Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



weil sie fürchteten, ich würde sie wenn sie spa-
tzieren ginge, mit oder wider ihren Willen ent-
führen.

Allein hier hat mir mein ehrlicher Joseph, durch
dem ich alles weiß, trefliche Dienste geleistet. Er
hatte den Harlowes weiß machen müssen, daß ich
eben so schwatzhaftig gegen meine Bedienten sey
als ihr Jacob gegen Joseph Lehmann ist. Sie
glaubten, daß Joseph durch meinen Wilhelm
hinter alle meine Geheimnisse käme, und alle mei-
ne Anschläge erführe: weil er nun auch versprochen
hatte auf die Fräulein selbst Acht zu geben, so war
die gantze hochweise Familie sicher; und meine
Geliebte und ich, wir waren auch sicher.

Jch habe einmahl im Sinne gehabt, und dir
auch von einem Vorschlage meinen Winck gegeben,
daß ich sie unversehens aus dem Holtz-Stalle ent-
führen wollte, wenn es nöthig wäre, das äußer-
ste zu wagen. Jch würde dieses gewiß durch Hül-
fe der Brüderschaft bewerckstelliget haben, wenn
ich es gewagt hätte: es wäre diese That würdig
gewesen von uns allen vollbracht zu werden. Al-
lein das Ding stand mir im Wege, das Joseph
sein Gewissen
nennet; denn er befürchtete, daß
er in Verdacht kommen möchte, als wäre die That
mit seinem Vorwissen geschehen. Jch würde die-
sen Gewissens-Zweiffel so wie andere haben über-
winden können: allein ich verließ mich bald darauf,
daß sie mir versprochen hatte, sich mit mir um
Mitternacht oder späte am Abend zu unterreden;
und alsdenn würde es mir nur einen Fall gekostet

haben,



weil ſie fuͤrchteten, ich wuͤrde ſie wenn ſie ſpa-
tzieren ginge, mit oder wider ihren Willen ent-
fuͤhren.

Allein hier hat mir mein ehrlicher Joſeph, durch
dem ich alles weiß, trefliche Dienſte geleiſtet. Er
hatte den Harlowes weiß machen muͤſſen, daß ich
eben ſo ſchwatzhaftig gegen meine Bedienten ſey
als ihr Jacob gegen Joſeph Lehmann iſt. Sie
glaubten, daß Joſeph durch meinen Wilhelm
hinter alle meine Geheimniſſe kaͤme, und alle mei-
ne Anſchlaͤge erfuͤhre: weil er nun auch verſprochen
hatte auf die Fraͤulein ſelbſt Acht zu geben, ſo war
die gantze hochweiſe Familie ſicher; und meine
Geliebte und ich, wir waren auch ſicher.

Jch habe einmahl im Sinne gehabt, und dir
auch von einem Vorſchlage meinen Winck gegeben,
daß ich ſie unverſehens aus dem Holtz-Stalle ent-
fuͤhren wollte, wenn es noͤthig waͤre, das aͤußer-
ſte zu wagen. Jch wuͤrde dieſes gewiß durch Huͤl-
fe der Bruͤderſchaft bewerckſtelliget haben, wenn
ich es gewagt haͤtte: es waͤre dieſe That wuͤrdig
geweſen von uns allen vollbracht zu werden. Al-
lein das Ding ſtand mir im Wege, das Joſeph
ſein Gewiſſen
nennet; denn er befuͤrchtete, daß
er in Verdacht kommen moͤchte, als waͤre die That
mit ſeinem Vorwiſſen geſchehen. Jch wuͤrde die-
ſen Gewiſſens-Zweiffel ſo wie andere haben uͤber-
winden koͤnnen: allein ich verließ mich bald darauf,
daß ſie mir verſprochen hatte, ſich mit mir um
Mitternacht oder ſpaͤte am Abend zu unterreden;
und alsdenn wuͤrde es mir nur einen Fall gekoſtet

haben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="130"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
weil &#x017F;ie fu&#x0364;rchteten, ich wu&#x0364;rde &#x017F;ie wenn &#x017F;ie &#x017F;pa-<lb/>
tzieren ginge, mit oder wider ihren Willen ent-<lb/>
fu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Allein hier hat mir mein ehrlicher Jo&#x017F;eph, durch<lb/>
dem ich alles weiß, trefliche Dien&#x017F;te gelei&#x017F;tet. Er<lb/>
hatte den Harlowes weiß machen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß ich<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;chwatzhaftig gegen meine Bedienten &#x017F;ey<lb/>
als ihr Jacob gegen Jo&#x017F;eph Lehmann i&#x017F;t. Sie<lb/>
glaubten, daß Jo&#x017F;eph durch meinen Wilhelm<lb/>
hinter alle meine Geheimni&#x017F;&#x017F;e ka&#x0364;me, und alle mei-<lb/>
ne An&#x017F;chla&#x0364;ge erfu&#x0364;hre: weil er nun auch ver&#x017F;prochen<lb/>
hatte auf die Fra&#x0364;ulein &#x017F;elb&#x017F;t Acht zu geben, &#x017F;o war<lb/>
die gantze hochwei&#x017F;e Familie &#x017F;icher; und meine<lb/>
Geliebte und ich, wir waren auch &#x017F;icher.</p><lb/>
          <p>Jch habe einmahl im Sinne gehabt, und dir<lb/>
auch von einem Vor&#x017F;chlage meinen Winck gegeben,<lb/>
daß ich &#x017F;ie unver&#x017F;ehens aus dem Holtz-Stalle ent-<lb/>
fu&#x0364;hren wollte, wenn es no&#x0364;thig wa&#x0364;re, das a&#x0364;ußer-<lb/>
&#x017F;te zu wagen. Jch wu&#x0364;rde die&#x017F;es gewiß durch Hu&#x0364;l-<lb/>
fe der Bru&#x0364;der&#x017F;chaft bewerck&#x017F;telliget haben, wenn<lb/>
ich es gewagt ha&#x0364;tte: es wa&#x0364;re die&#x017F;e That wu&#x0364;rdig<lb/>
gewe&#x017F;en von uns allen vollbracht zu werden. Al-<lb/>
lein das Ding &#x017F;tand mir im Wege, das <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph<lb/>
&#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en</hi> nennet; denn er befu&#x0364;rchtete, daß<lb/>
er in Verdacht kommen mo&#x0364;chte, als wa&#x0364;re die That<lb/>
mit &#x017F;einem Vorwi&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;chehen. Jch wu&#x0364;rde die-<lb/>
&#x017F;en Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Zweiffel &#x017F;o wie andere haben u&#x0364;ber-<lb/>
winden ko&#x0364;nnen: allein ich verließ mich bald darauf,<lb/>
daß &#x017F;ie mir ver&#x017F;prochen hatte, &#x017F;ich mit mir um<lb/>
Mitternacht oder &#x017F;pa&#x0364;te am Abend zu unterreden;<lb/>
und alsdenn wu&#x0364;rde es mir nur einen Fall geko&#x017F;tet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">haben,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0144] weil ſie fuͤrchteten, ich wuͤrde ſie wenn ſie ſpa- tzieren ginge, mit oder wider ihren Willen ent- fuͤhren. Allein hier hat mir mein ehrlicher Joſeph, durch dem ich alles weiß, trefliche Dienſte geleiſtet. Er hatte den Harlowes weiß machen muͤſſen, daß ich eben ſo ſchwatzhaftig gegen meine Bedienten ſey als ihr Jacob gegen Joſeph Lehmann iſt. Sie glaubten, daß Joſeph durch meinen Wilhelm hinter alle meine Geheimniſſe kaͤme, und alle mei- ne Anſchlaͤge erfuͤhre: weil er nun auch verſprochen hatte auf die Fraͤulein ſelbſt Acht zu geben, ſo war die gantze hochweiſe Familie ſicher; und meine Geliebte und ich, wir waren auch ſicher. Jch habe einmahl im Sinne gehabt, und dir auch von einem Vorſchlage meinen Winck gegeben, daß ich ſie unverſehens aus dem Holtz-Stalle ent- fuͤhren wollte, wenn es noͤthig waͤre, das aͤußer- ſte zu wagen. Jch wuͤrde dieſes gewiß durch Huͤl- fe der Bruͤderſchaft bewerckſtelliget haben, wenn ich es gewagt haͤtte: es waͤre dieſe That wuͤrdig geweſen von uns allen vollbracht zu werden. Al- lein das Ding ſtand mir im Wege, das Joſeph ſein Gewiſſen nennet; denn er befuͤrchtete, daß er in Verdacht kommen moͤchte, als waͤre die That mit ſeinem Vorwiſſen geſchehen. Jch wuͤrde die- ſen Gewiſſens-Zweiffel ſo wie andere haben uͤber- winden koͤnnen: allein ich verließ mich bald darauf, daß ſie mir verſprochen hatte, ſich mit mir um Mitternacht oder ſpaͤte am Abend zu unterreden; und alsdenn wuͤrde es mir nur einen Fall gekoſtet haben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/144
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/144>, abgerufen am 24.11.2024.