tzig Fällen wird kaum einer seyn, da das Kind Recht und die Eltern Unrecht haben sollten.
Sie würden selbst nicht rathen, daß ich mich des Beystandes Herrn Lovelaces in Verfech- tung meines Rechts bedienen sollte. Wenn ich aber zu einem andern meine Zuflucht nehmen wollte, so frage ich Sie, wer ausser ihm würde Lust haben, sich eines Kindes gegen Eltern an- zunehmen, von denen man weiß, daß sie es noch vor kurtzem so zärtlich geliebt haben? Wenn ich auch endlich jemand fände, der meine Sache führ- te, so würde es doch eine sehr lange Zeit erfo- dern, ehe der Streit zu Ende käme. Die Mei- nigen sagen, das Grosväterliche Testament habe Mängel: mein Bruder redet davon, daß er nach meinem Gute reisen und darauf wohnen wolle. Vermuthlich hat er hiebey die Absicht, daß man ihn erst gewaltsam heraus zu werfen genöthi- get werden möge, wenn ich mein Gut verwal- ten wollte; oder daß er sich, wenn ich Herrn Lovelace heyrathete, desto besser aller Krüm- men und Verdrehungen, die einem das Recht an die Hand giebt, bedienen könne.
Jch habe mir diese Fälle als möglich vorge- stellet, um Jhnen desto wichtigere Gründe ent- gegen zu setzen. Allein ich kan nicht einmahl auf sie als möglich dencken, wenn auch jemand wä- re, der meine Rechte verfechten wollte. Denn, ich versichere Jhnen, ich wollte lieber mein Brodt vor den Thüren suchen, als mich mit meinem Vater in einen Proceß einlassen. Denn ich
bin
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der Clariſſa.
tzig Faͤllen wird kaum einer ſeyn, da das Kind Recht und die Eltern Unrecht haben ſollten.
Sie wuͤrden ſelbſt nicht rathen, daß ich mich des Beyſtandes Herrn Lovelaces in Verfech- tung meines Rechts bedienen ſollte. Wenn ich aber zu einem andern meine Zuflucht nehmen wollte, ſo frage ich Sie, wer auſſer ihm wuͤrde Luſt haben, ſich eines Kindes gegen Eltern an- zunehmen, von denen man weiß, daß ſie es noch vor kurtzem ſo zaͤrtlich geliebt haben? Wenn ich auch endlich jemand faͤnde, der meine Sache fuͤhr- te, ſo wuͤrde es doch eine ſehr lange Zeit erfo- dern, ehe der Streit zu Ende kaͤme. Die Mei- nigen ſagen, das Grosvaͤterliche Teſtament habe Maͤngel: mein Bruder redet davon, daß er nach meinem Gute reiſen und darauf wohnen wolle. Vermuthlich hat er hiebey die Abſicht, daß man ihn erſt gewaltſam heraus zu werfen genoͤthi- get werden moͤge, wenn ich mein Gut verwal- ten wollte; oder daß er ſich, wenn ich Herrn Lovelace heyrathete, deſto beſſer aller Kruͤm- men und Verdrehungen, die einem das Recht an die Hand giebt, bedienen koͤnne.
Jch habe mir dieſe Faͤlle als moͤglich vorge- ſtellet, um Jhnen deſto wichtigere Gruͤnde ent- gegen zu ſetzen. Allein ich kan nicht einmahl auf ſie als moͤglich dencken, wenn auch jemand waͤ- re, der meine Rechte verfechten wollte. Denn, ich verſichere Jhnen, ich wollte lieber mein Brodt vor den Thuͤren ſuchen, als mich mit meinem Vater in einen Proceß einlaſſen. Denn ich
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der Clariſſa.
tzig Faͤllen wird kaum einer ſeyn, da das Kind
Recht und die Eltern Unrecht haben ſollten.
Sie wuͤrden ſelbſt nicht rathen, daß ich mich
des Beyſtandes Herrn Lovelaces in Verfech-
tung meines Rechts bedienen ſollte. Wenn ich
aber zu einem andern meine Zuflucht nehmen
wollte, ſo frage ich Sie, wer auſſer ihm wuͤrde
Luſt haben, ſich eines Kindes gegen Eltern an-
zunehmen, von denen man weiß, daß ſie es noch
vor kurtzem ſo zaͤrtlich geliebt haben? Wenn ich
auch endlich jemand faͤnde, der meine Sache fuͤhr-
te, ſo wuͤrde es doch eine ſehr lange Zeit erfo-
dern, ehe der Streit zu Ende kaͤme. Die Mei-
nigen ſagen, das Grosvaͤterliche Teſtament habe
Maͤngel: mein Bruder redet davon, daß er nach
meinem Gute reiſen und darauf wohnen wolle.
Vermuthlich hat er hiebey die Abſicht, daß man
ihn erſt gewaltſam heraus zu werfen genoͤthi-
get werden moͤge, wenn ich mein Gut verwal-
ten wollte; oder daß er ſich, wenn ich Herrn
Lovelace heyrathete, deſto beſſer aller Kruͤm-
men und Verdrehungen, die einem das Recht
an die Hand giebt, bedienen koͤnne.
Jch habe mir dieſe Faͤlle als moͤglich vorge-
ſtellet, um Jhnen deſto wichtigere Gruͤnde ent-
gegen zu ſetzen. Allein ich kan nicht einmahl auf
ſie als moͤglich dencken, wenn auch jemand waͤ-
re, der meine Rechte verfechten wollte. Denn,
ich verſichere Jhnen, ich wollte lieber mein Brodt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/91>, abgerufen am 22.11.2024.
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