"he, daß sich meine Familie jemahls mit ihm aus- "sohnen wird?
"Blos um sein selbst willen/ und aus kei- "ner andern Ursache, wünschte ich ihm eine rich- "tigere und edlere Art zu dencken und zu han- "deln; denn ich verachtete manche Künste von "Hertzen, die er sich für erlaubt hielte, Unsere "Gemüther wären demnach unendlich verschie- "den. Was seine versprochene Besserung anbe- "langte, so müßte ich ihm gestehen, daß ich das "allzuhäufige Bekenntniß eigener Fehler ohne "Besserung blos für eine Gefälligkeit ansehe, "dadurch man andern den Mund zu stopfen su- "che. Jhm möchte dieses vielleicht ungemein "leichter seyn, als sich zu bessern, oder sich zu "vertheidigen.
"Jch hätte vor kurtzem gehört (das ist auch in der That so: Elisabeth hat es mir erzählt, und die hat es von meinem Bruder gehört) "daß er sich die thörichte Freyheit herausnehme, "von dem Ehestande verächtlich zu reden. Jch "spreche hievon sehr ernstlich mit ihm, und fra- "ge ihn: in welcher Absicht er sich eine so mat- "te, eine so verächtliche Freyheit herausnehmen "könne, die sich nur für die liederlichsten Leute "schicke? und sich dennoch unterstehe, sich um "mich zu bewerben?
"Jch sage ihm, wenn ich auch gleich nach mei- "nem Onckle Anton reisete, so folgt daraus "noch nicht, daß ich nothwendig Herrn Solmes "heyrathen müßte. Denn ich wäre nicht ver-
"sichert
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der Clariſſa.
„he, daß ſich meine Familie jemahls mit ihm aus- „ſohnen wird?
„Blos um ſein ſelbſt willen/ und aus kei- „ner andern Urſache, wuͤnſchte ich ihm eine rich- „tigere und edlere Art zu dencken und zu han- „deln; denn ich verachtete manche Kuͤnſte von „Hertzen, die er ſich fuͤr erlaubt hielte, Unſere „Gemuͤther waͤren demnach unendlich verſchie- „den. Was ſeine verſprochene Beſſerung anbe- „langte, ſo muͤßte ich ihm geſtehen, daß ich das „allzuhaͤufige Bekenntniß eigener Fehler ohne „Beſſerung blos fuͤr eine Gefaͤlligkeit anſehe, „dadurch man andern den Mund zu ſtopfen ſu- „che. Jhm moͤchte dieſes vielleicht ungemein „leichter ſeyn, als ſich zu beſſern, oder ſich zu „vertheidigen.
„Jch haͤtte vor kurtzem gehoͤrt (das iſt auch in der That ſo: Eliſabeth hat es mir erzaͤhlt, und die hat es von meinem Bruder gehoͤrt) „daß er ſich die thoͤrichte Freyheit herausnehme, „von dem Eheſtande veraͤchtlich zu reden. Jch „ſpreche hievon ſehr ernſtlich mit ihm, und fra- „ge ihn: in welcher Abſicht er ſich eine ſo mat- „te, eine ſo veraͤchtliche Freyheit herausnehmen „koͤnne, die ſich nur fuͤr die liederlichſten Leute „ſchicke? und ſich dennoch unterſtehe, ſich um „mich zu bewerben?
„Jch ſage ihm, wenn ich auch gleich nach mei- „nem Onckle Anton reiſete, ſo folgt daraus „noch nicht, daß ich nothwendig Herrn Solmes „heyrathen muͤßte. Denn ich waͤre nicht ver-
„ſichert
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der Clariſſa.
„he, daß ſich meine Familie jemahls mit ihm aus-
„ſohnen wird?
„Blos um ſein ſelbſt willen/ und aus kei-
„ner andern Urſache, wuͤnſchte ich ihm eine rich-
„tigere und edlere Art zu dencken und zu han-
„deln; denn ich verachtete manche Kuͤnſte von
„Hertzen, die er ſich fuͤr erlaubt hielte, Unſere
„Gemuͤther waͤren demnach unendlich verſchie-
„den. Was ſeine verſprochene Beſſerung anbe-
„langte, ſo muͤßte ich ihm geſtehen, daß ich das
„allzuhaͤufige Bekenntniß eigener Fehler ohne
„Beſſerung blos fuͤr eine Gefaͤlligkeit anſehe,
„dadurch man andern den Mund zu ſtopfen ſu-
„che. Jhm moͤchte dieſes vielleicht ungemein
„leichter ſeyn, als ſich zu beſſern, oder ſich zu
„vertheidigen.
„Jch haͤtte vor kurtzem gehoͤrt (das iſt auch in
der That ſo: Eliſabeth hat es mir erzaͤhlt,
und die hat es von meinem Bruder gehoͤrt)
„daß er ſich die thoͤrichte Freyheit herausnehme,
„von dem Eheſtande veraͤchtlich zu reden. Jch
„ſpreche hievon ſehr ernſtlich mit ihm, und fra-
„ge ihn: in welcher Abſicht er ſich eine ſo mat-
„te, eine ſo veraͤchtliche Freyheit herausnehmen
„koͤnne, die ſich nur fuͤr die liederlichſten Leute
„ſchicke? und ſich dennoch unterſtehe, ſich um
„mich zu bewerben?
„Jch ſage ihm, wenn ich auch gleich nach mei-
„nem Onckle Anton reiſete, ſo folgt daraus
„noch nicht, daß ich nothwendig Herrn Solmes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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