Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
wäre kein Auskommen mit mir. Jch würde
gewiß diese beyde Herren gäntzlich zum Stille-
schweigen gebracht haben, wenn mein Bruder
ihnen nicht zu Hülfe gekommen wäre.

Dieses war seine wunderliche Anrede, so bald
er mit funckelnden Augen in die Stube trat:
ich sehe, daß das plauderhafte Mädchen euch al-
le stumm gemacht hat. Fahren sie fort zu lesen,
Herr Solmes. Jch habe alle Worte gehört,
die meine Schwester sagte. Jch weiß kein an-
deres Mittel mit ihr auszukommen, als daß sie
meiner Schwester, wenn sie ihnen angetrauet ist,
ihre Herrschaft über sie eben so empfindlich zu
fühlen geben, als sie jetzt ihre Unverschämtheit
und Grobheit empfinden müssen.

Phy, Vetter! sagte meine Base. Wer sol-
te glauben, daß ein Bruder von seiner Schwe-
ster so zu einem andern Herrn reden würde.

Er antwortete: sie machen meine rebellische
Schwester nur trotziger. Es scheint, daß sie
den Hochmuth ihres Geschlechts allzugütig ent-
schuldigen. Sie würde sich sonst nicht unter-
standen haben, ihrem Onckle durch empfindliche
Reden den Mund zu stopfen; oder es einem
Cavallier zu verbieten, daß er sie vor der Gefahr
warnete, in der sie sich befindet, da sie (wie es
nunmehr am Tage liegt) einen Bösewicht zum
Beschützer gegen ihre Anverwanten annehmen
will.

Habe ich meinem Onckle den Mund
durch empfindliche Reden gestopft/
Bru-

der?

der Clariſſa.
waͤre kein Auskommen mit mir. Jch wuͤrde
gewiß dieſe beyde Herren gaͤntzlich zum Stille-
ſchweigen gebracht haben, wenn mein Bruder
ihnen nicht zu Huͤlfe gekommen waͤre.

Dieſes war ſeine wunderliche Anrede, ſo bald
er mit funckelnden Augen in die Stube trat:
ich ſehe, daß das plauderhafte Maͤdchen euch al-
le ſtumm gemacht hat. Fahren ſie fort zu leſen,
Herr Solmes. Jch habe alle Worte gehoͤrt,
die meine Schweſter ſagte. Jch weiß kein an-
deres Mittel mit ihr auszukommen, als daß ſie
meiner Schweſter, wenn ſie ihnen angetrauet iſt,
ihre Herrſchaft uͤber ſie eben ſo empfindlich zu
fuͤhlen geben, als ſie jetzt ihre Unverſchaͤmtheit
und Grobheit empfinden muͤſſen.

Phy, Vetter! ſagte meine Baſe. Wer ſol-
te glauben, daß ein Bruder von ſeiner Schwe-
ſter ſo zu einem andern Herrn reden wuͤrde.

Er antwortete: ſie machen meine rebelliſche
Schweſter nur trotziger. Es ſcheint, daß ſie
den Hochmuth ihres Geſchlechts allzuguͤtig ent-
ſchuldigen. Sie wuͤrde ſich ſonſt nicht unter-
ſtanden haben, ihrem Onckle durch empfindliche
Reden den Mund zu ſtopfen; oder es einem
Cavallier zu verbieten, daß er ſie vor der Gefahr
warnete, in der ſie ſich befindet, da ſie (wie es
nunmehr am Tage liegt) einen Boͤſewicht zum
Beſchuͤtzer gegen ihre Anverwanten annehmen
will.

Habe ich meinem Onckle den Mund
durch empfindliche Reden geſtopft/
Bru-

der?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0357" n="351"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
wa&#x0364;re kein Auskommen mit mir. Jch wu&#x0364;rde<lb/>
gewiß die&#x017F;e beyde Herren ga&#x0364;ntzlich zum Stille-<lb/>
&#x017F;chweigen gebracht haben, wenn mein Bruder<lb/>
ihnen nicht zu Hu&#x0364;lfe gekommen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es war &#x017F;eine wunderliche Anrede, &#x017F;o bald<lb/>
er mit funckelnden Augen in die Stube trat:<lb/>
ich &#x017F;ehe, daß das plauderhafte Ma&#x0364;dchen euch al-<lb/>
le &#x017F;tumm gemacht hat. Fahren &#x017F;ie fort zu le&#x017F;en,<lb/>
Herr <hi rendition="#fr">Solmes.</hi> Jch habe alle Worte geho&#x0364;rt,<lb/>
die meine Schwe&#x017F;ter &#x017F;agte. Jch weiß kein an-<lb/>
deres Mittel mit ihr auszukommen, als daß &#x017F;ie<lb/>
meiner Schwe&#x017F;ter, wenn &#x017F;ie ihnen angetrauet i&#x017F;t,<lb/>
ihre Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber &#x017F;ie eben &#x017F;o empfindlich zu<lb/>
fu&#x0364;hlen geben, als &#x017F;ie jetzt ihre Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit<lb/>
und Grobheit empfinden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Phy, Vetter! &#x017F;agte meine Ba&#x017F;e. Wer &#x017F;ol-<lb/>
te glauben, daß ein Bruder von &#x017F;einer Schwe-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;o zu einem andern Herrn reden wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Er antwortete: &#x017F;ie machen meine rebelli&#x017F;che<lb/>
Schwe&#x017F;ter nur trotziger. Es &#x017F;cheint, daß &#x017F;ie<lb/>
den Hochmuth ihres Ge&#x017F;chlechts allzugu&#x0364;tig ent-<lb/>
&#x017F;chuldigen. Sie wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t nicht unter-<lb/>
&#x017F;tanden haben, ihrem Onckle durch empfindliche<lb/>
Reden den Mund zu &#x017F;topfen; oder es einem<lb/>
Cavallier zu verbieten, daß er &#x017F;ie vor der Gefahr<lb/>
warnete, in der &#x017F;ie &#x017F;ich befindet, da &#x017F;ie (wie es<lb/>
nunmehr am Tage liegt) einen Bo&#x0364;&#x017F;ewicht zum<lb/>
Be&#x017F;chu&#x0364;tzer gegen ihre Anverwanten annehmen<lb/>
will.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Habe ich meinem Onckle den Mund<lb/>
durch empfindliche Reden ge&#x017F;topft/</hi> Bru-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der?</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0357] der Clariſſa. waͤre kein Auskommen mit mir. Jch wuͤrde gewiß dieſe beyde Herren gaͤntzlich zum Stille- ſchweigen gebracht haben, wenn mein Bruder ihnen nicht zu Huͤlfe gekommen waͤre. Dieſes war ſeine wunderliche Anrede, ſo bald er mit funckelnden Augen in die Stube trat: ich ſehe, daß das plauderhafte Maͤdchen euch al- le ſtumm gemacht hat. Fahren ſie fort zu leſen, Herr Solmes. Jch habe alle Worte gehoͤrt, die meine Schweſter ſagte. Jch weiß kein an- deres Mittel mit ihr auszukommen, als daß ſie meiner Schweſter, wenn ſie ihnen angetrauet iſt, ihre Herrſchaft uͤber ſie eben ſo empfindlich zu fuͤhlen geben, als ſie jetzt ihre Unverſchaͤmtheit und Grobheit empfinden muͤſſen. Phy, Vetter! ſagte meine Baſe. Wer ſol- te glauben, daß ein Bruder von ſeiner Schwe- ſter ſo zu einem andern Herrn reden wuͤrde. Er antwortete: ſie machen meine rebelliſche Schweſter nur trotziger. Es ſcheint, daß ſie den Hochmuth ihres Geſchlechts allzuguͤtig ent- ſchuldigen. Sie wuͤrde ſich ſonſt nicht unter- ſtanden haben, ihrem Onckle durch empfindliche Reden den Mund zu ſtopfen; oder es einem Cavallier zu verbieten, daß er ſie vor der Gefahr warnete, in der ſie ſich befindet, da ſie (wie es nunmehr am Tage liegt) einen Boͤſewicht zum Beſchuͤtzer gegen ihre Anverwanten annehmen will. Habe ich meinem Onckle den Mund durch empfindliche Reden geſtopft/ Bru- der?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/357
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/357>, abgerufen am 25.11.2024.