Vielleicht ist das nicht! (sagte ich) Allein so machen sie noch eine Entdeckung, die zu meinem eigenen Nachtheil gereichen wird. Da sie so we- nige Ursache haben mit sich selbst misvergnügt zu seyn, so lernen sie daraus, an was für eine unedle und niederträchtige Seele sie die demüthigen Worte verschwendet haben, die vielleicht ihrer Meinung nach für sie allzu demüthig waren: an eine Per- son, die ihre höfliche Unwarheiten nicht mit Höf- lichkeit belohnt, sondern sich so weit vergißt, daß sie ihren Worten Glauben zustellet.
Der Mensch, der so entfernt von allen Schmei- cheleyen ist, erwiederte: er hätte längstens die Vorzüge, die ich in Absicht auf den Verstand vor ihm hätte, und die Klugheit, die bey einer so jun- gen Lady gantz ausserordentlich sey, mit sehr gros- sem Vergnügen bewundert.
Lady pflegt er mich fast in jeder Zeile, die er ausspricht, zu nennen. Vielleicht ist dieses eine von seinen Hoffnungs-vollen Schmeicheleyen ge- gen sich selbst. Jch wiederhohle sonst seine Reden genau: allein Sie werden mich entschuldigen, wenn ich dieses Wort auslasse. Jch weiß, daß der Nahme mir nicht gebühret. Jch bin jetzt all zu sehr gedemüthiget, als daß mich dieses Wort, oder andere Schmeicheleyen, damit er mich überhäuffet, hochmüthig machen könnten.
Er fuhr fort: ich möchte noch so wenig von ihm halten, so glaubte er, daß ich Recht darzu hätte: künftig wolle er sich durch meinen Vorgang zu bessern suchen.
Jch
K 4
Vielleicht iſt das nicht! (ſagte ich) Allein ſo machen ſie noch eine Entdeckung, die zu meinem eigenen Nachtheil gereichen wird. Da ſie ſo we- nige Urſache haben mit ſich ſelbſt misvergnuͤgt zu ſeyn, ſo lernen ſie daraus, an was fuͤr eine unedle und niedertraͤchtige Seele ſie die demuͤthigen Worte verſchwendet haben, die vielleicht ihrer Meinung nach fuͤr ſie allzu demuͤthig waren: an eine Per- ſon, die ihre hoͤfliche Unwarheiten nicht mit Hoͤf- lichkeit belohnt, ſondern ſich ſo weit vergißt, daß ſie ihren Worten Glauben zuſtellet.
Der Menſch, der ſo entfernt von allen Schmei- cheleyen iſt, erwiederte: er haͤtte laͤngſtens die Vorzuͤge, die ich in Abſicht auf den Verſtand vor ihm haͤtte, und die Klugheit, die bey einer ſo jun- gen Lady gantz auſſerordentlich ſey, mit ſehr groſ- ſem Vergnuͤgen bewundert.
Lady pflegt er mich faſt in jeder Zeile, die er ausſpricht, zu nennen. Vielleicht iſt dieſes eine von ſeinen Hoffnungs-vollen Schmeicheleyen ge- gen ſich ſelbſt. Jch wiederhohle ſonſt ſeine Reden genau: allein Sie werden mich entſchuldigen, wenn ich dieſes Wort auslaſſe. Jch weiß, daß der Nahme mir nicht gebuͤhret. Jch bin jetzt all zu ſehr gedemuͤthiget, als daß mich dieſes Wort, oder andere Schmeicheleyen, damit er mich uͤberhaͤuffet, hochmuͤthig machen koͤnnten.
Er fuhr fort: ich moͤchte noch ſo wenig von ihm halten, ſo glaubte er, daß ich Recht darzu haͤtte: kuͤnftig wolle er ſich durch meinen Vorgang zu beſſern ſuchen.
Jch
K 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0165"n="151"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Vielleicht iſt das nicht! (ſagte ich) Allein ſo<lb/>
machen ſie noch eine Entdeckung, die zu meinem<lb/>
eigenen Nachtheil gereichen wird. Da ſie ſo we-<lb/>
nige Urſache haben mit ſich ſelbſt misvergnuͤgt zu<lb/>ſeyn, ſo lernen ſie daraus, an was fuͤr eine unedle<lb/>
und niedertraͤchtige Seele ſie die demuͤthigen Worte<lb/>
verſchwendet haben, die vielleicht ihrer Meinung<lb/>
nach fuͤr ſie allzu demuͤthig waren: an eine Per-<lb/>ſon, die ihre hoͤfliche Unwarheiten nicht mit Hoͤf-<lb/>
lichkeit belohnt, ſondern ſich ſo weit vergißt, daß<lb/>ſie ihren Worten Glauben zuſtellet.</p><lb/><p>Der Menſch, der ſo entfernt von allen Schmei-<lb/>
cheleyen iſt, erwiederte: er haͤtte laͤngſtens die<lb/>
Vorzuͤge, die ich in Abſicht auf den Verſtand vor<lb/>
ihm haͤtte, und die Klugheit, die bey einer ſo jun-<lb/>
gen <hirendition="#fr">Lady</hi> gantz auſſerordentlich ſey, mit ſehr groſ-<lb/>ſem Vergnuͤgen bewundert.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lady</hi> pflegt er mich faſt in jeder Zeile, die er<lb/>
ausſpricht, zu nennen. Vielleicht iſt dieſes eine<lb/>
von ſeinen Hoffnungs-vollen Schmeicheleyen ge-<lb/>
gen ſich ſelbſt. Jch wiederhohle ſonſt ſeine Reden<lb/>
genau: allein Sie werden mich entſchuldigen, wenn<lb/>
ich dieſes Wort auslaſſe. Jch weiß, daß der<lb/>
Nahme mir nicht gebuͤhret. Jch bin jetzt all zu<lb/>ſehr gedemuͤthiget, als daß mich dieſes Wort, oder<lb/>
andere Schmeicheleyen, damit er mich uͤberhaͤuffet,<lb/>
hochmuͤthig machen koͤnnten.</p><lb/><p>Er fuhr fort: ich moͤchte noch ſo wenig von ihm<lb/>
halten, ſo glaubte er, daß ich Recht darzu haͤtte:<lb/>
kuͤnftig wolle er ſich durch meinen Vorgang zu<lb/>
beſſern ſuchen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[151/0165]
Vielleicht iſt das nicht! (ſagte ich) Allein ſo
machen ſie noch eine Entdeckung, die zu meinem
eigenen Nachtheil gereichen wird. Da ſie ſo we-
nige Urſache haben mit ſich ſelbſt misvergnuͤgt zu
ſeyn, ſo lernen ſie daraus, an was fuͤr eine unedle
und niedertraͤchtige Seele ſie die demuͤthigen Worte
verſchwendet haben, die vielleicht ihrer Meinung
nach fuͤr ſie allzu demuͤthig waren: an eine Per-
ſon, die ihre hoͤfliche Unwarheiten nicht mit Hoͤf-
lichkeit belohnt, ſondern ſich ſo weit vergißt, daß
ſie ihren Worten Glauben zuſtellet.
Der Menſch, der ſo entfernt von allen Schmei-
cheleyen iſt, erwiederte: er haͤtte laͤngſtens die
Vorzuͤge, die ich in Abſicht auf den Verſtand vor
ihm haͤtte, und die Klugheit, die bey einer ſo jun-
gen Lady gantz auſſerordentlich ſey, mit ſehr groſ-
ſem Vergnuͤgen bewundert.
Lady pflegt er mich faſt in jeder Zeile, die er
ausſpricht, zu nennen. Vielleicht iſt dieſes eine
von ſeinen Hoffnungs-vollen Schmeicheleyen ge-
gen ſich ſelbſt. Jch wiederhohle ſonſt ſeine Reden
genau: allein Sie werden mich entſchuldigen, wenn
ich dieſes Wort auslaſſe. Jch weiß, daß der
Nahme mir nicht gebuͤhret. Jch bin jetzt all zu
ſehr gedemuͤthiget, als daß mich dieſes Wort, oder
andere Schmeicheleyen, damit er mich uͤberhaͤuffet,
hochmuͤthig machen koͤnnten.
Er fuhr fort: ich moͤchte noch ſo wenig von ihm
halten, ſo glaubte er, daß ich Recht darzu haͤtte:
kuͤnftig wolle er ſich durch meinen Vorgang zu
beſſern ſuchen.
Jch
K 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/165>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.