gen, noch sich rühmen könnte, daß ich ihm so zugethan gewesen wäre, als ich nach dem un- gütigen Urtheil meiner Freunde seyn sollte.
Sie sagte: er bilde sich viel auf seine Familie ein, und spreche von der unsrigen so geringschä- tzig, als wenn es für ihn zu niedrig wäre, eine Person aus unserer Familie zu heyrathen.
Jch antwortete: er müßte selbst ein sehr ver- ächtlicher Mensch seyn, wenn er in der That von einer Familie geringschätzig reden wollte, die eben so gut als seine eigene wäre, das eintzige ausge- nommen, daß er mit einem Lord verwant sey. Mich dünckte, daß der Adel mehr eine Schande als Ehre für solche sey, die durch eigene Vor- züge den Adel nicht eben so ehren als sie da- durch geehret werden. Der abgeschmackte Hoch- muth meines Bruders gereichte unserer Familie nicht zur Ehre, sondern setze sie allzu sehr unter andere herunter, nach welchem er sich überall ver- lauten liesse, daß er in den vornehmen Adel hinein heyrathen wollte. Das aber wüßte ich ge- wiß, daß ich von Herr Lovelaces Verstande eine eben so schlechte Meinung bekommen wür- de, als andere Leute von seiner Tugend hätten, wenn ich überzeugt werden könnte, daß er eines so niederträchtigen Hochmuths schuldig sey, und sich auf so zufällige und ihm fremde Vorzüge etwas einbildete.
Sie bestand darauf, daß er sich dergleichen Freyheiten herausgenommen habe, und versprach
mir
der Clariſſa.
gen, noch ſich ruͤhmen koͤnnte, daß ich ihm ſo zugethan geweſen waͤre, als ich nach dem un- guͤtigen Urtheil meiner Freunde ſeyn ſollte.
Sie ſagte: er bilde ſich viel auf ſeine Familie ein, und ſpreche von der unſrigen ſo geringſchaͤ- tzig, als wenn es fuͤr ihn zu niedrig waͤre, eine Perſon aus unſerer Familie zu heyrathen.
Jch antwortete: er muͤßte ſelbſt ein ſehr ver- aͤchtlicher Menſch ſeyn, wenn er in der That von einer Familie geringſchaͤtzig reden wollte, die eben ſo gut als ſeine eigene waͤre, das eintzige ausge- nommen, daß er mit einem Lord verwant ſey. Mich duͤnckte, daß der Adel mehr eine Schande als Ehre fuͤr ſolche ſey, die durch eigene Vor- zuͤge den Adel nicht eben ſo ehren als ſie da- durch geehret werden. Der abgeſchmackte Hoch- muth meines Bruders gereichte unſerer Familie nicht zur Ehre, ſondern ſetze ſie allzu ſehr unter andere herunter, nach welchem er ſich uͤberall ver- lauten lieſſe, daß er in den vornehmen Adel hinein heyrathen wollte. Das aber wuͤßte ich ge- wiß, daß ich von Herr Lovelaces Verſtande eine eben ſo ſchlechte Meinung bekommen wuͤr- de, als andere Leute von ſeiner Tugend haͤtten, wenn ich uͤberzeugt werden koͤnnte, daß er eines ſo niedertraͤchtigen Hochmuths ſchuldig ſey, und ſich auf ſo zufaͤllige und ihm fremde Vorzuͤge etwas einbildete.
Sie beſtand darauf, daß er ſich dergleichen Freyheiten herausgenommen habe, und verſprach
mir
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der Clariſſa.
gen, noch ſich ruͤhmen koͤnnte, daß ich ihm
ſo zugethan geweſen waͤre, als ich nach dem un-
guͤtigen Urtheil meiner Freunde ſeyn ſollte.
Sie ſagte: er bilde ſich viel auf ſeine Familie
ein, und ſpreche von der unſrigen ſo geringſchaͤ-
tzig, als wenn es fuͤr ihn zu niedrig waͤre, eine
Perſon aus unſerer Familie zu heyrathen.
Jch antwortete: er muͤßte ſelbſt ein ſehr ver-
aͤchtlicher Menſch ſeyn, wenn er in der That von
einer Familie geringſchaͤtzig reden wollte, die eben
ſo gut als ſeine eigene waͤre, das eintzige ausge-
nommen, daß er mit einem Lord verwant ſey.
Mich duͤnckte, daß der Adel mehr eine Schande
als Ehre fuͤr ſolche ſey, die durch eigene Vor-
zuͤge den Adel nicht eben ſo ehren als ſie da-
durch geehret werden. Der abgeſchmackte Hoch-
muth meines Bruders gereichte unſerer Familie
nicht zur Ehre, ſondern ſetze ſie allzu ſehr unter
andere herunter, nach welchem er ſich uͤberall ver-
lauten lieſſe, daß er in den vornehmen Adel
hinein heyrathen wollte. Das aber wuͤßte ich ge-
wiß, daß ich von Herr Lovelaces Verſtande
eine eben ſo ſchlechte Meinung bekommen wuͤr-
de, als andere Leute von ſeiner Tugend haͤtten,
wenn ich uͤberzeugt werden koͤnnte, daß er eines
ſo niedertraͤchtigen Hochmuths ſchuldig ſey, und
ſich auf ſo zufaͤllige und ihm fremde Vorzuͤge
etwas einbildete.
Sie beſtand darauf, daß er ſich dergleichen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/371>, abgerufen am 25.11.2024.
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