selbst leicht dencken können. Jch erkundigte mich: ob ich auch keine Erlaubniß hätte, des Nachts von Jhnen zu träumen? Denn alle meine Stunden, die ich schlaffe, sind Jhnen eben so wohl gewid- met, als in denen ich wache.
Jch kann jetzt den Brief-Wechsel, den Sie mit Jhrem losen Schelm fortgesetzt haben, besser als vorhin entschuldigen, sonderlich, da Sie so edle Ursachen zu dessen Fortsetzung hatten. Denn die- ses Verbot hat gemacht, daß ich Sie noch zärtli- cher liebe, wenn es anders möglich ist, daß meine Liebe zu Jhnen zunehmen kann; und ich bin nur begieriger geworden, Jhres Briefwechsels zu genießen.
Allein ich habe noch bessere Gründe. Jch würde mich für sehr verächtlich ansehen, wenn ich eine so liebe, eine so vortrefliche Freundin in ihrer Noth vergessen könnte. Lieber will ich sterben: und das sagte ich auch meiner Mutter. Jch habe sie gebe- ten, daß sie mich in den Stunden, in denen ich vor mich bin, nicht bewachen, noch von mir ver- langen möchte, daß ich beständig bey ihr schlaffen soll, darauf sie jetzt sehr starck dringet. Sonst (sagte ich) möchte sie lieber aus dem Harlowischen Hause die Elisabeth hohlen lassen, und sie über mich zur Aufseherin bestellen.
Herr Hickman, Jhr grosser Verehrer, hat ohne mein Wissen Jhre Parthey so ernstlich bey meiner Mutter genommen, daß er deswegen bey mir sehr wohl angeschrieben ist.
Jch
ſelbſt leicht dencken koͤnnen. Jch erkundigte mich: ob ich auch keine Erlaubniß haͤtte, des Nachts von Jhnen zu traͤumen? Denn alle meine Stunden, die ich ſchlaffe, ſind Jhnen eben ſo wohl gewid- met, als in denen ich wache.
Jch kann jetzt den Brief-Wechſel, den Sie mit Jhrem loſen Schelm fortgeſetzt haben, beſſer als vorhin entſchuldigen, ſonderlich, da Sie ſo edle Urſachen zu deſſen Fortſetzung hatten. Denn die- ſes Verbot hat gemacht, daß ich Sie noch zaͤrtli- cher liebe, wenn es anders moͤglich iſt, daß meine Liebe zu Jhnen zunehmen kann; und ich bin nur begieriger geworden, Jhres Briefwechſels zu genießen.
Allein ich habe noch beſſere Gruͤnde. Jch wuͤrde mich fuͤr ſehr veraͤchtlich anſehen, wenn ich eine ſo liebe, eine ſo vortrefliche Freundin in ihrer Noth vergeſſen koͤnnte. Lieber will ich ſterben: und das ſagte ich auch meiner Mutter. Jch habe ſie gebe- ten, daß ſie mich in den Stunden, in denen ich vor mich bin, nicht bewachen, noch von mir ver- langen moͤchte, daß ich beſtaͤndig bey ihr ſchlaffen ſoll, darauf ſie jetzt ſehr ſtarck dringet. Sonſt (ſagte ich) moͤchte ſie lieber aus dem Harlowiſchen Hauſe die Eliſabeth hohlen laſſen, und ſie uͤber mich zur Aufſeherin beſtellen.
Herr Hickman, Jhr groſſer Verehrer, hat ohne mein Wiſſen Jhre Parthey ſo ernſtlich bey meiner Mutter genommen, daß er deswegen bey mir ſehr wohl angeſchrieben iſt.
Jch
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ſelbſt leicht dencken koͤnnen. Jch erkundigte mich:
ob ich auch keine Erlaubniß haͤtte, des Nachts von
Jhnen zu traͤumen? Denn alle meine Stunden,
die ich ſchlaffe, ſind Jhnen eben ſo wohl gewid-
met, als in denen ich wache.
Jch kann jetzt den Brief-Wechſel, den Sie
mit Jhrem loſen Schelm fortgeſetzt haben, beſſer
als vorhin entſchuldigen, ſonderlich, da Sie ſo edle
Urſachen zu deſſen Fortſetzung hatten. Denn die-
ſes Verbot hat gemacht, daß ich Sie noch zaͤrtli-
cher liebe, wenn es anders moͤglich iſt, daß meine
Liebe zu Jhnen zunehmen kann; und ich bin nur
begieriger geworden, Jhres Briefwechſels zu
genießen.
Allein ich habe noch beſſere Gruͤnde. Jch wuͤrde
mich fuͤr ſehr veraͤchtlich anſehen, wenn ich eine ſo
liebe, eine ſo vortrefliche Freundin in ihrer Noth
vergeſſen koͤnnte. Lieber will ich ſterben: und das
ſagte ich auch meiner Mutter. Jch habe ſie gebe-
ten, daß ſie mich in den Stunden, in denen ich
vor mich bin, nicht bewachen, noch von mir ver-
langen moͤchte, daß ich beſtaͤndig bey ihr ſchlaffen
ſoll, darauf ſie jetzt ſehr ſtarck dringet. Sonſt
(ſagte ich) moͤchte ſie lieber aus dem Harlowiſchen
Hauſe die Eliſabeth hohlen laſſen, und ſie uͤber
mich zur Aufſeherin beſtellen.
Herr Hickman, Jhr groſſer Verehrer, hat
ohne mein Wiſſen Jhre Parthey ſo ernſtlich bey
meiner Mutter genommen, daß er deswegen bey
mir ſehr wohl angeſchrieben iſt.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/112>, abgerufen am 28.11.2024.
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