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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Er ist ohne Zweifel ein hochmüthiger Mensch,
und wo er einen Finger breit hat, da nimmt er
sich eine Hand breit. Er ist nicht so artig, als er
in Betrachtung seiner Erziehung und anderer Vor-
theile seyn könnte. Er scheint einer von denen zu
seyn, die allzuvielen Willen gehabt und deswegen
nie gelernet haben, sich nach andern zu beque-
men.

Was das anlanget, daß ich einiges Vertrauen
in ihn setzen soll, so bin ich bereit in diesem und
allen andern Stücken Jhrem Rath zu folgen, wenn
er nur anfängt es zu verdienen. Allein nachdem
er mich auf eine hinterlistige Art wider meine Ein-
sicht und Neigung aus meines Vaters Hause ge-
locket hat, so kann weder er noch sonst jemand er-
warten, daß ich ihm so gleich freundlich begegnen
soll, gleich als wenn ich die Wohlthat erkennete,
daß er mich entführet hat. Wenn ich dieses thäte,
so müßte er glauben, daß ich mich entweder vor-
hin sehr verstellet hätte, oder daß ich mich jetzt ver-
stellete.

Jch möchte mir die Haare ausreißen, wenn ich
das überlege, was Sie schreiben, daß ich mich
vermuthlich vor dem Mittewochen ohne Ursache ge-
fürchtet habe, und finde, daß ich von dem Men-
schen durch seinen gottlosen Joseph Lehman
(wie ich fast nicht mehr zweifeln kann) dergestalt
betrogen bin. Es ist eine recht überlegte und künst-
liche Bosheit. Wäre es nicht ein Selbst-Ver-
rath, wenn ich bey einem solchen Menschen nicht
wachsam und argwöhnisch wäre? Was für ein

be-


Er iſt ohne Zweifel ein hochmuͤthiger Menſch,
und wo er einen Finger breit hat, da nimmt er
ſich eine Hand breit. Er iſt nicht ſo artig, als er
in Betrachtung ſeiner Erziehung und anderer Vor-
theile ſeyn koͤnnte. Er ſcheint einer von denen zu
ſeyn, die allzuvielen Willen gehabt und deswegen
nie gelernet haben, ſich nach andern zu beque-
men.

Was das anlanget, daß ich einiges Vertrauen
in ihn ſetzen ſoll, ſo bin ich bereit in dieſem und
allen andern Stuͤcken Jhrem Rath zu folgen, wenn
er nur anfaͤngt es zu verdienen. Allein nachdem
er mich auf eine hinterliſtige Art wider meine Ein-
ſicht und Neigung aus meines Vaters Hauſe ge-
locket hat, ſo kann weder er noch ſonſt jemand er-
warten, daß ich ihm ſo gleich freundlich begegnen
ſoll, gleich als wenn ich die Wohlthat erkennete,
daß er mich entfuͤhret hat. Wenn ich dieſes thaͤte,
ſo muͤßte er glauben, daß ich mich entweder vor-
hin ſehr verſtellet haͤtte, oder daß ich mich jetzt ver-
ſtellete.

Jch moͤchte mir die Haare ausreißen, wenn ich
das uͤberlege, was Sie ſchreiben, daß ich mich
vermuthlich vor dem Mittewochen ohne Urſache ge-
fuͤrchtet habe, und finde, daß ich von dem Men-
ſchen durch ſeinen gottloſen Joſeph Lehman
(wie ich faſt nicht mehr zweifeln kann) dergeſtalt
betrogen bin. Es iſt eine recht uͤberlegte und kuͤnſt-
liche Bosheit. Waͤre es nicht ein Selbſt-Ver-
rath, wenn ich bey einem ſolchen Menſchen nicht
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[116/0130] Er iſt ohne Zweifel ein hochmuͤthiger Menſch, und wo er einen Finger breit hat, da nimmt er ſich eine Hand breit. Er iſt nicht ſo artig, als er in Betrachtung ſeiner Erziehung und anderer Vor- theile ſeyn koͤnnte. Er ſcheint einer von denen zu ſeyn, die allzuvielen Willen gehabt und deswegen nie gelernet haben, ſich nach andern zu beque- men. Was das anlanget, daß ich einiges Vertrauen in ihn ſetzen ſoll, ſo bin ich bereit in dieſem und allen andern Stuͤcken Jhrem Rath zu folgen, wenn er nur anfaͤngt es zu verdienen. Allein nachdem er mich auf eine hinterliſtige Art wider meine Ein- ſicht und Neigung aus meines Vaters Hauſe ge- locket hat, ſo kann weder er noch ſonſt jemand er- warten, daß ich ihm ſo gleich freundlich begegnen ſoll, gleich als wenn ich die Wohlthat erkennete, daß er mich entfuͤhret hat. Wenn ich dieſes thaͤte, ſo muͤßte er glauben, daß ich mich entweder vor- hin ſehr verſtellet haͤtte, oder daß ich mich jetzt ver- ſtellete. Jch moͤchte mir die Haare ausreißen, wenn ich das uͤberlege, was Sie ſchreiben, daß ich mich vermuthlich vor dem Mittewochen ohne Urſache ge- fuͤrchtet habe, und finde, daß ich von dem Men- ſchen durch ſeinen gottloſen Joſeph Lehman (wie ich faſt nicht mehr zweifeln kann) dergeſtalt betrogen bin. Es iſt eine recht uͤberlegte und kuͤnſt- liche Bosheit. Waͤre es nicht ein Selbſt-Ver- rath, wenn ich bey einem ſolchen Menſchen nicht wachſam und argwoͤhniſch waͤre? Was fuͤr ein be-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/130>, abgerufen am 24.11.2024.