einander ein feindseliges Gesicht zukehren, und gleichsam die Hoffnung mit der Wurtzel aus- rotten, die sich eben in eine Gewißheit zu ver- wandeln schien.
Jhre Liebe gegen mich ist so partheyisch, daß Sie mich von wissentlichen Fehlern und von Tod-Sünden frey sprechen werden. Allein die Trübsaal hat mich so gedemüthiget, daß ich nun- mehr mein hochmüthiges Auge besser auf mein Jnwendiges richten kan. Wie viel habe ich hier entdeckt! wie viel geheimen Hochmuth und Ei- telkeit, so ich nie in meinem Hertzen vermuthet hätte, ehe ich mich genau untersuchte.
Wenn ich dazu ausgesondert bin, daß ich selbst und meine gantze Familie, deren Stoltz ich sonst war, in meiner Person gestrafft werden soll: so beten Sie für mich, daß ich mir nicht selbst über- lassen werden möge, und daß ich wenigstens mei- nem bisherigen Charaeter gemäß handeln, und in keinen Verdacht wissentlicher Vergehungen bey der Welt kommen möge. Das übrige sey der Göttlichen Vorsorge überlassen: wie die mich führt, so will ich geduldig und ohne Mur- ren folgen. Jch werde doch nicht ewig leben, und ich wünsche nur, daß mein Abtritt von der traurigen Schaubühne dieses Lebens glücklich seyn möge.
Jch will Sie durch mehr solche traurige Ge- dancken nicht betrüben, sondern sie insgesammt für mich behalten. Mein Gemüth hat Raum genug für sie. Meine Trübsaal ist so hefftig,
daß
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der Clariſſa.
einander ein feindſeliges Geſicht zukehren, und gleichſam die Hoffnung mit der Wurtzel aus- rotten, die ſich eben in eine Gewißheit zu ver- wandeln ſchien.
Jhre Liebe gegen mich iſt ſo partheyiſch, daß Sie mich von wiſſentlichen Fehlern und von Tod-Suͤnden frey ſprechen werden. Allein die Truͤbſaal hat mich ſo gedemuͤthiget, daß ich nun- mehr mein hochmuͤthiges Auge beſſer auf mein Jnwendiges richten kan. Wie viel habe ich hier entdeckt! wie viel geheimen Hochmuth und Ei- telkeit, ſo ich nie in meinem Hertzen vermuthet haͤtte, ehe ich mich genau unterſuchte.
Wenn ich dazu ausgeſondert bin, daß ich ſelbſt und meine gantze Familie, deren Stoltz ich ſonſt war, in meiner Perſon geſtrafft werden ſoll: ſo beten Sie fuͤr mich, daß ich mir nicht ſelbſt uͤber- laſſen werden moͤge, und daß ich wenigſtens mei- nem bisherigen Charaeter gemaͤß handeln, und in keinen Verdacht wiſſentlicher Vergehungen bey der Welt kommen moͤge. Das uͤbrige ſey der Goͤttlichen Vorſorge uͤberlaſſen: wie die mich fuͤhrt, ſo will ich geduldig und ohne Mur- ren folgen. Jch werde doch nicht ewig leben, und ich wuͤnſche nur, daß mein Abtritt von der traurigen Schaubuͤhne dieſes Lebens gluͤcklich ſeyn moͤge.
Jch will Sie durch mehr ſolche traurige Ge- dancken nicht betruͤben, ſondern ſie insgeſammt fuͤr mich behalten. Mein Gemuͤth hat Raum genug fuͤr ſie. Meine Truͤbſaal iſt ſo hefftig,
daß
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der Clariſſa.
einander ein feindſeliges Geſicht zukehren, und
gleichſam die Hoffnung mit der Wurtzel aus-
rotten, die ſich eben in eine Gewißheit zu ver-
wandeln ſchien.
Jhre Liebe gegen mich iſt ſo partheyiſch, daß
Sie mich von wiſſentlichen Fehlern und von
Tod-Suͤnden frey ſprechen werden. Allein die
Truͤbſaal hat mich ſo gedemuͤthiget, daß ich nun-
mehr mein hochmuͤthiges Auge beſſer auf mein
Jnwendiges richten kan. Wie viel habe ich hier
entdeckt! wie viel geheimen Hochmuth und Ei-
telkeit, ſo ich nie in meinem Hertzen vermuthet
haͤtte, ehe ich mich genau unterſuchte.
Wenn ich dazu ausgeſondert bin, daß ich ſelbſt
und meine gantze Familie, deren Stoltz ich ſonſt
war, in meiner Perſon geſtrafft werden ſoll: ſo
beten Sie fuͤr mich, daß ich mir nicht ſelbſt uͤber-
laſſen werden moͤge, und daß ich wenigſtens mei-
nem bisherigen Charaeter gemaͤß handeln, und
in keinen Verdacht wiſſentlicher Vergehungen
bey der Welt kommen moͤge. Das uͤbrige ſey
der Goͤttlichen Vorſorge uͤberlaſſen: wie die
mich fuͤhrt, ſo will ich geduldig und ohne Mur-
ren folgen. Jch werde doch nicht ewig leben,
und ich wuͤnſche nur, daß mein Abtritt von der
traurigen Schaubuͤhne dieſes Lebens gluͤcklich
ſeyn moͤge.
Jch will Sie durch mehr ſolche traurige Ge-
dancken nicht betruͤben, ſondern ſie insgeſammt
fuͤr mich behalten. Mein Gemuͤth hat Raum
genug fuͤr ſie. Meine Truͤbſaal iſt ſo hefftig,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/409>, abgerufen am 25.11.2024.
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