Dame sich zu solchen Räncken herunter lassen kön- nen, als ich in diesem Briefe, und in einigen Unter- redungen, von denen Sie mich benachrichtigen, finde. Sehen Sie nicht, was ein ungestümer Kopf durch Plagen und mürrisches Wesen von einem gütigen Hertzen erzwingen kann?
Jch kenne den Hochmuth, den sie darin bli- cken lassen, daß sie Sie stets mit Jhrem Ge- schlechts-Nahmen, Harlowe benennen. Cla- rissa Harlowe! So voll Complimente, und so gesetzt in jedem Worte, wenn sie ernsthaft oder viel- mehr stoltz, und prächtig sind. Dies hat Jhre Frau Mutter von ihnen angenommen. Sie hat sich ge- wöhnen müssen, wie in der Ehe also auch in Wil- len und Anschlägen ihren eigenen Geschlechts-Na- men unter jenen zu vergraben. Oft ist es mir vor- gekommen, als wenn eben derselbe Geist die Jh- rigen bey so gezwungenen Reden, und anderen von gleicher Art (z. E. Harlow-Burg, ob es gleich kein Gut des ältesten Bruders, auch kein vom Vater kommendes Gut ist) regierte, der ehe- mals den Tyrann Tudor(*) besaß. Da dieser die Erbin des Hauses Jorck/ Elisabeth, hey- rathete, bahnte er sich hiedurch einen Weg zur Crone, den er als ein bloß natürllcher Zweig der Li- nie Lancaster sonst nicht gehabt hätte: dabey war er gegen sie ein mürrischer und übelgesinneter Gemahl: bloß weil er ihr ein Glück zu dancken hatte, welches jemanden schuldig zu seyn seinem Hochmuth uner-
träglich
(*) Heinrich den VII.
Zweyter Theil. B
der Clariſſa.
Dame ſich zu ſolchen Raͤncken herunter laſſen koͤn- nen, als ich in dieſem Briefe, und in einigen Unter- redungen, von denen Sie mich benachrichtigen, finde. Sehen Sie nicht, was ein ungeſtuͤmer Kopf durch Plagen und muͤrriſches Weſen von einem guͤtigen Hertzen erzwingen kann?
Jch kenne den Hochmuth, den ſie darin bli- cken laſſen, daß ſie Sie ſtets mit Jhrem Ge- ſchlechts-Nahmen, Harlowe benennen. Cla- riſſa Harlowe! So voll Complimente, und ſo geſetzt in jedem Worte, wenn ſie ernſthaft oder viel- mehr ſtoltz, und praͤchtig ſind. Dies hat Jhre Frau Mutter von ihnen angenommen. Sie hat ſich ge- woͤhnen muͤſſen, wie in der Ehe alſo auch in Wil- len und Anſchlaͤgen ihren eigenen Geſchlechts-Na- men unter jenen zu vergraben. Oft iſt es mir vor- gekommen, als wenn eben derſelbe Geiſt die Jh- rigen bey ſo gezwungenen Reden, und anderen von gleicher Art (z. E. Harlow-Burg, ob es gleich kein Gut des aͤlteſten Bruders, auch kein vom Vater kommendes Gut iſt) regierte, der ehe- mals den Tyrann Tudor(*) beſaß. Da dieſer die Erbin des Hauſes Jorck/ Eliſabeth, hey- rathete, bahnte er ſich hiedurch einen Weg zur Crone, den er als ein bloß natuͤrllcher Zweig der Li- nie Lancaſter ſonſt nicht gehabt haͤtte: dabey war er gegen ſie ein muͤrriſcher und uͤbelgeſiñeter Gemahl: bloß weil er ihr ein Gluͤck zu dancken hatte, welches jemanden ſchuldig zu ſeyn ſeinem Hochmuth uner-
traͤglich
(*) Heinrich den VII.
Zweyter Theil. B
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[17/0023]
der Clariſſa.
Dame ſich zu ſolchen Raͤncken herunter laſſen koͤn-
nen, als ich in dieſem Briefe, und in einigen Unter-
redungen, von denen Sie mich benachrichtigen,
finde. Sehen Sie nicht, was ein ungeſtuͤmer
Kopf durch Plagen und muͤrriſches Weſen von
einem guͤtigen Hertzen erzwingen kann?
Jch kenne den Hochmuth, den ſie darin bli-
cken laſſen, daß ſie Sie ſtets mit Jhrem Ge-
ſchlechts-Nahmen, Harlowe benennen. Cla-
riſſa Harlowe! So voll Complimente, und ſo
geſetzt in jedem Worte, wenn ſie ernſthaft oder viel-
mehr ſtoltz, und praͤchtig ſind. Dies hat Jhre Frau
Mutter von ihnen angenommen. Sie hat ſich ge-
woͤhnen muͤſſen, wie in der Ehe alſo auch in Wil-
len und Anſchlaͤgen ihren eigenen Geſchlechts-Na-
men unter jenen zu vergraben. Oft iſt es mir vor-
gekommen, als wenn eben derſelbe Geiſt die Jh-
rigen bey ſo gezwungenen Reden, und anderen von
gleicher Art (z. E. Harlow-Burg, ob es
gleich kein Gut des aͤlteſten Bruders, auch kein
vom Vater kommendes Gut iſt) regierte, der ehe-
mals den Tyrann Tudor (*) beſaß. Da dieſer
die Erbin des Hauſes Jorck/ Eliſabeth, hey-
rathete, bahnte er ſich hiedurch einen Weg zur
Crone, den er als ein bloß natuͤrllcher Zweig der Li-
nie Lancaſter ſonſt nicht gehabt haͤtte: dabey war er
gegen ſie ein muͤrriſcher und uͤbelgeſiñeter Gemahl:
bloß weil er ihr ein Gluͤck zu dancken hatte, welches
jemanden ſchuldig zu ſeyn ſeinem Hochmuth uner-
traͤglich
(*) Heinrich den VII.
Zweyter Theil. B
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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