Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
durch den Tod der seeligen Frau so gerührt; und
meine Mutter, die noch keine Ursache hat, sich
aus der Welt weg zu sehnen, war durch diesen
Anblick so unpaß geworden; daß ich ohnmöglich
früh genug schreiben konnte, daß Robert den
Brief noch vor Abends hätte bestellen können.

Jch habe mich nun wieder erhohlt, und mei-
ne Mutter hat gleichfalls eine gute Nacht ge-
habt. Jch bin daher mit dem Tage aufgestan-
den, diesen Brief so früh zu schreiben, daß Sie
ihn schon finden möchten, wenn Sie nach dem
Früh-Stück ein wenig in die Luft gehen. Denn
ich wollte Sie gern so wenig als möglich ist war-
ten lassen.

Jch gedencke bald noch einen Brief zu schrei-
ben. Jch will jemand auszufinden suchen, durch
den ich Herrn Lovelaces Aufführung in sei-
nem Wirths-Hause unmittelbar und aus der er-
sten Hand erfahre. Einen so muntern Geist
muß man leicht ausforschen können.

Sie mögen zwar jetzt in Absicht auf seine Auf-
führung wohl gleichgültig seyn: denn Sie ba-
ten mich um Nachricht von ihm, ehe er noch sei-
ne Tod-Sünde gegen Sie begangen hatte.
Jch will mich aber dennoch erkundigen, und ich
glaube, daß dasjenige, was ich in Erfahrung
bringen werde, Sie in Jhrer Unversöhnlichkeit
bestärcken wird. Allein, wenn der arme Mann
(soll ich ihn nicht um Jhrentwillen ein we-
nig beklagen?) sich des grössesten Glücks berau-
bet sehen muß, das sich ein Mensch auf dem Erd-

boden
O 5

der Clariſſa.
durch den Tod der ſeeligen Frau ſo geruͤhrt; und
meine Mutter, die noch keine Urſache hat, ſich
aus der Welt weg zu ſehnen, war durch dieſen
Anblick ſo unpaß geworden; daß ich ohnmoͤglich
fruͤh genug ſchreiben konnte, daß Robert den
Brief noch vor Abends haͤtte beſtellen koͤnnen.

Jch habe mich nun wieder erhohlt, und mei-
ne Mutter hat gleichfalls eine gute Nacht ge-
habt. Jch bin daher mit dem Tage aufgeſtan-
den, dieſen Brief ſo fruͤh zu ſchreiben, daß Sie
ihn ſchon finden moͤchten, wenn Sie nach dem
Fruͤh-Stuͤck ein wenig in die Luft gehen. Denn
ich wollte Sie gern ſo wenig als moͤglich iſt war-
ten laſſen.

Jch gedencke bald noch einen Brief zu ſchrei-
ben. Jch will jemand auszufinden ſuchen, durch
den ich Herrn Lovelaces Auffuͤhrung in ſei-
nem Wirths-Hauſe unmittelbar und aus der er-
ſten Hand erfahre. Einen ſo muntern Geiſt
muß man leicht ausforſchen koͤnnen.

Sie moͤgen zwar jetzt in Abſicht auf ſeine Auf-
fuͤhrung wohl gleichguͤltig ſeyn: denn Sie ba-
ten mich um Nachricht von ihm, ehe er noch ſei-
ne Tod-Suͤnde gegen Sie begangen hatte.
Jch will mich aber dennoch erkundigen, und ich
glaube, daß dasjenige, was ich in Erfahrung
bringen werde, Sie in Jhrer Unverſoͤhnlichkeit
beſtaͤrcken wird. Allein, wenn der arme Mann
(ſoll ich ihn nicht um Jhrentwillen ein we-
nig beklagen?) ſich des groͤſſeſten Gluͤcks berau-
bet ſehen muß, das ſich ein Menſch auf dem Erd-

boden
O 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="217"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
durch den Tod der &#x017F;eeligen Frau &#x017F;o geru&#x0364;hrt; und<lb/>
meine Mutter, die noch keine Ur&#x017F;ache hat, &#x017F;ich<lb/>
aus der Welt weg zu &#x017F;ehnen, war durch die&#x017F;en<lb/>
Anblick &#x017F;o unpaß geworden; daß ich ohnmo&#x0364;glich<lb/>
fru&#x0364;h genug &#x017F;chreiben konnte, daß <hi rendition="#fr">Robert</hi> den<lb/>
Brief noch vor Abends ha&#x0364;tte be&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Jch habe mich nun wieder erhohlt, und mei-<lb/>
ne Mutter hat gleichfalls eine gute Nacht ge-<lb/>
habt. Jch bin daher mit dem Tage aufge&#x017F;tan-<lb/>
den, die&#x017F;en Brief &#x017F;o fru&#x0364;h zu &#x017F;chreiben, daß Sie<lb/>
ihn &#x017F;chon finden mo&#x0364;chten, wenn Sie nach dem<lb/>
Fru&#x0364;h-Stu&#x0364;ck ein wenig in die Luft gehen. Denn<lb/>
ich wollte Sie gern &#x017F;o wenig als mo&#x0364;glich i&#x017F;t war-<lb/>
ten la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch gedencke bald noch einen Brief zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben. Jch will jemand auszufinden &#x017F;uchen, durch<lb/>
den ich Herrn <hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> Auffu&#x0364;hrung in &#x017F;ei-<lb/>
nem Wirths-Hau&#x017F;e unmittelbar und aus der er-<lb/>
&#x017F;ten Hand erfahre. Einen &#x017F;o muntern Gei&#x017F;t<lb/>
muß man leicht ausfor&#x017F;chen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Sie mo&#x0364;gen zwar jetzt in Ab&#x017F;icht auf &#x017F;eine Auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung wohl gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn: denn Sie ba-<lb/>
ten mich um Nachricht von ihm, ehe er noch &#x017F;ei-<lb/>
ne <hi rendition="#fr">Tod-Su&#x0364;nde</hi> gegen Sie begangen hatte.<lb/>
Jch will mich aber dennoch erkundigen, und ich<lb/>
glaube, daß dasjenige, was ich in Erfahrung<lb/>
bringen werde, Sie in Jhrer Unver&#x017F;o&#x0364;hnlichkeit<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;rcken wird. Allein, wenn der <hi rendition="#fr">arme Mann</hi><lb/>
(&#x017F;oll ich ihn nicht <hi rendition="#fr">um Jhrentwillen</hi> ein we-<lb/>
nig beklagen?) &#x017F;ich des gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Glu&#x0364;cks berau-<lb/>
bet &#x017F;ehen muß, das &#x017F;ich ein Men&#x017F;ch auf dem Erd-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 5</fw><fw place="bottom" type="catch">boden</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0223] der Clariſſa. durch den Tod der ſeeligen Frau ſo geruͤhrt; und meine Mutter, die noch keine Urſache hat, ſich aus der Welt weg zu ſehnen, war durch dieſen Anblick ſo unpaß geworden; daß ich ohnmoͤglich fruͤh genug ſchreiben konnte, daß Robert den Brief noch vor Abends haͤtte beſtellen koͤnnen. Jch habe mich nun wieder erhohlt, und mei- ne Mutter hat gleichfalls eine gute Nacht ge- habt. Jch bin daher mit dem Tage aufgeſtan- den, dieſen Brief ſo fruͤh zu ſchreiben, daß Sie ihn ſchon finden moͤchten, wenn Sie nach dem Fruͤh-Stuͤck ein wenig in die Luft gehen. Denn ich wollte Sie gern ſo wenig als moͤglich iſt war- ten laſſen. Jch gedencke bald noch einen Brief zu ſchrei- ben. Jch will jemand auszufinden ſuchen, durch den ich Herrn Lovelaces Auffuͤhrung in ſei- nem Wirths-Hauſe unmittelbar und aus der er- ſten Hand erfahre. Einen ſo muntern Geiſt muß man leicht ausforſchen koͤnnen. Sie moͤgen zwar jetzt in Abſicht auf ſeine Auf- fuͤhrung wohl gleichguͤltig ſeyn: denn Sie ba- ten mich um Nachricht von ihm, ehe er noch ſei- ne Tod-Suͤnde gegen Sie begangen hatte. Jch will mich aber dennoch erkundigen, und ich glaube, daß dasjenige, was ich in Erfahrung bringen werde, Sie in Jhrer Unverſoͤhnlichkeit beſtaͤrcken wird. Allein, wenn der arme Mann (ſoll ich ihn nicht um Jhrentwillen ein we- nig beklagen?) ſich des groͤſſeſten Gluͤcks berau- bet ſehen muß, das ſich ein Menſch auf dem Erd- boden O 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/223
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/223>, abgerufen am 28.11.2024.