erst kurtzens neue Verhaltungs-Befehle von mei- nem Bruder bekommen haben.
Es folget endlich Jhr dritter Vorschlag mich stehenden Fusses mit Herrn Lovelace trau- en zu lassen/ mit dessen Leben und Wandel ich doch noch so schlecht zufrieden bin: ein Vor- schlag, bey dem mir nicht die geringste Hoffnung zur Aussöhnung mit den Meinigen übrig blei- ben würde, und dagegen ich tausend andere Ein- wendungen habe. An diesen Vorschlag muß gar nicht gedacht werden.
Was mir bey der genauesten Ueberlegung noch das Beste scheint, ist, daß ich nach London flüchte, wenn ich ja so weit getrieben werden soll. Allein lieber will ich alle Hoffnung aufge- ben, in meinem Leben glücklich zu seyn, als daß Sie Jhr unbedachtsames Versprechen erfüllen und mit mir reisen sollten. Wenn ich glücklich an Ort und Stelle kommen, und mich dort ver- borgen halten könnte, so dächte ich, ich brauch- te mich nicht nach Herrn Lovelaces Willen zu richten, sondern ich würde meine Freyheit behal- ten, entweder mich mit den Meinigen zu setzen, oder wenn mich diese verlohren gäben und ich keinen bessern Weg vor mir sähe, und mein Vetter Morden ihnen auch beyfiele, mich mit Herrn Lovelace näher zu vergleichen. Jch glau- be, daß sie mir alsdenn erlauben würden, das unverheyrathete Leben zu wählen, wenn ich ihm nur entsagte. Zum wenigsten würden sie über- zeugt werden, daß mein Anerbieten mein völli-
ger
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der Clariſſa.
erſt kurtzens neue Verhaltungs-Befehle von mei- nem Bruder bekommen haben.
Es folget endlich Jhr dritter Vorſchlag mich ſtehenden Fuſſes mit Herrn Lovelace trau- en zu laſſen/ mit deſſen Leben und Wandel ich doch noch ſo ſchlecht zufrieden bin: ein Vor- ſchlag, bey dem mir nicht die geringſte Hoffnung zur Ausſoͤhnung mit den Meinigen uͤbrig blei- ben wuͤrde, und dagegen ich tauſend andere Ein- wendungen habe. An dieſen Vorſchlag muß gar nicht gedacht werden.
Was mir bey der genaueſten Ueberlegung noch das Beſte ſcheint, iſt, daß ich nach London fluͤchte, wenn ich ja ſo weit getrieben werden ſoll. Allein lieber will ich alle Hoffnung aufge- ben, in meinem Leben gluͤcklich zu ſeyn, als daß Sie Jhr unbedachtſames Verſprechen erfuͤllen und mit mir reiſen ſollten. Wenn ich gluͤcklich an Ort und Stelle kommen, und mich dort ver- borgen halten koͤnnte, ſo daͤchte ich, ich brauch- te mich nicht nach Herrn Lovelaces Willen zu richten, ſondern ich wuͤrde meine Freyheit behal- ten, entweder mich mit den Meinigen zu ſetzen, oder wenn mich dieſe verlohren gaͤben und ich keinen beſſern Weg vor mir ſaͤhe, und mein Vetter Morden ihnen auch beyfiele, mich mit Herrn Lovelace naͤher zu vergleichen. Jch glau- be, daß ſie mir alsdenn erlauben wuͤrden, das unverheyrathete Leben zu waͤhlen, wenn ich ihm nur entſagte. Zum wenigſten wuͤrden ſie uͤber- zeugt werden, daß mein Anerbieten mein voͤlli-
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der Clariſſa.
erſt kurtzens neue Verhaltungs-Befehle von mei-
nem Bruder bekommen haben.
Es folget endlich Jhr dritter Vorſchlag mich
ſtehenden Fuſſes mit Herrn Lovelace trau-
en zu laſſen/ mit deſſen Leben und Wandel ich
doch noch ſo ſchlecht zufrieden bin: ein Vor-
ſchlag, bey dem mir nicht die geringſte Hoffnung
zur Ausſoͤhnung mit den Meinigen uͤbrig blei-
ben wuͤrde, und dagegen ich tauſend andere Ein-
wendungen habe. An dieſen Vorſchlag muß
gar nicht gedacht werden.
Was mir bey der genaueſten Ueberlegung
noch das Beſte ſcheint, iſt, daß ich nach London
fluͤchte, wenn ich ja ſo weit getrieben werden
ſoll. Allein lieber will ich alle Hoffnung aufge-
ben, in meinem Leben gluͤcklich zu ſeyn, als daß
Sie Jhr unbedachtſames Verſprechen erfuͤllen
und mit mir reiſen ſollten. Wenn ich gluͤcklich
an Ort und Stelle kommen, und mich dort ver-
borgen halten koͤnnte, ſo daͤchte ich, ich brauch-
te mich nicht nach Herrn Lovelaces Willen zu
richten, ſondern ich wuͤrde meine Freyheit behal-
ten, entweder mich mit den Meinigen zu ſetzen,
oder wenn mich dieſe verlohren gaͤben und ich
keinen beſſern Weg vor mir ſaͤhe, und mein
Vetter Morden ihnen auch beyfiele, mich mit
Herrn Lovelace naͤher zu vergleichen. Jch glau-
be, daß ſie mir alsdenn erlauben wuͤrden, das
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/413>, abgerufen am 25.11.2024.
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