de waren stoltz auf mich: und ihr Stoltz mach- te mich hinwiederum stoltz; ich rühmete mich meines Wohlstandes. Vielleicht will uns jetzt die gerechte Vorsicht straffen, um uns zu über- zeugen, daß wir noch nicht allem Unglück ent- kommen sind, und um uns zu einer besseren und gewisseren Hoffnung zu leiten, als wir bisher gehabt haben.
Jch müßte mir den Umgang, mit dem mich der rechtschaffene Doctor Lewin beehret hat, und die Lehren, welche mir Frau Norton in der ersten Jugend, als eine Frucht ihrer eigenen Er- fahrung und der Erfahrung ihres Vaters ein- gepräget hat, schlecht zu Nutze gemacht haben; wenn ich bey so ausserordentlichen Umständen nicht zurückdencken, und dergleichen Betrachtun- gen anstellen wollte. Ausserordentlich kan ich diese Umstände mit Recht nennen: denn se- hen Sie nicht, daß wir von einem Schicksaal, dem wir nicht widerstehen können, immer tieffer in dieses verworrene Labyrinth hinein getrieben werden? Und doch kommt alles dieses von uns selbst her: es hat recht das Ansehen, als wenn wir uns selbst straffen sollten. Meine Eltern hatte Hoffnungs-volle Kinder, von denen sie er- warteten, daß ihre durch sie ausgebreitete Fa- milie alle Art der zeitlichen Glückseeligkeit ge- niessen sollte. Nun, da diese Kinder erwachsen sind, und die Hoffnung erfüllen sollten, die noch eben so weit entfernt bleibt, als da wir Kinder waren, müssen meine Eltern sehen, daß wir
ein-
Die Geſchichte
de waren ſtoltz auf mich: und ihr Stoltz mach- te mich hinwiederum ſtoltz; ich ruͤhmete mich meines Wohlſtandes. Vielleicht will uns jetzt die gerechte Vorſicht ſtraffen, um uns zu uͤber- zeugen, daß wir noch nicht allem Ungluͤck ent- kommen ſind, und um uns zu einer beſſeren und gewiſſeren Hoffnung zu leiten, als wir bisher gehabt haben.
Jch muͤßte mir den Umgang, mit dem mich der rechtſchaffene Doctor Lewin beehret hat, und die Lehren, welche mir Frau Norton in der erſten Jugend, als eine Frucht ihrer eigenen Er- fahrung und der Erfahrung ihres Vaters ein- gepraͤget hat, ſchlecht zu Nutze gemacht haben; wenn ich bey ſo auſſerordentlichen Umſtaͤnden nicht zuruͤckdencken, und dergleichen Betrachtun- gen anſtellen wollte. Auſſerordentlich kan ich dieſe Umſtaͤnde mit Recht nennen: denn ſe- hen Sie nicht, daß wir von einem Schickſaal, dem wir nicht widerſtehen koͤnnen, immer tieffer in dieſes verworrene Labyrinth hinein getrieben werden? Und doch kommt alles dieſes von uns ſelbſt her: es hat recht das Anſehen, als wenn wir uns ſelbſt ſtraffen ſollten. Meine Eltern hatte Hoffnungs-volle Kinder, von denen ſie er- warteten, daß ihre durch ſie ausgebreitete Fa- milie alle Art der zeitlichen Gluͤckſeeligkeit ge- nieſſen ſollte. Nun, da dieſe Kinder erwachſen ſind, und die Hoffnung erfuͤllen ſollten, die noch eben ſo weit entfernt bleibt, als da wir Kinder waren, muͤſſen meine Eltern ſehen, daß wir
ein-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0408"n="402"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
de waren ſtoltz auf mich: und ihr Stoltz mach-<lb/>
te mich hinwiederum ſtoltz; ich ruͤhmete mich<lb/>
meines Wohlſtandes. Vielleicht will uns jetzt<lb/>
die gerechte Vorſicht ſtraffen, um uns zu uͤber-<lb/>
zeugen, daß wir noch nicht allem Ungluͤck ent-<lb/>
kommen ſind, und um uns zu einer beſſeren und<lb/>
gewiſſeren Hoffnung zu leiten, als wir bisher<lb/>
gehabt haben.</p><lb/><p>Jch muͤßte mir den Umgang, mit dem mich<lb/>
der rechtſchaffene Doctor <hirendition="#fr">Lewin</hi> beehret hat,<lb/>
und die Lehren, welche mir Frau <hirendition="#fr">Norton</hi> in der<lb/>
erſten Jugend, als eine Frucht ihrer eigenen Er-<lb/>
fahrung und der Erfahrung ihres Vaters ein-<lb/>
gepraͤget hat, ſchlecht zu Nutze gemacht haben;<lb/>
wenn ich bey ſo auſſerordentlichen Umſtaͤnden<lb/>
nicht zuruͤckdencken, und dergleichen Betrachtun-<lb/>
gen anſtellen wollte. <hirendition="#fr">Auſſerordentlich</hi> kan<lb/>
ich dieſe Umſtaͤnde mit Recht nennen: denn ſe-<lb/>
hen Sie nicht, daß wir von einem Schickſaal,<lb/>
dem wir nicht widerſtehen koͤnnen, immer tieffer<lb/>
in dieſes verworrene Labyrinth hinein getrieben<lb/>
werden? Und doch kommt alles dieſes von uns<lb/>ſelbſt her: es hat recht das Anſehen, als wenn<lb/>
wir uns ſelbſt ſtraffen ſollten. Meine Eltern<lb/>
hatte Hoffnungs-volle Kinder, von denen ſie er-<lb/>
warteten, daß ihre durch ſie ausgebreitete Fa-<lb/>
milie alle Art der zeitlichen Gluͤckſeeligkeit ge-<lb/>
nieſſen ſollte. Nun, da dieſe Kinder erwachſen<lb/>ſind, und die Hoffnung erfuͤllen ſollten, die noch<lb/>
eben ſo weit entfernt bleibt, als da wir Kinder<lb/>
waren, muͤſſen meine Eltern ſehen, daß wir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ein-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[402/0408]
Die Geſchichte
de waren ſtoltz auf mich: und ihr Stoltz mach-
te mich hinwiederum ſtoltz; ich ruͤhmete mich
meines Wohlſtandes. Vielleicht will uns jetzt
die gerechte Vorſicht ſtraffen, um uns zu uͤber-
zeugen, daß wir noch nicht allem Ungluͤck ent-
kommen ſind, und um uns zu einer beſſeren und
gewiſſeren Hoffnung zu leiten, als wir bisher
gehabt haben.
Jch muͤßte mir den Umgang, mit dem mich
der rechtſchaffene Doctor Lewin beehret hat,
und die Lehren, welche mir Frau Norton in der
erſten Jugend, als eine Frucht ihrer eigenen Er-
fahrung und der Erfahrung ihres Vaters ein-
gepraͤget hat, ſchlecht zu Nutze gemacht haben;
wenn ich bey ſo auſſerordentlichen Umſtaͤnden
nicht zuruͤckdencken, und dergleichen Betrachtun-
gen anſtellen wollte. Auſſerordentlich kan
ich dieſe Umſtaͤnde mit Recht nennen: denn ſe-
hen Sie nicht, daß wir von einem Schickſaal,
dem wir nicht widerſtehen koͤnnen, immer tieffer
in dieſes verworrene Labyrinth hinein getrieben
werden? Und doch kommt alles dieſes von uns
ſelbſt her: es hat recht das Anſehen, als wenn
wir uns ſelbſt ſtraffen ſollten. Meine Eltern
hatte Hoffnungs-volle Kinder, von denen ſie er-
warteten, daß ihre durch ſie ausgebreitete Fa-
milie alle Art der zeitlichen Gluͤckſeeligkeit ge-
nieſſen ſollte. Nun, da dieſe Kinder erwachſen
ſind, und die Hoffnung erfuͤllen ſollten, die noch
eben ſo weit entfernt bleibt, als da wir Kinder
waren, muͤſſen meine Eltern ſehen, daß wir
ein-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/408>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.