wahrnimt. Wenn ſie
von der Art iſt, wie andere Frauenzimmer, und
ſie liebet mich, ſo will ich ſie gewiß einmahl fan-
gen. Die Liebe verraͤth ſich immer ſelbſt. Wenn
Liebe in ihrem Hertzen iſt, und Liebe ihr Hertz be-
lagert, ſo muͤßte entweder ſie (wie der Poet ſagt)
mehr ſeyn als ein Frauenzimmer, oder ich weniger
als ein Mann, wenn ich ihr Hertz nicht beſiegen
ſollte.
Alles iſt am Ende, Belford. Die Fraͤulein
iſt mein, und ſie ſoll noch in einem ſtaͤrckeren Ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/194>, abgerufen am 24.11.2024.
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