Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
der Clarissa.

An Fräulein Clarissa Harlowe.

Jch habe Euch zu melden, daß Eure Mutter
es durch ihr Bitten so weit gebracht hat, daß
Jhr morgen dieses Haus noch nicht verlassen
sollt. Allein Eure Aufführung hat bey ihr eben
die Würckung gehabt, als bey den übrigen ins-
gesammt.

Jn Euren Vorschlägen, und in dem gantzen
Brieffe an meinen Bruder, seyd Jhr so albern
und so klug, so jung und so alt, so nachgebend
und so hartnäckig, so sanftmüthig und so unge-
stüm, daß ich nie eine so widersprechende Gemüths-
Art, so eine eingefleischte Contradiction, wahr-
genommen habe.

Wir wissen es insgesammt, von welcher Per-
son Jhr diese gantz neue Art zu dencken und zu
handeln angenommen hat. Jndessen muß der
Saame dazu schon vorhin in Euch gewesen seyn,
sonst würde er nicht auf einmahl so weit um
sich gegriffen und gewuchert haben. Es würde
eine Beschimpfung für Herrn Solmes seyn,
wenn man ihm ein so blödes und nicht blödes
Mädchen wünschen wollte: dieses ist auch eine
von Euren widersprechenden Eigenschaften.
Denckt selbst nach, was ich damit meyne.

Hier im Hause könnt Jhr nicht bleiben: das
will Eure Mutter nicht zugeben. Sie kan nicht
ruhig seyn, so lange sie ein so widerspenstiges
Kind um sich hat. Frau Hervey verbittet sehr,
daß man ihr keine Last aufburden soll, welche die
gantze Familie mit vereinigten Kräften nicht hat,

tra-
der Clariſſa.

An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

Jch habe Euch zu melden, daß Eure Mutter
es durch ihr Bitten ſo weit gebracht hat, daß
Jhr morgen dieſes Haus noch nicht verlaſſen
ſollt. Allein Eure Auffuͤhrung hat bey ihr eben
die Wuͤrckung gehabt, als bey den uͤbrigen ins-
geſammt.

Jn Euren Vorſchlaͤgen, und in dem gantzen
Brieffe an meinen Bruder, ſeyd Jhr ſo albern
und ſo klug, ſo jung und ſo alt, ſo nachgebend
und ſo hartnaͤckig, ſo ſanftmuͤthig und ſo unge-
ſtuͤm, daß ich nie eine ſo widerſprechende Gemuͤths-
Art, ſo eine eingefleiſchte Contradiction, wahr-
genommen habe.

Wir wiſſen es insgeſammt, von welcher Per-
ſon Jhr dieſe gantz neue Art zu dencken und zu
handeln angenommen hat. Jndeſſen muß der
Saame dazu ſchon vorhin in Euch geweſen ſeyn,
ſonſt wuͤrde er nicht auf einmahl ſo weit um
ſich gegriffen und gewuchert haben. Es wuͤrde
eine Beſchimpfung fuͤr Herrn Solmes ſeyn,
wenn man ihm ein ſo bloͤdes und nicht bloͤdes
Maͤdchen wuͤnſchen wollte: dieſes iſt auch eine
von Euren widerſprechenden Eigenſchaften.
Denckt ſelbſt nach, was ich damit meyne.

Hier im Hauſe koͤnnt Jhr nicht bleiben: das
will Eure Mutter nicht zugeben. Sie kan nicht
ruhig ſeyn, ſo lange ſie ein ſo widerſpenſtiges
Kind um ſich hat. Frau Hervey verbittet ſehr,
daß man ihr keine Laſt aufburden ſoll, welche die
gantze Familie mit vereinigten Kraͤften nicht hat,

tra-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0081" n="75"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi> </fw><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">An Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe.</hi> </hi> </p><lb/>
              <p>Jch habe Euch zu melden, daß Eure Mutter<lb/>
es durch ihr Bitten &#x017F;o weit gebracht hat, daß<lb/>
Jhr morgen die&#x017F;es Haus noch nicht verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ollt. Allein Eure Auffu&#x0364;hrung hat bey ihr eben<lb/>
die Wu&#x0364;rckung gehabt, als bey den u&#x0364;brigen ins-<lb/>
ge&#x017F;ammt.</p><lb/>
              <p>Jn Euren Vor&#x017F;chla&#x0364;gen, und in dem gantzen<lb/>
Brieffe an meinen Bruder, &#x017F;eyd Jhr &#x017F;o albern<lb/>
und &#x017F;o klug, &#x017F;o jung und &#x017F;o alt, &#x017F;o nachgebend<lb/>
und &#x017F;o hartna&#x0364;ckig, &#x017F;o &#x017F;anftmu&#x0364;thig und &#x017F;o unge-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;m, daß ich nie eine &#x017F;o wider&#x017F;prechende Gemu&#x0364;ths-<lb/>
Art, &#x017F;o eine eingeflei&#x017F;chte <hi rendition="#aq">Contradiction,</hi> wahr-<lb/>
genommen habe.</p><lb/>
              <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en es insge&#x017F;ammt, von welcher Per-<lb/>
&#x017F;on Jhr die&#x017F;e gantz neue Art zu dencken und zu<lb/>
handeln angenommen hat. Jnde&#x017F;&#x017F;en muß der<lb/>
Saame dazu &#x017F;chon vorhin in Euch gewe&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde er nicht auf einmahl &#x017F;o weit um<lb/>
&#x017F;ich gegriffen und gewuchert haben. Es wu&#x0364;rde<lb/>
eine Be&#x017F;chimpfung fu&#x0364;r Herrn <hi rendition="#fr">Solmes</hi> &#x017F;eyn,<lb/>
wenn man ihm ein &#x017F;o <hi rendition="#fr">blo&#x0364;des</hi> und <hi rendition="#fr">nicht blo&#x0364;des</hi><lb/>
Ma&#x0364;dchen wu&#x0364;n&#x017F;chen wollte: die&#x017F;es i&#x017F;t auch eine<lb/>
von Euren wider&#x017F;prechenden Eigen&#x017F;chaften.<lb/>
Denckt &#x017F;elb&#x017F;t nach, was ich damit meyne.</p><lb/>
              <p>Hier im Hau&#x017F;e ko&#x0364;nnt Jhr nicht bleiben: das<lb/>
will Eure Mutter nicht zugeben. Sie kan nicht<lb/>
ruhig &#x017F;eyn, &#x017F;o lange &#x017F;ie ein &#x017F;o wider&#x017F;pen&#x017F;tiges<lb/>
Kind um &#x017F;ich hat. Frau <hi rendition="#fr">Hervey</hi> verbittet &#x017F;ehr,<lb/>
daß man ihr keine La&#x017F;t aufburden &#x017F;oll, welche die<lb/>
gantze Familie mit vereinigten Kra&#x0364;ften nicht hat,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tra-</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0081] der Clariſſa. An Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Jch habe Euch zu melden, daß Eure Mutter es durch ihr Bitten ſo weit gebracht hat, daß Jhr morgen dieſes Haus noch nicht verlaſſen ſollt. Allein Eure Auffuͤhrung hat bey ihr eben die Wuͤrckung gehabt, als bey den uͤbrigen ins- geſammt. Jn Euren Vorſchlaͤgen, und in dem gantzen Brieffe an meinen Bruder, ſeyd Jhr ſo albern und ſo klug, ſo jung und ſo alt, ſo nachgebend und ſo hartnaͤckig, ſo ſanftmuͤthig und ſo unge- ſtuͤm, daß ich nie eine ſo widerſprechende Gemuͤths- Art, ſo eine eingefleiſchte Contradiction, wahr- genommen habe. Wir wiſſen es insgeſammt, von welcher Per- ſon Jhr dieſe gantz neue Art zu dencken und zu handeln angenommen hat. Jndeſſen muß der Saame dazu ſchon vorhin in Euch geweſen ſeyn, ſonſt wuͤrde er nicht auf einmahl ſo weit um ſich gegriffen und gewuchert haben. Es wuͤrde eine Beſchimpfung fuͤr Herrn Solmes ſeyn, wenn man ihm ein ſo bloͤdes und nicht bloͤdes Maͤdchen wuͤnſchen wollte: dieſes iſt auch eine von Euren widerſprechenden Eigenſchaften. Denckt ſelbſt nach, was ich damit meyne. Hier im Hauſe koͤnnt Jhr nicht bleiben: das will Eure Mutter nicht zugeben. Sie kan nicht ruhig ſeyn, ſo lange ſie ein ſo widerſpenſtiges Kind um ſich hat. Frau Hervey verbittet ſehr, daß man ihr keine Laſt aufburden ſoll, welche die gantze Familie mit vereinigten Kraͤften nicht hat, tra-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/81
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/81>, abgerufen am 24.11.2024.