Hand, die ich ihr bot, bey nahe mit einem Stoß fahren, und eilete so geschwind als sie konnte in das Haus. *** - -
Ovidius verstand die Lehre von den Verwan- delungen nicht so gut, als dein Freund. Jch ver- wandelte sie bey der Wirthin sogleich in eine Schwester, die ich unvermuthet von ihren Anver- wanten, bey denen sie den Winter über gewesen wäre, abgehohlt hätte, damit sie sich nicht mit ei- nem liederlichen Menschen einlassen möchte, vor dem ihr Vater, Mutter, ältere Schwester, alle ihre lieben Onckels, Basen und Angehörigen einen Abscheu gehabt hätten. (Jch bleibe stets so nahe bey der Wahrheit, als ich kann.) Aus dieser Er- zählung ließ sich die Verdrießlichkeit meines losen Kindes erklären; seine Abgeneigtheit mit mir in Gesellschaft zu seyn, wenn sie auch von längerer Dauer seyn sollte; die Kleidung, die sich zu der Reise nicht schickte; kurtz alles Wahre kam mit die- ser Unwahrheit überein. Zugleich gab diese Erzäh- lung meiner Schönen zu rechter Zeit einen Beweiß, daß ich keine Absichten hätte, die mit ihrer Ehre nicht bestehen könnten.
Von dem Streit, der sich zwischen ihr und ihm erhoben hatte, und insonderheit von dem Vorwurf, den sie ihm machet, daß er ein junges Kind verleitet habe, wi- der seine Pflicht und Gewissen zu han- deln, schreibt er:
Alles dieses, und noch viel empfindlichere Din- ge brachte sie vor. Jch hörte ihr stille zu. Als aber
die
Hand, die ich ihr bot, bey nahe mit einem Stoß fahren, und eilete ſo geſchwind als ſie konnte in das Haus. *** ‒ ‒
Ovidius verſtand die Lehre von den Verwan- delungen nicht ſo gut, als dein Freund. Jch ver- wandelte ſie bey der Wirthin ſogleich in eine Schweſter, die ich unvermuthet von ihren Anver- wanten, bey denen ſie den Winter uͤber geweſen waͤre, abgehohlt haͤtte, damit ſie ſich nicht mit ei- nem liederlichen Menſchen einlaſſen moͤchte, vor dem ihr Vater, Mutter, aͤltere Schweſter, alle ihre lieben Onckels, Baſen und Angehoͤrigen einen Abſcheu gehabt haͤtten. (Jch bleibe ſtets ſo nahe bey der Wahrheit, als ich kann.) Aus dieſer Er- zaͤhlung ließ ſich die Verdrießlichkeit meines loſen Kindes erklaͤren; ſeine Abgeneigtheit mit mir in Geſellſchaft zu ſeyn, wenn ſie auch von laͤngerer Dauer ſeyn ſollte; die Kleidung, die ſich zu der Reiſe nicht ſchickte; kurtz alles Wahre kam mit die- ſer Unwahrheit uͤberein. Zugleich gab dieſe Erzaͤh- lung meiner Schoͤnen zu rechter Zeit einen Beweiß, daß ich keine Abſichten haͤtte, die mit ihrer Ehre nicht beſtehen koͤnnten.
Von dem Streit, der ſich zwiſchen ihr und ihm erhoben hatte, und inſonderheit von dem Vorwurf, den ſie ihm machet, daß er ein junges Kind verleitet habe, wi- der ſeine Pflicht und Gewiſſen zu han- deln, ſchreibt er:
Alles dieſes, und noch viel empfindlichere Din- ge brachte ſie vor. Jch hoͤrte ihr ſtille zu. Als aber
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0136"n="122"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Hand, die ich ihr bot, bey nahe mit einem Stoß<lb/>
fahren, und eilete ſo geſchwind als ſie konnte in<lb/>
das Haus. *** ‒‒</p><lb/><p>Ovidius verſtand die Lehre von den Verwan-<lb/>
delungen nicht ſo gut, als dein Freund. Jch ver-<lb/>
wandelte ſie bey der Wirthin ſogleich in eine<lb/>
Schweſter, die ich unvermuthet von ihren Anver-<lb/>
wanten, bey denen ſie den Winter uͤber geweſen<lb/>
waͤre, abgehohlt haͤtte, damit ſie ſich nicht mit ei-<lb/>
nem liederlichen Menſchen einlaſſen moͤchte, vor<lb/>
dem ihr Vater, Mutter, aͤltere Schweſter, alle<lb/>
ihre lieben Onckels, Baſen und Angehoͤrigen einen<lb/>
Abſcheu gehabt haͤtten. (Jch bleibe ſtets ſo nahe<lb/>
bey der Wahrheit, als ich kann.) Aus dieſer Er-<lb/>
zaͤhlung ließ ſich die Verdrießlichkeit meines loſen<lb/>
Kindes erklaͤren; ſeine Abgeneigtheit mit mir in<lb/>
Geſellſchaft zu ſeyn, wenn ſie auch von laͤngerer<lb/>
Dauer ſeyn ſollte; die Kleidung, die ſich zu der<lb/>
Reiſe nicht ſchickte; kurtz alles Wahre kam mit die-<lb/>ſer Unwahrheit uͤberein. Zugleich gab dieſe Erzaͤh-<lb/>
lung meiner Schoͤnen zu rechter Zeit einen Beweiß,<lb/>
daß ich keine Abſichten haͤtte, die mit ihrer Ehre<lb/>
nicht beſtehen koͤnnten.</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Von dem Streit, der ſich zwiſchen ihr<lb/>
und ihm erhoben hatte, und inſonderheit<lb/>
von dem Vorwurf, den ſie ihm machet,<lb/>
daß er ein junges Kind verleitet habe, wi-<lb/>
der ſeine Pflicht und Gewiſſen zu han-<lb/>
deln, ſchreibt er:</hi></hi></p><lb/><p>Alles dieſes, und noch viel empfindlichere Din-<lb/>
ge brachte ſie vor. Jch hoͤrte ihr ſtille zu. Als aber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0136]
Hand, die ich ihr bot, bey nahe mit einem Stoß
fahren, und eilete ſo geſchwind als ſie konnte in
das Haus. *** ‒ ‒
Ovidius verſtand die Lehre von den Verwan-
delungen nicht ſo gut, als dein Freund. Jch ver-
wandelte ſie bey der Wirthin ſogleich in eine
Schweſter, die ich unvermuthet von ihren Anver-
wanten, bey denen ſie den Winter uͤber geweſen
waͤre, abgehohlt haͤtte, damit ſie ſich nicht mit ei-
nem liederlichen Menſchen einlaſſen moͤchte, vor
dem ihr Vater, Mutter, aͤltere Schweſter, alle
ihre lieben Onckels, Baſen und Angehoͤrigen einen
Abſcheu gehabt haͤtten. (Jch bleibe ſtets ſo nahe
bey der Wahrheit, als ich kann.) Aus dieſer Er-
zaͤhlung ließ ſich die Verdrießlichkeit meines loſen
Kindes erklaͤren; ſeine Abgeneigtheit mit mir in
Geſellſchaft zu ſeyn, wenn ſie auch von laͤngerer
Dauer ſeyn ſollte; die Kleidung, die ſich zu der
Reiſe nicht ſchickte; kurtz alles Wahre kam mit die-
ſer Unwahrheit uͤberein. Zugleich gab dieſe Erzaͤh-
lung meiner Schoͤnen zu rechter Zeit einen Beweiß,
daß ich keine Abſichten haͤtte, die mit ihrer Ehre
nicht beſtehen koͤnnten.
Von dem Streit, der ſich zwiſchen ihr
und ihm erhoben hatte, und inſonderheit
von dem Vorwurf, den ſie ihm machet,
daß er ein junges Kind verleitet habe, wi-
der ſeine Pflicht und Gewiſſen zu han-
deln, ſchreibt er:
Alles dieſes, und noch viel empfindlichere Din-
ge brachte ſie vor. Jch hoͤrte ihr ſtille zu. Als aber
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/136>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.