Tugendhaft! sagte einer von Jhnen. Ein gutes frommes Wort! Himmel wo hat es so lange gelegen? Der Teufel hole mich/ wenn ich es je in dem Zusammenhang gehört habe/ seit dem ich auf der Universität gewe- sen bin. Zwantzig unter uns haben sich oft darum gestritten/ ob es nicht ein verjährtes altfränckisches Wort sey.
Das ist für Sie, mein Hertz. Von der Art sind Lowelaces Freunde. Belieben Sie sich dieses zu mercken.
Hickman sagte, diese Ausdrücke hätten ihn ausser sich gesetzt.
Jch sahe ihn starre an, und meine Augen ga- ben ihm etwas zu verstehn, daß er wohl verstand. Er ward von neuen ausser sich gesetzt.
Fällt Jhnen die Person nicht bey, die einen jungen Herrn, der sich der Kirche gewidmet hatte, und gestand, man könne ihn leicht in Verwirrung setzen, wenn er eben in freyer Gesellschaft gewesen, antwortete: Es sey dies ein schlechtes Zeichen; und scheine von einer nicht genugsam be- währten Tugend her zu rühren. Das an ihm befindliche Gute, möge vielleicht mehr die Frucht einer guten Erziehung/ als die Würckung einer wohl überlegten Wahl und tief eingewurtzelten Einsicht seyn. Wissen Sie noch, daß eben dieses Frauenzimmer ihm die Lehre gab: Er solle dem Laster wider- stehn/ und es zu beschämen suchen: Hinge- gen in allen Gesellschaften der Vormund
der
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der Clariſſa.
Tugendhaft! ſagte einer von Jhnen. Ein gutes frommes Wort! Himmel wo hat es ſo lange gelegen? Der Teufel hole mich/ wenn ich es je in dem Zuſammenhang gehoͤrt habe/ ſeit dem ich auf der Univerſitaͤt gewe- ſen bin. Zwantzig unter uns haben ſich oft darum geſtritten/ ob es nicht ein verjaͤhrtes altfraͤnckiſches Wort ſey.
Das iſt fuͤr Sie, mein Hertz. Von der Art ſind Lowelaces Freunde. Belieben Sie ſich dieſes zu mercken.
Hickman ſagte, dieſe Ausdruͤcke haͤtten ihn auſſer ſich geſetzt.
Jch ſahe ihn ſtarre an, und meine Augen ga- ben ihm etwas zu verſtehn, daß er wohl verſtand. Er ward von neuen auſſer ſich geſetzt.
Faͤllt Jhnen die Perſon nicht bey, die einen jungen Herrn, der ſich der Kirche gewidmet hatte, und geſtand, man koͤnne ihn leicht in Verwirrung ſetzen, wenn er eben in freyer Geſellſchaft geweſen, antwortete: Es ſey dies ein ſchlechtes Zeichen; und ſcheine von einer nicht genugſam be- waͤhrten Tugend her zu ruͤhren. Das an ihm befindliche Gute, moͤge vielleicht mehr die Frucht einer guten Erziehung/ als die Wuͤrckung einer wohl uͤberlegten Wahl und tief eingewurtzelten Einſicht ſeyn. Wiſſen Sie noch, daß eben dieſes Frauenzimmer ihm die Lehre gab: Er ſolle dem Laſter wider- ſtehn/ und es zu beſchaͤmen ſuchen: Hinge- gen in allen Geſellſchaften der Vormund
der
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der Clariſſa.
Tugendhaft! ſagte einer von Jhnen. Ein
gutes frommes Wort! Himmel wo hat es
ſo lange gelegen? Der Teufel hole mich/
wenn ich es je in dem Zuſammenhang gehoͤrt
habe/ ſeit dem ich auf der Univerſitaͤt gewe-
ſen bin. Zwantzig unter uns haben ſich oft
darum geſtritten/ ob es nicht ein verjaͤhrtes
altfraͤnckiſches Wort ſey.
Das iſt fuͤr Sie, mein Hertz. Von der Art
ſind Lowelaces Freunde. Belieben Sie ſich
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Hickman ſagte, dieſe Ausdruͤcke haͤtten ihn
auſſer ſich geſetzt.
Jch ſahe ihn ſtarre an, und meine Augen ga-
ben ihm etwas zu verſtehn, daß er wohl verſtand.
Er ward von neuen auſſer ſich geſetzt.
Faͤllt Jhnen die Perſon nicht bey, die einen
jungen Herrn, der ſich der Kirche gewidmet hatte,
und geſtand, man koͤnne ihn leicht in Verwirrung
ſetzen, wenn er eben in freyer Geſellſchaft geweſen,
antwortete: Es ſey dies ein ſchlechtes Zeichen;
und ſcheine von einer nicht genugſam be-
waͤhrten Tugend her zu ruͤhren. Das an
ihm befindliche Gute, moͤge vielleicht mehr
die Frucht einer guten Erziehung/ als
die Wuͤrckung einer wohl uͤberlegten Wahl
und tief eingewurtzelten Einſicht ſeyn.
Wiſſen Sie noch, daß eben dieſes Frauenzimmer
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/31>, abgerufen am 24.11.2024.
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