und ließ mir nichts von dem träumen, was noch folgen sollte. Jch ließ meinen Mund mit Freu- den-Bezeugungen und Danck wegen einer so gu- ten Zeitung überfliessen: und sie ließ mich still- schweigends meine Freude geniessen. Jch prieß mich glücklich, daß ich sähe, mein Vater wollte es doch nicht auf das äusserste kommen lassen.
Endlich sagte sie zu mir: Halten sie ein! Sie müssen sich nicht gar zu sehr freuen. Werden sie nicht bestürtzt, mein Hertz. Warum sehen sie mich mit einer so rührenden und ernsthaften Mi- ne an? - - Sie müssen das alles ohngeachtet Frau Solmes werden.
Jch ward gantz sprachlos.
Sie fuhr fort: meine Eltern hätten sichere Nachricht, daß ein gewisser Strassen-Räu- ber (ich möchte ihr das Wort nicht übel nehmen) bewaffnete Leute in Bereitschafft hätte, meinem Bruder und meinen Onckles auf den Dienst zu lauren, wenn sie mich nach meines Onckles Gut begleiten würden, und mich zu entführen. Sie glaubte gewiß, daß ich meine Einwilligung zu einer solchen Gewalthätigkeit nicht gegeben hät- te, die sich auf ein oder anderen Seite, oder wohl gar an beyden Seiten auf Mord und Todschlag endigen könnte.
Jch blieb noch stumm.
Mein Vater, der hiedurch von neuen aufge- bracht wäre, hätte in Absicht auf meine Reise nach meines Onckles Gut seinen Endschluß ge- ändert. Er gedächte vielmehr selbst mit meiner
Mut-
Die Geſchichte
und ließ mir nichts von dem traͤumen, was noch folgen ſollte. Jch ließ meinen Mund mit Freu- den-Bezeugungen und Danck wegen einer ſo gu- ten Zeitung uͤberflieſſen: und ſie ließ mich ſtill- ſchweigends meine Freude genieſſen. Jch prieß mich gluͤcklich, daß ich ſaͤhe, mein Vater wollte es doch nicht auf das aͤuſſerſte kommen laſſen.
Endlich ſagte ſie zu mir: Halten ſie ein! Sie muͤſſen ſich nicht gar zu ſehr freuen. Werden ſie nicht beſtuͤrtzt, mein Hertz. Warum ſehen ſie mich mit einer ſo ruͤhrenden und ernſthaften Mi- ne an? ‒ ‒ Sie muͤſſen das alles ohngeachtet Frau Solmes werden.
Jch ward gantz ſprachlos.
Sie fuhr fort: meine Eltern haͤtten ſichere Nachricht, daß ein gewiſſer Straſſen-Raͤu- ber (ich moͤchte ihr das Wort nicht uͤbel nehmen) bewaffnete Leute in Bereitſchafft haͤtte, meinem Bruder und meinen Onckles auf den Dienſt zu lauren, wenn ſie mich nach meines Onckles Gut begleiten wuͤrden, und mich zu entfuͤhren. Sie glaubte gewiß, daß ich meine Einwilligung zu einer ſolchen Gewalthaͤtigkeit nicht gegeben haͤt- te, die ſich auf ein oder anderen Seite, oder wohl gar an beyden Seiten auf Mord und Todſchlag endigen koͤnnte.
Jch blieb noch ſtumm.
Mein Vater, der hiedurch von neuen aufge- bracht waͤre, haͤtte in Abſicht auf meine Reiſe nach meines Onckles Gut ſeinen Endſchluß ge- aͤndert. Er gedaͤchte vielmehr ſelbſt mit meiner
Mut-
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Die Geſchichte
und ließ mir nichts von dem traͤumen, was noch
folgen ſollte. Jch ließ meinen Mund mit Freu-
den-Bezeugungen und Danck wegen einer ſo gu-
ten Zeitung uͤberflieſſen: und ſie ließ mich ſtill-
ſchweigends meine Freude genieſſen. Jch prieß
mich gluͤcklich, daß ich ſaͤhe, mein Vater wollte
es doch nicht auf das aͤuſſerſte kommen laſſen.
Endlich ſagte ſie zu mir: Halten ſie ein! Sie
muͤſſen ſich nicht gar zu ſehr freuen. Werden
ſie nicht beſtuͤrtzt, mein Hertz. Warum ſehen ſie
mich mit einer ſo ruͤhrenden und ernſthaften Mi-
ne an? ‒ ‒ Sie muͤſſen das alles ohngeachtet
Frau Solmes werden.
Jch ward gantz ſprachlos.
Sie fuhr fort: meine Eltern haͤtten ſichere
Nachricht, daß ein gewiſſer Straſſen-Raͤu-
ber (ich moͤchte ihr das Wort nicht uͤbel nehmen)
bewaffnete Leute in Bereitſchafft haͤtte, meinem
Bruder und meinen Onckles auf den Dienſt zu
lauren, wenn ſie mich nach meines Onckles Gut
begleiten wuͤrden, und mich zu entfuͤhren. Sie
glaubte gewiß, daß ich meine Einwilligung zu
einer ſolchen Gewalthaͤtigkeit nicht gegeben haͤt-
te, die ſich auf ein oder anderen Seite, oder wohl
gar an beyden Seiten auf Mord und Todſchlag
endigen koͤnnte.
Jch blieb noch ſtumm.
Mein Vater, der hiedurch von neuen aufge-
bracht waͤre, haͤtte in Abſicht auf meine Reiſe
nach meines Onckles Gut ſeinen Endſchluß ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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