erhalten. Nein, nicht eine Zeile! Am Mitte- wochen habe ich meinen Brief für ihn hingelegt, und er blieb bis gegen Abend liegen. Jch weiß nicht um welche Zeit er gestern weggenommen ist, denn ich habe nicht eher als gegen Abend darnach gesehen, und da fand ich ihn nicht mehr. Heute um zehn Uhr habe ich noch keine Antwort. Jch glaube, daß er eben so verdrießlich ist, als ich. Es sey denn so! ich bin damit zufrieden.
Er kan wohl so niederträchtig seyn, daß er Lust hat, sich künftig wegen alles Verdrusses, den ich ihm gemacht habe, an mir zu rächen, wenn ich ihm eine Rache möglich machte. Allein die- ses soll nimmer geschehen: den Vorsatz habe ich nun gefasset.
Jch sehe es, was für eine Art Mannes die- ser immer weiter greiffende Mensch ist. Jch hoffe wir sind einander beyde müde. Mein Hertz ist jetzt bekümmert-ruhig/ wenn ich anders ein solches Wort machen darf. Bekümmert ist es über die bevorstehende Unterredung mit Herrn Solmes und über die Folgen so daraus entstehen können. Sonst würde ich gantz ruhig seyn. Denn ich habe die üble Begegnung der Meinigen nicht verdient: und wenn ich mich nur so gut von Solmes losmachen könnte, als ich glaube von Lovelacen los zu seyn, so wür- den meine Geschwister nicht lange meinen Va- ter, Mutter und Onckles mir abgeneigt und zu- wider machen können.
Jn der einen Ecke des Bündels sind fünf
Gui-
Die Geſchichte
erhalten. Nein, nicht eine Zeile! Am Mitte- wochen habe ich meinen Brief fuͤr ihn hingelegt, und er blieb bis gegen Abend liegen. Jch weiß nicht um welche Zeit er geſtern weggenommen iſt, denn ich habe nicht eher als gegen Abend darnach geſehen, und da fand ich ihn nicht mehr. Heute um zehn Uhr habe ich noch keine Antwort. Jch glaube, daß er eben ſo verdrießlich iſt, als ich. Es ſey denn ſo! ich bin damit zufrieden.
Er kan wohl ſo niedertraͤchtig ſeyn, daß er Luſt hat, ſich kuͤnftig wegen alles Verdruſſes, den ich ihm gemacht habe, an mir zu raͤchen, wenn ich ihm eine Rache moͤglich machte. Allein die- ſes ſoll nimmer geſchehen: den Vorſatz habe ich nun gefaſſet.
Jch ſehe es, was fuͤr eine Art Mannes die- ſer immer weiter greiffende Menſch iſt. Jch hoffe wir ſind einander beyde muͤde. Mein Hertz iſt jetzt bekuͤmmert-ruhig/ wenn ich anders ein ſolches Wort machen darf. Bekuͤmmert iſt es uͤber die bevorſtehende Unterredung mit Herrn Solmes und uͤber die Folgen ſo daraus entſtehen koͤnnen. Sonſt wuͤrde ich gantz ruhig ſeyn. Denn ich habe die uͤble Begegnung der Meinigen nicht verdient: und wenn ich mich nur ſo gut von Solmes losmachen koͤnnte, als ich glaube von Lovelacen los zu ſeyn, ſo wuͤr- den meine Geſchwiſter nicht lange meinen Va- ter, Mutter und Onckles mir abgeneigt und zu- wider machen koͤnnen.
Jn der einen Ecke des Buͤndels ſind fuͤnf
Gui-
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Die Geſchichte
erhalten. Nein, nicht eine Zeile! Am Mitte-
wochen habe ich meinen Brief fuͤr ihn hingelegt,
und er blieb bis gegen Abend liegen. Jch weiß
nicht um welche Zeit er geſtern weggenommen
iſt, denn ich habe nicht eher als gegen Abend
darnach geſehen, und da fand ich ihn nicht mehr.
Heute um zehn Uhr habe ich noch keine Antwort.
Jch glaube, daß er eben ſo verdrießlich iſt, als
ich. Es ſey denn ſo! ich bin damit zufrieden.
Er kan wohl ſo niedertraͤchtig ſeyn, daß er
Luſt hat, ſich kuͤnftig wegen alles Verdruſſes,
den ich ihm gemacht habe, an mir zu raͤchen, wenn
ich ihm eine Rache moͤglich machte. Allein die-
ſes ſoll nimmer geſchehen: den Vorſatz habe ich
nun gefaſſet.
Jch ſehe es, was fuͤr eine Art Mannes die-
ſer immer weiter greiffende Menſch iſt. Jch
hoffe wir ſind einander beyde muͤde. Mein Hertz
iſt jetzt bekuͤmmert-ruhig/ wenn ich anders
ein ſolches Wort machen darf. Bekuͤmmert
iſt es uͤber die bevorſtehende Unterredung mit
Herrn Solmes und uͤber die Folgen ſo daraus
entſtehen koͤnnen. Sonſt wuͤrde ich gantz ruhig
ſeyn. Denn ich habe die uͤble Begegnung der
Meinigen nicht verdient: und wenn ich mich
nur ſo gut von Solmes losmachen koͤnnte, als
ich glaube von Lovelacen los zu ſeyn, ſo wuͤr-
den meine Geſchwiſter nicht lange meinen Va-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/250>, abgerufen am 25.11.2024.
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