weil sie sich meiner nicht mit solcher Hitze anneh- men will, als Sie es wünschen. Wenn meiner Mutter Schwester mir ihr Hertz und Hülffe ent- ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha- be, (welches ich mich unterstehen will von ihr zu behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut- ter, mein Onckles, die mich sonst so zärtlich lieb- ten, jetzt gemeinschafftliche Sache gegen mich ma- chen können: was habe ich denn für Recht, oder was haben Sie für Anlaß, zu hoffen, daß Jhre Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß aller dieser Personen verstatten werde?
Werden sie nicht verdrießlich, wenn ich all- zu ernsthafft und betrübt schreibe. Jch fürch- te fast, mein liebster Schatz, daß ich um meiner Sünden willen, oder zur Züchtigung der Mei- nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus- ersehen bin, ein Ball des Unglücks zu werden. Jch fürchte, daß ich dieses auf eine recht aus- nehmende und in die Augen fallende Art werden soll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die Wellen des Unglücks so geschwind und so hefftig übereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?
Wir alle sind bis auf diese letzten Wochen allzu glücklich und allzu vergnügt gewesen. Wir haben nichts von Creutz und Trübsal gewußt, als die uns unser verzärtelter Eigenwille verur- sachet hat. Weil wir uns gleichsam in den Vor- rath vergraben hatten, den wir beylegten, so bald er erworben war; so meinten wir, daß wir vor dem Unglück sicher wären. Alle meine Freun-
de
Zweyter Theil. C c
der Clariſſa.
weil ſie ſich meiner nicht mit ſolcher Hitze anneh- men will, als Sie es wuͤnſchen. Wenn meiner Mutter Schweſter mir ihr Hertz und Huͤlffe ent- ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha- be, (welches ich mich unterſtehen will von ihr zu behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut- ter, mein Onckles, die mich ſonſt ſo zaͤrtlich lieb- ten, jetzt gemeinſchafftliche Sache gegen mich ma- chen koͤnnen: was habe ich denn fuͤr Recht, oder was haben Sie fuͤr Anlaß, zu hoffen, daß Jhre Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß aller dieſer Perſonen verſtatten werde?
Werden ſie nicht verdrießlich, wenn ich all- zu ernſthafft und betruͤbt ſchreibe. Jch fuͤrch- te faſt, mein liebſter Schatz, daß ich um meiner Suͤnden willen, oder zur Zuͤchtigung der Mei- nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus- erſehen bin, ein Ball des Ungluͤcks zu werden. Jch fuͤrchte, daß ich dieſes auf eine recht aus- nehmende und in die Augen fallende Art werden ſoll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die Wellen des Ungluͤcks ſo geſchwind und ſo hefftig uͤbereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?
Wir alle ſind bis auf dieſe letzten Wochen allzu gluͤcklich und allzu vergnuͤgt geweſen. Wir haben nichts von Creutz und Truͤbſal gewußt, als die uns unſer verzaͤrtelter Eigenwille verur- ſachet hat. Weil wir uns gleichſam in den Vor- rath vergraben hatten, den wir beylegten, ſo bald er erworben war; ſo meinten wir, daß wir vor dem Ungluͤck ſicher waͤren. Alle meine Freun-
de
Zweyter Theil. C c
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0407"n="401"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/>
weil ſie ſich meiner nicht mit ſolcher Hitze anneh-<lb/>
men will, als Sie es wuͤnſchen. Wenn meiner<lb/>
Mutter Schweſter mir ihr Hertz und Huͤlffe ent-<lb/>
ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha-<lb/>
be, (welches ich mich unterſtehen will von ihr zu<lb/>
behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut-<lb/>
ter, mein Onckles, die mich ſonſt ſo zaͤrtlich lieb-<lb/>
ten, jetzt gemeinſchafftliche Sache gegen mich ma-<lb/>
chen koͤnnen: was habe ich denn fuͤr Recht, oder<lb/>
was haben Sie fuͤr Anlaß, zu hoffen, daß Jhre<lb/>
Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß<lb/>
aller dieſer Perſonen verſtatten werde?</p><lb/><p>Werden ſie nicht verdrießlich, wenn ich all-<lb/>
zu ernſthafft und betruͤbt ſchreibe. Jch fuͤrch-<lb/>
te faſt, mein liebſter Schatz, daß ich um meiner<lb/>
Suͤnden willen, oder zur Zuͤchtigung der Mei-<lb/>
nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus-<lb/>
erſehen bin, ein Ball des Ungluͤcks zu werden.<lb/>
Jch fuͤrchte, daß ich dieſes auf eine recht aus-<lb/>
nehmende und in die Augen fallende Art werden<lb/>ſoll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die<lb/>
Wellen des Ungluͤcks ſo geſchwind und ſo hefftig<lb/>
uͤbereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?</p><lb/><p>Wir alle ſind bis auf dieſe letzten Wochen<lb/>
allzu gluͤcklich und allzu vergnuͤgt geweſen. Wir<lb/>
haben nichts von Creutz und Truͤbſal gewußt,<lb/>
als die uns unſer verzaͤrtelter Eigenwille verur-<lb/>ſachet hat. Weil wir uns gleichſam in den Vor-<lb/>
rath vergraben hatten, den wir beylegten, ſo bald<lb/>
er erworben war; ſo meinten wir, daß wir vor<lb/>
dem Ungluͤck ſicher waͤren. Alle meine Freun-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweyter Theil.</hi> C c</fw><fwplace="bottom"type="catch">de</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[401/0407]
der Clariſſa.
weil ſie ſich meiner nicht mit ſolcher Hitze anneh-
men will, als Sie es wuͤnſchen. Wenn meiner
Mutter Schweſter mir ihr Hertz und Huͤlffe ent-
ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha-
be, (welches ich mich unterſtehen will von ihr zu
behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut-
ter, mein Onckles, die mich ſonſt ſo zaͤrtlich lieb-
ten, jetzt gemeinſchafftliche Sache gegen mich ma-
chen koͤnnen: was habe ich denn fuͤr Recht, oder
was haben Sie fuͤr Anlaß, zu hoffen, daß Jhre
Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß
aller dieſer Perſonen verſtatten werde?
Werden ſie nicht verdrießlich, wenn ich all-
zu ernſthafft und betruͤbt ſchreibe. Jch fuͤrch-
te faſt, mein liebſter Schatz, daß ich um meiner
Suͤnden willen, oder zur Zuͤchtigung der Mei-
nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus-
erſehen bin, ein Ball des Ungluͤcks zu werden.
Jch fuͤrchte, daß ich dieſes auf eine recht aus-
nehmende und in die Augen fallende Art werden
ſoll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die
Wellen des Ungluͤcks ſo geſchwind und ſo hefftig
uͤbereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?
Wir alle ſind bis auf dieſe letzten Wochen
allzu gluͤcklich und allzu vergnuͤgt geweſen. Wir
haben nichts von Creutz und Truͤbſal gewußt,
als die uns unſer verzaͤrtelter Eigenwille verur-
ſachet hat. Weil wir uns gleichſam in den Vor-
rath vergraben hatten, den wir beylegten, ſo bald
er erworben war; ſo meinten wir, daß wir vor
dem Ungluͤck ſicher waͤren. Alle meine Freun-
de
Zweyter Theil. C c
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/407>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.