wird. Jch glaube nicht, daß Sie einen Groschen an Gelde oder an Geldes-werth in Güte von den Jhrigen erhalten werden.
Weil die Jhrigen glauben, daß Sie den Vor- satz gehabt haben, zu fliehen, so wundern und freuen sie sich, daß Sie Jhre Juwelen und Jhr Geld zurück gelassen, und so wenig für Jhre Klei- dung gesorget haben. Sie können aus dieser Freude schliessen, ob Sie Jhre Bitte erhalten werden.
Es muß sich in der That jedermann, der das nicht weiß, was ich weiß, über Jhre sogenannte Flucht wundern. Und was kann man von Jhrer Flucht sagen, das mit Jhrem Character einiger maßen übereinstimmet? Soll man sagen: Sie hätten nicht flüchten wollen, ob Sie sich gleich zu der bestimmten Zeit eingefunden hätten? Wer wird das glauben? Oder: eine so standhafte und un- gemein vorsichtige Person habe sich überreden las- sen? Wie lautet das? Oder: Sie hätten sich um sich selbst von ihm betrügen lassen? Wie nachthei- lig würde Jhnen dieses seyn, wenn es auch die Leute glauben wollten? Und wenn Sie bey einem Menschen, der einen so schlechten Nahmen hat, bleiben, ohne sich mit ihm trauen zu lassen: wie wird die Welt lästern?
Jch bin begierig den Brief zu sehen, in wel- chem Sie um Jhre Kleidung bitten. Sie können indessen versichert seyn, daß Sie das nicht erhal- ten werden, darum sie bitten; sondern vielmehr alle Verachtung, die die engen Hertzen der Jhri-
gen
wird. Jch glaube nicht, daß Sie einen Groſchen an Gelde oder an Geldes-werth in Guͤte von den Jhrigen erhalten werden.
Weil die Jhrigen glauben, daß Sie den Vor- ſatz gehabt haben, zu fliehen, ſo wundern und freuen ſie ſich, daß Sie Jhre Juwelen und Jhr Geld zuruͤck gelaſſen, und ſo wenig fuͤr Jhre Klei- dung geſorget haben. Sie koͤnnen aus dieſer Freude ſchlieſſen, ob Sie Jhre Bitte erhalten werden.
Es muß ſich in der That jedermann, der das nicht weiß, was ich weiß, uͤber Jhre ſogenannte Flucht wundern. Und was kann man von Jhrer Flucht ſagen, das mit Jhrem Character einiger maßen uͤbereinſtimmet? Soll man ſagen: Sie haͤtten nicht fluͤchten wollen, ob Sie ſich gleich zu der beſtimmten Zeit eingefunden haͤtten? Wer wird das glauben? Oder: eine ſo ſtandhafte und un- gemein vorſichtige Perſon habe ſich uͤberreden laſ- ſen? Wie lautet das? Oder: Sie haͤtten ſich um ſich ſelbſt von ihm betruͤgen laſſen? Wie nachthei- lig wuͤrde Jhnen dieſes ſeyn, wenn es auch die Leute glauben wollten? Und wenn Sie bey einem Menſchen, der einen ſo ſchlechten Nahmen hat, bleiben, ohne ſich mit ihm trauen zu laſſen: wie wird die Welt laͤſtern?
Jch bin begierig den Brief zu ſehen, in wel- chem Sie um Jhre Kleidung bitten. Sie koͤnnen indeſſen verſichert ſeyn, daß Sie das nicht erhal- ten werden, darum ſie bitten; ſondern vielmehr alle Verachtung, die die engen Hertzen der Jhri-
gen
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wird. Jch glaube nicht, daß Sie einen Groſchen
an Gelde oder an Geldes-werth in Guͤte von den
Jhrigen erhalten werden.
Weil die Jhrigen glauben, daß Sie den Vor-
ſatz gehabt haben, zu fliehen, ſo wundern und
freuen ſie ſich, daß Sie Jhre Juwelen und Jhr
Geld zuruͤck gelaſſen, und ſo wenig fuͤr Jhre Klei-
dung geſorget haben. Sie koͤnnen aus dieſer
Freude ſchlieſſen, ob Sie Jhre Bitte erhalten
werden.
Es muß ſich in der That jedermann, der das
nicht weiß, was ich weiß, uͤber Jhre ſogenannte
Flucht wundern. Und was kann man von Jhrer
Flucht ſagen, das mit Jhrem Character einiger
maßen uͤbereinſtimmet? Soll man ſagen: Sie
haͤtten nicht fluͤchten wollen, ob Sie ſich gleich zu
der beſtimmten Zeit eingefunden haͤtten? Wer wird
das glauben? Oder: eine ſo ſtandhafte und un-
gemein vorſichtige Perſon habe ſich uͤberreden laſ-
ſen? Wie lautet das? Oder: Sie haͤtten ſich um
ſich ſelbſt von ihm betruͤgen laſſen? Wie nachthei-
lig wuͤrde Jhnen dieſes ſeyn, wenn es auch die
Leute glauben wollten? Und wenn Sie bey einem
Menſchen, der einen ſo ſchlechten Nahmen hat,
bleiben, ohne ſich mit ihm trauen zu laſſen: wie
wird die Welt laͤſtern?
Jch bin begierig den Brief zu ſehen, in wel-
chem Sie um Jhre Kleidung bitten. Sie koͤnnen
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ten werden, darum ſie bitten; ſondern vielmehr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/122>, abgerufen am 27.11.2024.
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