So viel ist Herrn Solmes versprochen, der stets Euer Wort redet, und wegen Eurer Einschrän- ckung sehr beunruhiget ist, die er als die Quelle Eurer Widrigkeit gegen ihn ansiehet. Wenn er aber finden wird, daß Jhr Euer Hertz nicht zu ihm lencken wollet, nachdem Jhr von allem soge- nannten Zwange befreyet seyn werdet, so wird er aufhören, an Euch zu dencken, so schwer ihm auch dieser Entschluß ankömmt. Er liebt Euch gar zu sehr: und dieses sehe ich allerdings für einen Fehler seines Verstandes an, gegen welchen Jhr sonst so viel einzuwenden habt.
Erlaubet ihm demnach nur 14. Tage lang, daß er Euch besuchen dürfe. Jhr erinnert mich meiner Erziehung, ich hoffe, daß die Eurige Euch nicht erlauben wird, irgend jemand grob zu begegnen. Er wird doch nicht der erste seyn sollen, (mich muß ich ausnehmen) dem bloß unsere Hochachtung Grobheiten von Eurer Seite zuziehet. Jch bin nach Eurem Belieben und Befehl, entweder Euer Freund oder Bruder, oder Diener. Jch wünsch- te, daß ich gegen eine so höfliche und artige Schwe- ster mich noch höflicher bezeigen könnte.
Jacob Harlowe.
P.S. Falls Jhr Euch so weit herab lasset, zu ant- worten, so werdet Jhr abermahl an mich schrei- ben müssen. Man kan nicht zugeben, daß Jhr die Ruhe Eurer Mutter durch Eure nichts- be- deutende Vocativos stört. Vocativos (merckt es Fräulein Clärchen) setzt Euer pedantischer Bruder abermahls.
An
Die Geſchichte
So viel iſt Herrn Solmes verſprochen, der ſtets Euer Wort redet, und wegen Eurer Einſchraͤn- ckung ſehr beunruhiget iſt, die er als die Quelle Eurer Widrigkeit gegen ihn anſiehet. Wenn er aber finden wird, daß Jhr Euer Hertz nicht zu ihm lencken wollet, nachdem Jhr von allem ſoge- nannten Zwange befreyet ſeyn werdet, ſo wird er aufhoͤren, an Euch zu dencken, ſo ſchwer ihm auch dieſer Entſchluß ankoͤmmt. Er liebt Euch gar zu ſehr: und dieſes ſehe ich allerdings fuͤr einen Fehler ſeines Verſtandes an, gegen welchen Jhr ſonſt ſo viel einzuwenden habt.
Erlaubet ihm demnach nur 14. Tage lang, daß er Euch beſuchen duͤrfe. Jhr erinnert mich meiner Erziehung, ich hoffe, daß die Eurige Euch nicht erlauben wird, irgend jemand grob zu begegnen. Er wird doch nicht der erſte ſeyn ſollen, (mich muß ich ausnehmen) dem bloß unſere Hochachtung Grobheiten von Eurer Seite zuziehet. Jch bin nach Eurem Belieben und Befehl, entweder Euer Freund oder Bruder, oder Diener. Jch wuͤnſch- te, daß ich gegen eine ſo hoͤfliche und artige Schwe- ſter mich noch hoͤflicher bezeigen koͤnnte.
Jacob Harlowe.
P.S. Falls Jhr Euch ſo weit herab laſſet, zu ant- worten, ſo werdet Jhr abermahl an mich ſchrei- ben muͤſſen. Man kan nicht zugeben, daß Jhr die Ruhe Eurer Mutter durch Eure nichts- be- deutende Vocativos ſtoͤrt. Vocativos (merckt es Fraͤulein Claͤrchen) ſetzt Euer pedantiſcher Bruder abermahls.
An
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Die Geſchichte
So viel iſt Herrn Solmes verſprochen, der ſtets
Euer Wort redet, und wegen Eurer Einſchraͤn-
ckung ſehr beunruhiget iſt, die er als die Quelle
Eurer Widrigkeit gegen ihn anſiehet. Wenn er
aber finden wird, daß Jhr Euer Hertz nicht zu
ihm lencken wollet, nachdem Jhr von allem ſoge-
nannten Zwange befreyet ſeyn werdet, ſo wird er
aufhoͤren, an Euch zu dencken, ſo ſchwer ihm auch
dieſer Entſchluß ankoͤmmt. Er liebt Euch gar zu
ſehr: und dieſes ſehe ich allerdings fuͤr einen Fehler
ſeines Verſtandes an, gegen welchen Jhr ſonſt ſo
viel einzuwenden habt.
Erlaubet ihm demnach nur 14. Tage lang, daß
er Euch beſuchen duͤrfe. Jhr erinnert mich meiner
Erziehung, ich hoffe, daß die Eurige Euch nicht
erlauben wird, irgend jemand grob zu begegnen.
Er wird doch nicht der erſte ſeyn ſollen, (mich muß
ich ausnehmen) dem bloß unſere Hochachtung
Grobheiten von Eurer Seite zuziehet. Jch bin
nach Eurem Belieben und Befehl, entweder Euer
Freund oder Bruder, oder Diener. Jch wuͤnſch-
te, daß ich gegen eine ſo hoͤfliche und artige Schwe-
ſter mich noch hoͤflicher bezeigen koͤnnte.
Jacob Harlowe.
P.S. Falls Jhr Euch ſo weit herab laſſet, zu ant-
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ben muͤſſen. Man kan nicht zugeben, daß Jhr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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