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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
alle Rache nicht nur reitzen/ sondern auch
entschuldigen.
Er setzte hinzu: alle Länder
in der Welt wären ihm gleich/ wann er
nicht auf Sie dächte: er habe daher vor den
Gesetzen seines Landes sich nicht zu fürch-
ten/ was er auch irgend thun möchte nach-
dem er Sie verlohren hätte.

Das unerschrockne Gesicht, womit er dieses
aussprach, macht mir Sorge. Gewiß er ist im
Stande sehr übereilte Handlungen vorzunehmen.

Seine Verwegenheit, welche ich ihm biswei-
len sehr nachdrücklich verwieß, suchte er durch die-
sen Zusatz zu bemänteln: so lange sie unverheyra-
thet blieben, sey er bereit allen Schimpf zu ertra-
gen, den Jhre Familie ihm anthäte. Wollten Sie
sich, falls man Sie noch weiter triebe, an einen
dritten Ort in Sicherheit begeben, wo nicht bey
seinem Vatters-Bruder oder bey seinen Anver-
wandtinnen, dennoch an einen andern zuverläßigen
Ort: (ich glaube er wollte meiner Mutter Haus
beschreiben) oder wollten Sie nach Londen gehen
und ein eignes Haus miethen, in welchem er Sie
nie ohne gegebene Erlaubnis besuchen würde, und
wo Sie sich mit Jhren Anverwandten völlig nach
eignem Willen setzen könnten: so wolle er gantz zu-
frieden seyn, und erwarten was Jhres Vetters
Ankunft, und Jhr eigner freyer Wille ihm für
ein Schicksahl bestimmen würde. Er kenne übri-
gens die Familie allzu wohl, er wisse wie wenig
sie von Jhrem Eigensinn abweichen könnten, und
wie sehr sie sich auf Jhr lencksames Gemüth ver-

ließen:
Zweyter Theil. C

der Clariſſa.
alle Rache nicht nur reitzen/ ſondern auch
entſchuldigen.
Er ſetzte hinzu: alle Laͤnder
in der Welt waͤren ihm gleich/ wann er
nicht auf Sie daͤchte: er habe daher vor den
Geſetzen ſeines Landes ſich nicht zu fuͤrch-
ten/ was er auch irgend thun moͤchte nach-
dem er Sie verlohren haͤtte.

Das unerſchrockne Geſicht, womit er dieſes
ausſprach, macht mir Sorge. Gewiß er iſt im
Stande ſehr uͤbereilte Handlungen vorzunehmen.

Seine Verwegenheit, welche ich ihm biswei-
len ſehr nachdruͤcklich verwieß, ſuchte er durch die-
ſen Zuſatz zu bemaͤnteln: ſo lange ſie unverheyra-
thet blieben, ſey er bereit allen Schimpf zu ertra-
gen, den Jhre Familie ihm anthaͤte. Wollten Sie
ſich, falls man Sie noch weiter triebe, an einen
dritten Ort in Sicherheit begeben, wo nicht bey
ſeinem Vatters-Bruder oder bey ſeinen Anver-
wandtinnen, dennoch an einen andern zuverlaͤßigen
Ort: (ich glaube er wollte meiner Mutter Haus
beſchreiben) oder wollten Sie nach Londen gehen
und ein eignes Haus miethen, in welchem er Sie
nie ohne gegebene Erlaubnis beſuchen wuͤrde, und
wo Sie ſich mit Jhren Anverwandten voͤllig nach
eignem Willen ſetzen koͤnnten: ſo wolle er gantz zu-
frieden ſeyn, und erwarten was Jhres Vetters
Ankunft, und Jhr eigner freyer Wille ihm fuͤr
ein Schickſahl beſtimmen wuͤrde. Er kenne uͤbri-
gens die Familie allzu wohl, er wiſſe wie wenig
ſie von Jhrem Eigenſinn abweichen koͤnnten, und
wie ſehr ſie ſich auf Jhr lenckſames Gemuͤth ver-

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[33/0039] der Clariſſa. alle Rache nicht nur reitzen/ ſondern auch entſchuldigen. Er ſetzte hinzu: alle Laͤnder in der Welt waͤren ihm gleich/ wann er nicht auf Sie daͤchte: er habe daher vor den Geſetzen ſeines Landes ſich nicht zu fuͤrch- ten/ was er auch irgend thun moͤchte nach- dem er Sie verlohren haͤtte. Das unerſchrockne Geſicht, womit er dieſes ausſprach, macht mir Sorge. Gewiß er iſt im Stande ſehr uͤbereilte Handlungen vorzunehmen. Seine Verwegenheit, welche ich ihm biswei- len ſehr nachdruͤcklich verwieß, ſuchte er durch die- ſen Zuſatz zu bemaͤnteln: ſo lange ſie unverheyra- thet blieben, ſey er bereit allen Schimpf zu ertra- gen, den Jhre Familie ihm anthaͤte. Wollten Sie ſich, falls man Sie noch weiter triebe, an einen dritten Ort in Sicherheit begeben, wo nicht bey ſeinem Vatters-Bruder oder bey ſeinen Anver- wandtinnen, dennoch an einen andern zuverlaͤßigen Ort: (ich glaube er wollte meiner Mutter Haus beſchreiben) oder wollten Sie nach Londen gehen und ein eignes Haus miethen, in welchem er Sie nie ohne gegebene Erlaubnis beſuchen wuͤrde, und wo Sie ſich mit Jhren Anverwandten voͤllig nach eignem Willen ſetzen koͤnnten: ſo wolle er gantz zu- frieden ſeyn, und erwarten was Jhres Vetters Ankunft, und Jhr eigner freyer Wille ihm fuͤr ein Schickſahl beſtimmen wuͤrde. Er kenne uͤbri- gens die Familie allzu wohl, er wiſſe wie wenig ſie von Jhrem Eigenſinn abweichen koͤnnten, und wie ſehr ſie ſich auf Jhr lenckſames Gemuͤth ver- ließen: Zweyter Theil. C

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/39>, abgerufen am 24.11.2024.