in alle Winckel kriechen/ um andere Leu- te zu behorchen. Mein Bruder wollte euch dieses selbst gesagt haben; allein auf meine Vorbitte ist er drunten geblieben. Denn ich weiß nicht/ was er mit euch an- gefangen haben würde/ wenn er selbst gekommen wäre. So ein Brief! So ein unverschämtes und hochmüthiges Cartel! du eingebildetes Mädchen! Allein ich sage es euch nochmahls/ macht euch rei- sefertig. Morgen reiset ihr weg. Mein Bruder will auf eure Herausfoderung er- scheinen/ aber nicht schriftlich/ sondern in Person/ und in meines Onckles Antons Hause/ oder vielleicht in Herrn Solmes Hause.
Sie fuhr noch immer fort so zu reden, und schäumete beynahe vor Grimm, bis ich endlich die Gedult verlohr, und sagte: ich will weiter nichts von solchen heftigen Reden hören, Ara- belle. Wenn ich zum voraus gewust hätte, was für einen Besuch ihr mir zugedacht habt, so hät- tet ihr meine Stuben-Thür nicht offen finden sol- len. Mit euern Mädchen könnt ihr so reden: von mir aber müßt ihr wissen, daß ich eure Schwester bin, so wenig ich auch, Gottlob! gleiches von euch an mir habe. Jch will weder morgen, noch übermorgen, noch den darauf fol- genden Tag von hier reisen: es wäre denn, daß ich mit Gewalt in den Wagen geschleppet würde.
Was
E 4
der Clariſſa.
in alle Winckel kriechen/ um andere Leu- te zu behorchen. Mein Bruder wollte euch dieſes ſelbſt geſagt haben; allein auf meine Vorbitte iſt er drunten geblieben. Denn ich weiß nicht/ was er mit euch an- gefangen haben wuͤrde/ wenn er ſelbſt gekommen waͤre. So ein Brief! So ein unverſchaͤmtes und hochmuͤthiges Cartel! du eingebildetes Maͤdchen! Allein ich ſage es euch nochmahls/ macht euch rei- ſefertig. Morgen reiſet ihr weg. Mein Bruder will auf eure Herausfoderung er- ſcheinen/ aber nicht ſchriftlich/ ſondern in Perſon/ und in meines Onckles Antons Hauſe/ oder vielleicht in Herrn Solmes Hauſe.
Sie fuhr noch immer fort ſo zu reden, und ſchaͤumete beynahe vor Grimm, bis ich endlich die Gedult verlohr, und ſagte: ich will weiter nichts von ſolchen heftigen Reden hoͤren, Ara- belle. Wenn ich zum voraus gewuſt haͤtte, was fuͤr einen Beſuch ihr mir zugedacht habt, ſo haͤt- tet ihr meine Stuben-Thuͤr nicht offen finden ſol- len. Mit euern Maͤdchen koͤnnt ihr ſo reden: von mir aber muͤßt ihr wiſſen, daß ich eure Schweſter bin, ſo wenig ich auch, Gottlob! gleiches von euch an mir habe. Jch will weder morgen, noch uͤbermorgen, noch den darauf fol- genden Tag von hier reiſen: es waͤre denn, daß ich mit Gewalt in den Wagen geſchleppet wuͤrde.
Was
E 4
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0077"n="71"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">in alle Winckel kriechen/ um andere Leu-<lb/>
te zu behorchen. Mein Bruder wollte<lb/>
euch dieſes ſelbſt geſagt haben; allein auf<lb/>
meine Vorbitte iſt er drunten geblieben.<lb/>
Denn ich weiß nicht/ was er mit euch an-<lb/>
gefangen haben wuͤrde/ wenn er ſelbſt<lb/>
gekommen waͤre. So ein Brief! So ein<lb/>
unverſchaͤmtes und hochmuͤthiges Cartel!<lb/>
du eingebildetes Maͤdchen! Allein ich<lb/>ſage es euch nochmahls/ macht euch rei-<lb/>ſefertig. Morgen reiſet ihr weg. Mein<lb/>
Bruder will auf eure Herausfoderung er-<lb/>ſcheinen/ aber nicht ſchriftlich/ ſondern in<lb/>
Perſon/ und in meines Onckles Antons<lb/>
Hauſe/ oder vielleicht in Herrn Solmes<lb/>
Hauſe.</hi></p><lb/><p>Sie fuhr noch immer fort ſo zu reden, und<lb/>ſchaͤumete beynahe vor Grimm, bis ich endlich<lb/>
die Gedult verlohr, und ſagte: ich will weiter<lb/>
nichts von ſolchen heftigen Reden hoͤren, Ara-<lb/>
belle. Wenn ich zum voraus gewuſt haͤtte, was<lb/>
fuͤr einen Beſuch ihr mir zugedacht habt, ſo haͤt-<lb/>
tet ihr meine Stuben-Thuͤr nicht offen finden ſol-<lb/>
len. Mit euern Maͤdchen koͤnnt ihr ſo reden:<lb/>
von mir aber muͤßt ihr wiſſen, daß ich eure<lb/>
Schweſter bin, ſo wenig ich auch, Gottlob!<lb/>
gleiches von euch an mir habe. Jch will weder<lb/>
morgen, noch uͤbermorgen, noch den darauf fol-<lb/>
genden Tag von hier reiſen: es waͤre denn,<lb/>
daß ich mit Gewalt in den Wagen geſchleppet<lb/>
wuͤrde.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Was</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[71/0077]
der Clariſſa.
in alle Winckel kriechen/ um andere Leu-
te zu behorchen. Mein Bruder wollte
euch dieſes ſelbſt geſagt haben; allein auf
meine Vorbitte iſt er drunten geblieben.
Denn ich weiß nicht/ was er mit euch an-
gefangen haben wuͤrde/ wenn er ſelbſt
gekommen waͤre. So ein Brief! So ein
unverſchaͤmtes und hochmuͤthiges Cartel!
du eingebildetes Maͤdchen! Allein ich
ſage es euch nochmahls/ macht euch rei-
ſefertig. Morgen reiſet ihr weg. Mein
Bruder will auf eure Herausfoderung er-
ſcheinen/ aber nicht ſchriftlich/ ſondern in
Perſon/ und in meines Onckles Antons
Hauſe/ oder vielleicht in Herrn Solmes
Hauſe.
Sie fuhr noch immer fort ſo zu reden, und
ſchaͤumete beynahe vor Grimm, bis ich endlich
die Gedult verlohr, und ſagte: ich will weiter
nichts von ſolchen heftigen Reden hoͤren, Ara-
belle. Wenn ich zum voraus gewuſt haͤtte, was
fuͤr einen Beſuch ihr mir zugedacht habt, ſo haͤt-
tet ihr meine Stuben-Thuͤr nicht offen finden ſol-
len. Mit euern Maͤdchen koͤnnt ihr ſo reden:
von mir aber muͤßt ihr wiſſen, daß ich eure
Schweſter bin, ſo wenig ich auch, Gottlob!
gleiches von euch an mir habe. Jch will weder
morgen, noch uͤbermorgen, noch den darauf fol-
genden Tag von hier reiſen: es waͤre denn,
daß ich mit Gewalt in den Wagen geſchleppet
wuͤrde.
Was
E 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/77>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.