Jch lief nach meiner Stube hinauf, daß ich ausser Athem kam, und verschloß mich.
Jn einer kleinen Viertheil-Stunde kamEli- sabeth herauf. Jch machte ihr auf, als sie an- klopfte und zugleich (auch bey nahe ausser Athem) mich bat, sie einzulassen.
GOtt erbarme sich unser! (sagte sie) Was vor eine Verwirrung im Hause! (auf und nie- der ging sie, und wehete sich mit dem Schnupf- tuch.) Solche böse erzürnte Herrschafft! Sol- che eigensinnige Fräuleins! Solch ein demüthi- ger Liebhaber! Solche erbitterte Onckles! Sol- che - - Ach mein Hertz, mein Hertz! Was für ein verkehrtes Haus ist das! Und warum alles das? Als weil eine Fräulein glücklich seyn könn- te, und nicht glücklich seyn will. Was für Pol- tern ist hier, wo sonst alles so ruhig zugieng.
Sie fuhr fort mit sich selbst zu reden. Jch hörte so geduldig zu als ich konnte, und warte- te, wenn sie ihr einseitiges Gespräch endigen wür- de, indem ich wohl merckte, daß sie keine erfreu- liche Votschafft an mich auszurichten hatte.
Sie kehrte sich endlich zu mir, und sagte: ich muß thun, was mir befohlen ist. Seyn sie nicht ungnädig, Fräulein. Jch muß ihre Fe- dern und Dinte hinunter bringen, und zwar den Augenblick.
Auf wessen Befehl?
Auf ihrer Eltern Befehl!
Wie soll ich das mit Gewißheit wissen?
Sie wollte nach meinem Closet gehen! ich
ging
A a 3
der Clariſſa.
Jch lief nach meiner Stube hinauf, daß ich auſſer Athem kam, und verſchloß mich.
Jn einer kleinen Viertheil-Stunde kamEli- ſabeth herauf. Jch machte ihr auf, als ſie an- klopfte und zugleich (auch bey nahe auſſer Athem) mich bat, ſie einzulaſſen.
GOtt erbarme ſich unſer! (ſagte ſie) Was vor eine Verwirrung im Hauſe! (auf und nie- der ging ſie, und wehete ſich mit dem Schnupf- tuch.) Solche boͤſe erzuͤrnte Herrſchafft! Sol- che eigenſinnige Fraͤuleins! Solch ein demuͤthi- ger Liebhaber! Solche erbitterte Onckles! Sol- che ‒ ‒ Ach mein Hertz, mein Hertz! Was fuͤr ein verkehrtes Haus iſt das! Und warum alles das? Als weil eine Fraͤulein gluͤcklich ſeyn koͤnn- te, und nicht gluͤcklich ſeyn will. Was fuͤr Pol- tern iſt hier, wo ſonſt alles ſo ruhig zugieng.
Sie fuhr fort mit ſich ſelbſt zu reden. Jch hoͤrte ſo geduldig zu als ich konnte, und warte- te, wenn ſie ihr einſeitiges Geſpraͤch endigen wuͤr- de, indem ich wohl merckte, daß ſie keine erfreu- liche Votſchafft an mich auszurichten hatte.
Sie kehrte ſich endlich zu mir, und ſagte: ich muß thun, was mir befohlen iſt. Seyn ſie nicht ungnaͤdig, Fraͤulein. Jch muß ihre Fe- dern und Dinte hinunter bringen, und zwar den Augenblick.
Auf weſſen Befehl?
Auf ihrer Eltern Befehl!
Wie ſoll ich das mit Gewißheit wiſſen?
Sie wollte nach meinem Cloſet gehen! ich
ging
A a 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0379"n="373"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/><p>Jch lief nach meiner Stube hinauf, daß ich<lb/>
auſſer Athem kam, und verſchloß mich.</p><lb/><p>Jn einer kleinen Viertheil-Stunde kam<hirendition="#fr">Eli-<lb/>ſabeth</hi> herauf. Jch machte ihr auf, als ſie an-<lb/>
klopfte und zugleich (auch bey nahe auſſer Athem)<lb/>
mich bat, ſie einzulaſſen.</p><lb/><p>GOtt erbarme ſich unſer! (ſagte ſie) Was<lb/>
vor eine Verwirrung im Hauſe! (auf und nie-<lb/>
der ging ſie, und wehete ſich mit dem Schnupf-<lb/>
tuch.) Solche boͤſe erzuͤrnte Herrſchafft! Sol-<lb/>
che eigenſinnige Fraͤuleins! Solch ein demuͤthi-<lb/>
ger Liebhaber! Solche erbitterte Onckles! Sol-<lb/>
che ‒‒ Ach mein Hertz, mein Hertz! Was fuͤr<lb/>
ein verkehrtes Haus iſt das! Und warum alles<lb/>
das? Als weil eine Fraͤulein gluͤcklich ſeyn koͤnn-<lb/>
te, und nicht gluͤcklich ſeyn will. Was fuͤr Pol-<lb/>
tern iſt hier, wo ſonſt alles ſo ruhig zugieng.</p><lb/><p>Sie fuhr fort mit ſich ſelbſt zu reden. Jch<lb/>
hoͤrte ſo geduldig zu als ich konnte, und warte-<lb/>
te, wenn ſie ihr einſeitiges Geſpraͤch endigen wuͤr-<lb/>
de, indem ich wohl merckte, daß ſie keine erfreu-<lb/>
liche Votſchafft an mich auszurichten hatte.</p><lb/><p>Sie kehrte ſich endlich zu mir, und ſagte: ich<lb/>
muß thun, was mir befohlen iſt. Seyn ſie<lb/>
nicht ungnaͤdig, Fraͤulein. Jch muß ihre Fe-<lb/>
dern und Dinte hinunter bringen, und zwar den<lb/>
Augenblick.</p><lb/><p>Auf weſſen Befehl?</p><lb/><p>Auf ihrer Eltern Befehl!</p><lb/><p>Wie ſoll ich das mit Gewißheit wiſſen?</p><lb/><p>Sie wollte nach meinem <hirendition="#fr">Cloſet</hi> gehen! ich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ging</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[373/0379]
der Clariſſa.
Jch lief nach meiner Stube hinauf, daß ich
auſſer Athem kam, und verſchloß mich.
Jn einer kleinen Viertheil-Stunde kamEli-
ſabeth herauf. Jch machte ihr auf, als ſie an-
klopfte und zugleich (auch bey nahe auſſer Athem)
mich bat, ſie einzulaſſen.
GOtt erbarme ſich unſer! (ſagte ſie) Was
vor eine Verwirrung im Hauſe! (auf und nie-
der ging ſie, und wehete ſich mit dem Schnupf-
tuch.) Solche boͤſe erzuͤrnte Herrſchafft! Sol-
che eigenſinnige Fraͤuleins! Solch ein demuͤthi-
ger Liebhaber! Solche erbitterte Onckles! Sol-
che ‒ ‒ Ach mein Hertz, mein Hertz! Was fuͤr
ein verkehrtes Haus iſt das! Und warum alles
das? Als weil eine Fraͤulein gluͤcklich ſeyn koͤnn-
te, und nicht gluͤcklich ſeyn will. Was fuͤr Pol-
tern iſt hier, wo ſonſt alles ſo ruhig zugieng.
Sie fuhr fort mit ſich ſelbſt zu reden. Jch
hoͤrte ſo geduldig zu als ich konnte, und warte-
te, wenn ſie ihr einſeitiges Geſpraͤch endigen wuͤr-
de, indem ich wohl merckte, daß ſie keine erfreu-
liche Votſchafft an mich auszurichten hatte.
Sie kehrte ſich endlich zu mir, und ſagte: ich
muß thun, was mir befohlen iſt. Seyn ſie
nicht ungnaͤdig, Fraͤulein. Jch muß ihre Fe-
dern und Dinte hinunter bringen, und zwar den
Augenblick.
Auf weſſen Befehl?
Auf ihrer Eltern Befehl!
Wie ſoll ich das mit Gewißheit wiſſen?
Sie wollte nach meinem Cloſet gehen! ich
ging
A a 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/379>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.