und stille seyn, wenn ich sehe, daß es sich nicht mehr ändern läßt.
Montag Morgens um 7. Uhr den 10ten April.
Ach mein Schatz, da liegt der Brief noch! Jch komme eben darvon her.
Jst er meiner so gewiß versichert? Vielleicht denckt er, ich würde mich nicht unterstehen, mein Wort zurück zu nehmen. Jch wollte daß ich ihn nie gesehen hätte. Jch fange nun an, meine Uebereilung von der Seite anzusehen, von wel- cher jederman sie angesehen haben würde, wenn ich meinen Vorsatz in das Werck gerichtet hät- te. Was soll ich aber anfangen, wenn er heu- te um die bestimmte Zeit kommt? Wenn er mei- nen Brief nicht bekommt, so muß ich ihn spre- chen: er wird sonst meinen, daß mir etwas be- gegnet sey, und wird gewiß in unser Haus kommen. Hier wird er eben so gewiß beschimpft werden. Was für Folgen wird das haben? Jch habe ihm beynahe so gut als versprochen, wenn ich meinen Vorsatz änderte ihn bey der er- sten der besten Gelegenheit die Ursachen mündlich zu sagen, die mich dazu bewogen haben. Jch zweiffele zwar nicht, daß er sehr übel zu sprechen seyn wird: allein es ist besser, daß ich ihn spre- che, und daß er unzufrieden von mir weggehet, als daß ich Ursache habe, mit mir selbst unzu- frieden zu seyn.
Doch
Die Geſchichte
und ſtille ſeyn, wenn ich ſehe, daß es ſich nicht mehr aͤndern laͤßt.
Montag Morgens um 7. Uhr den 10ten April.
Ach mein Schatz, da liegt der Brief noch! Jch komme eben darvon her.
Jſt er meiner ſo gewiß verſichert? Vielleicht denckt er, ich wuͤrde mich nicht unterſtehen, mein Wort zuruͤck zu nehmen. Jch wollte daß ich ihn nie geſehen haͤtte. Jch fange nun an, meine Uebereilung von der Seite anzuſehen, von wel- cher jederman ſie angeſehen haben wuͤrde, wenn ich meinen Vorſatz in das Werck gerichtet haͤt- te. Was ſoll ich aber anfangen, wenn er heu- te um die beſtimmte Zeit kommt? Wenn er mei- nen Brief nicht bekommt, ſo muß ich ihn ſpre- chen: er wird ſonſt meinen, daß mir etwas be- gegnet ſey, und wird gewiß in unſer Haus kommen. Hier wird er eben ſo gewiß beſchimpft werden. Was fuͤr Folgen wird das haben? Jch habe ihm beynahe ſo gut als verſprochen, wenn ich meinen Vorſatz aͤnderte ihn bey der er- ſten der beſten Gelegenheit die Urſachen muͤndlich zu ſagen, die mich dazu bewogen haben. Jch zweiffele zwar nicht, daß er ſehr uͤbel zu ſprechen ſeyn wird: allein es iſt beſſer, daß ich ihn ſpre- che, und daß er unzufrieden von mir weggehet, als daß ich Urſache habe, mit mir ſelbſt unzu- frieden zu ſeyn.
Doch
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Die Geſchichte
und ſtille ſeyn, wenn ich ſehe, daß es ſich nicht
mehr aͤndern laͤßt.
Montag Morgens um 7. Uhr
den 10ten April.
Ach mein Schatz, da liegt der Brief noch!
Jch komme eben darvon her.
Jſt er meiner ſo gewiß verſichert? Vielleicht
denckt er, ich wuͤrde mich nicht unterſtehen, mein
Wort zuruͤck zu nehmen. Jch wollte daß ich
ihn nie geſehen haͤtte. Jch fange nun an, meine
Uebereilung von der Seite anzuſehen, von wel-
cher jederman ſie angeſehen haben wuͤrde, wenn
ich meinen Vorſatz in das Werck gerichtet haͤt-
te. Was ſoll ich aber anfangen, wenn er heu-
te um die beſtimmte Zeit kommt? Wenn er mei-
nen Brief nicht bekommt, ſo muß ich ihn ſpre-
chen: er wird ſonſt meinen, daß mir etwas be-
gegnet ſey, und wird gewiß in unſer Haus
kommen. Hier wird er eben ſo gewiß beſchimpft
werden. Was fuͤr Folgen wird das haben?
Jch habe ihm beynahe ſo gut als verſprochen,
wenn ich meinen Vorſatz aͤnderte ihn bey der er-
ſten der beſten Gelegenheit die Urſachen muͤndlich
zu ſagen, die mich dazu bewogen haben. Jch
zweiffele zwar nicht, daß er ſehr uͤbel zu ſprechen
ſeyn wird: allein es iſt beſſer, daß ich ihn ſpre-
che, und daß er unzufrieden von mir weggehet,
als daß ich Urſache habe, mit mir ſelbſt unzu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/506>, abgerufen am 24.11.2024.
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