Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
vor drey Uhr überbringen solte, weil dieses die
eintzige Stunde des Tages ist, da man diesen
Herrn zu Hause findet; und er solte Antwort
zurück bringen. Herr Hunt wohnt allzuweit
von Harlowe-Burg: Robert mußte die Zeit
recht stehlen. Er kam so spät nach Hause, daß
ich ihn nicht abermahls schicken konnte. Jch
konte ihm nur sagen, daß er heute noch vor Ta-
ges ausreiten, und wenn er einen Brief hätte
über Hals und Kopf zurücke eilen solte.

Jch schlief allein: meine ungeduldige Erwar-
tung machte mir eine sehr unruhige Nacht, des-
wegen blieb ich länger liegen, als ich sonst ge-
wohnt bin. Kaum war ich aufgestanden, so
kam Kitty/ und gab mir Jhre drey Brieffe,
die Robert mitgebracht hatte. Jch war noch
nicht angekleidet, und hatte noch meine Schlen-
ter an; allein ich mußte die Brieffe durchlesen,
ehe ich mich fertig machte. Oft habe ich inne
gehalten, und in meiner Einsamkeit laute auf
die teuffelischen Leute gescholten, mit denen Sie
zu thun haben.

Mein Hertz kochet, wenn ich an die Leute ge-
dencke. Wie niederträchtige Künste haben sie
angewandt, Sie zu etwas zu bewegen, das den
Schein einer Herrn Solmes gegebenen Hoff-
nung haben möchte! und wie gebrauchten sie da-
zu die Jhnen aufgedrungene Unterredung! Auf
Jhre Base Hervey bin ich auch recht ungehal-
ten, daß sie ihre eigene Meinung und Einsich-
ten so knechtisch verleugnet, und sich sogar von

andern

Die Geſchichte
vor drey Uhr uͤberbringen ſolte, weil dieſes die
eintzige Stunde des Tages iſt, da man dieſen
Herrn zu Hauſe findet; und er ſolte Antwort
zuruͤck bringen. Herr Hunt wohnt allzuweit
von Harlowe-Burg: Robert mußte die Zeit
recht ſtehlen. Er kam ſo ſpaͤt nach Hauſe, daß
ich ihn nicht abermahls ſchicken konnte. Jch
konte ihm nur ſagen, daß er heute noch vor Ta-
ges ausreiten, und wenn er einen Brief haͤtte
uͤber Hals und Kopf zuruͤcke eilen ſolte.

Jch ſchlief allein: meine ungeduldige Erwar-
tung machte mir eine ſehr unruhige Nacht, des-
wegen blieb ich laͤnger liegen, als ich ſonſt ge-
wohnt bin. Kaum war ich aufgeſtanden, ſo
kam Kitty/ und gab mir Jhre drey Brieffe,
die Robert mitgebracht hatte. Jch war noch
nicht angekleidet, und hatte noch meine Schlen-
ter an; allein ich mußte die Brieffe durchleſen,
ehe ich mich fertig machte. Oft habe ich inne
gehalten, und in meiner Einſamkeit laute auf
die teuffeliſchen Leute geſcholten, mit denen Sie
zu thun haben.

Mein Hertz kochet, wenn ich an die Leute ge-
dencke. Wie niedertraͤchtige Kuͤnſte haben ſie
angewandt, Sie zu etwas zu bewegen, das den
Schein einer Herrn Solmes gegebenen Hoff-
nung haben moͤchte! und wie gebrauchten ſie da-
zu die Jhnen aufgedrungene Unterredung! Auf
Jhre Baſe Hervey bin ich auch recht ungehal-
ten, daß ſie ihre eigene Meinung und Einſich-
ten ſo knechtiſch verleugnet, und ſich ſogar von

andern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0396" n="390"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
vor drey Uhr u&#x0364;berbringen &#x017F;olte, weil die&#x017F;es die<lb/>
eintzige Stunde des Tages i&#x017F;t, da man die&#x017F;en<lb/>
Herrn zu Hau&#x017F;e findet; und er &#x017F;olte Antwort<lb/>
zuru&#x0364;ck bringen. Herr <hi rendition="#fr">Hunt</hi> wohnt allzuweit<lb/>
von <hi rendition="#fr">Harlowe-Burg:</hi> Robert mußte die Zeit<lb/>
recht &#x017F;tehlen. Er kam &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t nach Hau&#x017F;e, daß<lb/>
ich ihn nicht abermahls &#x017F;chicken konnte. Jch<lb/>
konte ihm nur &#x017F;agen, daß er heute noch vor Ta-<lb/>
ges ausreiten, und wenn er einen Brief ha&#x0364;tte<lb/>
u&#x0364;ber Hals und Kopf zuru&#x0364;cke eilen &#x017F;olte.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;chlief allein: meine ungeduldige Erwar-<lb/>
tung machte mir eine &#x017F;ehr unruhige Nacht, des-<lb/>
wegen blieb ich la&#x0364;nger liegen, als ich &#x017F;on&#x017F;t ge-<lb/>
wohnt bin. Kaum war ich aufge&#x017F;tanden, &#x017F;o<lb/>
kam <hi rendition="#fr">Kitty/</hi> und gab mir Jhre drey Brieffe,<lb/>
die <hi rendition="#fr">Robert</hi> mitgebracht hatte. Jch war noch<lb/>
nicht angekleidet, und hatte noch meine Schlen-<lb/>
ter an; allein ich mußte die Brieffe durchle&#x017F;en,<lb/>
ehe ich mich fertig machte. Oft habe ich inne<lb/>
gehalten, und in meiner Ein&#x017F;amkeit laute auf<lb/>
die teuffeli&#x017F;chen Leute ge&#x017F;cholten, mit denen Sie<lb/>
zu thun haben.</p><lb/>
          <p>Mein Hertz kochet, wenn ich an die Leute ge-<lb/>
dencke. Wie niedertra&#x0364;chtige Ku&#x0364;n&#x017F;te haben &#x017F;ie<lb/>
angewandt, Sie zu etwas zu bewegen, das den<lb/>
Schein einer Herrn <hi rendition="#fr">Solmes</hi> gegebenen Hoff-<lb/>
nung haben mo&#x0364;chte! und wie gebrauchten &#x017F;ie da-<lb/>
zu die Jhnen aufgedrungene Unterredung! Auf<lb/>
Jhre Ba&#x017F;e <hi rendition="#fr">Hervey</hi> bin ich auch recht ungehal-<lb/>
ten, daß &#x017F;ie ihre eigene Meinung und Ein&#x017F;ich-<lb/>
ten &#x017F;o knechti&#x017F;ch verleugnet, und &#x017F;ich &#x017F;ogar von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">andern</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0396] Die Geſchichte vor drey Uhr uͤberbringen ſolte, weil dieſes die eintzige Stunde des Tages iſt, da man dieſen Herrn zu Hauſe findet; und er ſolte Antwort zuruͤck bringen. Herr Hunt wohnt allzuweit von Harlowe-Burg: Robert mußte die Zeit recht ſtehlen. Er kam ſo ſpaͤt nach Hauſe, daß ich ihn nicht abermahls ſchicken konnte. Jch konte ihm nur ſagen, daß er heute noch vor Ta- ges ausreiten, und wenn er einen Brief haͤtte uͤber Hals und Kopf zuruͤcke eilen ſolte. Jch ſchlief allein: meine ungeduldige Erwar- tung machte mir eine ſehr unruhige Nacht, des- wegen blieb ich laͤnger liegen, als ich ſonſt ge- wohnt bin. Kaum war ich aufgeſtanden, ſo kam Kitty/ und gab mir Jhre drey Brieffe, die Robert mitgebracht hatte. Jch war noch nicht angekleidet, und hatte noch meine Schlen- ter an; allein ich mußte die Brieffe durchleſen, ehe ich mich fertig machte. Oft habe ich inne gehalten, und in meiner Einſamkeit laute auf die teuffeliſchen Leute geſcholten, mit denen Sie zu thun haben. Mein Hertz kochet, wenn ich an die Leute ge- dencke. Wie niedertraͤchtige Kuͤnſte haben ſie angewandt, Sie zu etwas zu bewegen, das den Schein einer Herrn Solmes gegebenen Hoff- nung haben moͤchte! und wie gebrauchten ſie da- zu die Jhnen aufgedrungene Unterredung! Auf Jhre Baſe Hervey bin ich auch recht ungehal- ten, daß ſie ihre eigene Meinung und Einſich- ten ſo knechtiſch verleugnet, und ſich ſogar von andern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/396
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/396>, abgerufen am 25.11.2024.