völligen Betrübniß und Unwillen. Jch war so misvergnügt mit Herr Lovelace/ als ich mit irgend jemand seyn konnte; weil die Sache durch seine eingebildete Weisheit schlimmer geworden war, als vorhin; und es mir dadurch ohnmög- lich gemacht hatte, Zeit zu gewinnen, damit ich mich Jhres Raths und Beystandes bedienen könnte, um in der Stille nach London zu kom- men. Er hat es so weit gebracht, daß mir nur die Wahl zwischen diesem doppelten Uebel übrig bleibt, entweder zu seinen Anverwanten zu flüch- ten, oder Zeitlebens durch Solmes unglücklich zu werden. Jch blieb indessen noch bey meinem Entschluß, diese beyden Uebel zu vermeiden, wenn es möglich wäre.
Zuerst suchte ich die Elisabeth auszulocken, ob sie nicht glaubte, daß die Meinigen sich durch mein anhaltendes Bitten würden bewegen lassen, es nicht bis aufs äuserste zu treiben, und nicht alles zu erfüllen, was sie droheten? Denn Frau Hervey schickte die Elisabeth zu mir herauf, weil sie mich, wie mir diese sagte, nicht gern al- lein lassen wollte: und ich merckte, daß sie um das gantze Geheimniß wußte.
Elisabeth stimmete in ihren Reden völlig mit meiner Base überein: und sie setzte noch hinzu, sie und alle im Hause freueten sich, daß ihnen der Bösewicht selbst einen so guten Vor- wand gegeben hätte, mich auf nun und immer von ihm zu retten. Sie redete davon, daß schon Kutsche und Pferde und Montirung bestellet
wären:
D d 4
der Clariſſa.
voͤlligen Betruͤbniß und Unwillen. Jch war ſo misvergnuͤgt mit Herr Lovelace/ als ich mit irgend jemand ſeyn konnte; weil die Sache durch ſeine eingebildete Weisheit ſchlimmer geworden war, als vorhin; und es mir dadurch ohnmoͤg- lich gemacht hatte, Zeit zu gewinnen, damit ich mich Jhres Raths und Beyſtandes bedienen koͤnnte, um in der Stille nach London zu kom- men. Er hat es ſo weit gebracht, daß mir nur die Wahl zwiſchen dieſem doppelten Uebel uͤbrig bleibt, entweder zu ſeinen Anverwanten zu fluͤch- ten, oder Zeitlebens durch Solmes ungluͤcklich zu werden. Jch blieb indeſſen noch bey meinem Entſchluß, dieſe beyden Uebel zu vermeiden, wenn es moͤglich waͤre.
Zuerſt ſuchte ich die Eliſabeth auszulocken, ob ſie nicht glaubte, daß die Meinigen ſich durch mein anhaltendes Bitten wuͤrden bewegen laſſen, es nicht bis aufs aͤuſerſte zu treiben, und nicht alles zu erfuͤllen, was ſie droheten? Denn Frau Hervey ſchickte die Eliſabeth zu mir herauf, weil ſie mich, wie mir dieſe ſagte, nicht gern al- lein laſſen wollte: und ich merckte, daß ſie um das gantze Geheimniß wußte.
Eliſabeth ſtimmete in ihren Reden voͤllig mit meiner Baſe uͤberein: und ſie ſetzte noch hinzu, ſie und alle im Hauſe freueten ſich, daß ihnen der Boͤſewicht ſelbſt einen ſo guten Vor- wand gegeben haͤtte, mich auf nun und immer von ihm zu retten. Sie redete davon, daß ſchon Kutſche und Pferde und Montirung beſtellet
waͤren:
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der Clariſſa.
voͤlligen Betruͤbniß und Unwillen. Jch war ſo
misvergnuͤgt mit Herr Lovelace/ als ich mit
irgend jemand ſeyn konnte; weil die Sache durch
ſeine eingebildete Weisheit ſchlimmer geworden
war, als vorhin; und es mir dadurch ohnmoͤg-
lich gemacht hatte, Zeit zu gewinnen, damit ich
mich Jhres Raths und Beyſtandes bedienen
koͤnnte, um in der Stille nach London zu kom-
men. Er hat es ſo weit gebracht, daß mir nur
die Wahl zwiſchen dieſem doppelten Uebel uͤbrig
bleibt, entweder zu ſeinen Anverwanten zu fluͤch-
ten, oder Zeitlebens durch Solmes ungluͤcklich
zu werden. Jch blieb indeſſen noch bey meinem
Entſchluß, dieſe beyden Uebel zu vermeiden, wenn
es moͤglich waͤre.
Zuerſt ſuchte ich die Eliſabeth auszulocken,
ob ſie nicht glaubte, daß die Meinigen ſich durch
mein anhaltendes Bitten wuͤrden bewegen laſſen,
es nicht bis aufs aͤuſerſte zu treiben, und nicht
alles zu erfuͤllen, was ſie droheten? Denn Frau
Hervey ſchickte die Eliſabeth zu mir herauf,
weil ſie mich, wie mir dieſe ſagte, nicht gern al-
lein laſſen wollte: und ich merckte, daß ſie um
das gantze Geheimniß wußte.
Eliſabeth ſtimmete in ihren Reden voͤllig
mit meiner Baſe uͤberein: und ſie ſetzte noch
hinzu, ſie und alle im Hauſe freueten ſich, daß
ihnen der Boͤſewicht ſelbſt einen ſo guten Vor-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/429>, abgerufen am 16.02.2025.
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