Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
auch Vater, Onckles, Bruder, Schwester, oder
wie er wollte, geheissen haben.

Meine Mutter meint, die Jhrigen würden
endlich die gantze Sache aufgeben, wenn sie al-
les versucht hätten, und befänden, daß sie nichts
bey Jhnen ausrichten könnten. Jch bin aber
ihrer Meinung nicht. Sie giebt nicht vor, daß
sie dieses von jemand gehört habe, sondern sie
bringt es nur als eine Vermuthung an: sonst
wollte ich mir die Hofnung machen, daß es viel-
leicht ein für Sie erfreuliches Geheimniß zwi-
schen meiner Mutter und Jhrem Onckle An-
ton
seyn möchte. Aber wehe Jhrem Onckle,
wenn er noch ein andres Geheimniß mit mei-
ner Mutter hat.

Wenn es irgends möglich ist, so müssen Sie
zu vermeiden suchen, daß Sie nicht nach seinem
Gute reisen dörfen. Solmes soll zugegen seyn!
der Prediger! Jhr Bruder! Jhre Schwester!
Es ist eine Capelle auf dem Hofe! Sie werden
dort gantz gewiß Herrn Solmes angetrauet.
Jhr Muth, den Sie erst von gestern her gefas-
set haben, wird bey einer solchen Gelegenheit
nichts helfen. Sie werden wieder sanftmüthig
werden, und keine andere Waffen haben, als
Thränen, Bitten und Wehklagen, darüber Jhre
Angehörigen lachen. So bald der Segen ge-
sprochen ist, müssen Sie Jhre Thränen vertrock-
nen lassen, und eine so demüthige Aufführung
annehmen, als hinlänglich ist, Sie mit Jhrem
neuen Oberherrn auszusöhnen, und das Anden-

cken

Die Geſchichte
auch Vater, Onckles, Bruder, Schweſter, oder
wie er wollte, geheiſſen haben.

Meine Mutter meint, die Jhrigen wuͤrden
endlich die gantze Sache aufgeben, wenn ſie al-
les verſucht haͤtten, und befaͤnden, daß ſie nichts
bey Jhnen ausrichten koͤnnten. Jch bin aber
ihrer Meinung nicht. Sie giebt nicht vor, daß
ſie dieſes von jemand gehoͤrt habe, ſondern ſie
bringt es nur als eine Vermuthung an: ſonſt
wollte ich mir die Hofnung machen, daß es viel-
leicht ein fuͤr Sie erfreuliches Geheimniß zwi-
ſchen meiner Mutter und Jhrem Onckle An-
ton
ſeyn moͤchte. Aber wehe Jhrem Onckle,
wenn er noch ein andres Geheimniß mit mei-
ner Mutter hat.

Wenn es irgends moͤglich iſt, ſo muͤſſen Sie
zu vermeiden ſuchen, daß Sie nicht nach ſeinem
Gute reiſen doͤrfen. Solmes ſoll zugegen ſeyn!
der Prediger! Jhr Bruder! Jhre Schweſter!
Es iſt eine Capelle auf dem Hofe! Sie werden
dort gantz gewiß Herrn Solmes angetrauet.
Jhr Muth, den Sie erſt von geſtern her gefaſ-
ſet haben, wird bey einer ſolchen Gelegenheit
nichts helfen. Sie werden wieder ſanftmuͤthig
werden, und keine andere Waffen haben, als
Thraͤnen, Bitten und Wehklagen, daruͤber Jhre
Angehoͤrigen lachen. So bald der Segen ge-
ſprochen iſt, muͤſſen Sie Jhre Thraͤnen vertrock-
nen laſſen, und eine ſo demuͤthige Auffuͤhrung
annehmen, als hinlaͤnglich iſt, Sie mit Jhrem
neuen Oberherrn auszuſoͤhnen, und das Anden-

cken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
auch Vater, Onckles, Bruder, Schwe&#x017F;ter, oder<lb/>
wie er wollte, gehei&#x017F;&#x017F;en haben.</p><lb/>
          <p>Meine Mutter meint, die Jhrigen wu&#x0364;rden<lb/>
endlich die gantze Sache aufgeben, wenn &#x017F;ie al-<lb/>
les ver&#x017F;ucht ha&#x0364;tten, und befa&#x0364;nden, daß &#x017F;ie nichts<lb/>
bey Jhnen ausrichten ko&#x0364;nnten. Jch bin aber<lb/>
ihrer Meinung nicht. Sie giebt nicht vor, daß<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;es von jemand geho&#x0364;rt habe, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
bringt es nur als eine Vermuthung an: &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wollte ich mir die Hofnung machen, daß es viel-<lb/>
leicht ein fu&#x0364;r Sie erfreuliches Geheimniß zwi-<lb/>
&#x017F;chen meiner Mutter und Jhrem Onckle <hi rendition="#fr">An-<lb/>
ton</hi> &#x017F;eyn mo&#x0364;chte. Aber wehe Jhrem Onckle,<lb/>
wenn er noch ein andres Geheimniß mit mei-<lb/>
ner Mutter hat.</p><lb/>
          <p>Wenn es irgends mo&#x0364;glich i&#x017F;t, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
zu vermeiden &#x017F;uchen, daß Sie nicht nach &#x017F;einem<lb/>
Gute rei&#x017F;en do&#x0364;rfen. <hi rendition="#fr">Solmes</hi> &#x017F;oll zugegen &#x017F;eyn!<lb/>
der Prediger! Jhr Bruder! Jhre Schwe&#x017F;ter!<lb/>
Es i&#x017F;t eine Capelle auf dem Hofe! Sie werden<lb/>
dort gantz gewiß Herrn <hi rendition="#fr">Solmes</hi> angetrauet.<lb/>
Jhr Muth, den Sie er&#x017F;t von ge&#x017F;tern her gefa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et haben, wird bey einer &#x017F;olchen Gelegenheit<lb/>
nichts helfen. Sie werden wieder &#x017F;anftmu&#x0364;thig<lb/>
werden, und keine andere Waffen haben, als<lb/>
Thra&#x0364;nen, Bitten und Wehklagen, daru&#x0364;ber Jhre<lb/>
Angeho&#x0364;rigen lachen. So bald der Segen ge-<lb/>
&#x017F;prochen i&#x017F;t, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie Jhre Thra&#x0364;nen vertrock-<lb/>
nen la&#x017F;&#x017F;en, und eine &#x017F;o demu&#x0364;thige Auffu&#x0364;hrung<lb/>
annehmen, als hinla&#x0364;nglich i&#x017F;t, Sie mit Jhrem<lb/>
neuen Oberherrn auszu&#x017F;o&#x0364;hnen, und das Anden-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">cken</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0104] Die Geſchichte auch Vater, Onckles, Bruder, Schweſter, oder wie er wollte, geheiſſen haben. Meine Mutter meint, die Jhrigen wuͤrden endlich die gantze Sache aufgeben, wenn ſie al- les verſucht haͤtten, und befaͤnden, daß ſie nichts bey Jhnen ausrichten koͤnnten. Jch bin aber ihrer Meinung nicht. Sie giebt nicht vor, daß ſie dieſes von jemand gehoͤrt habe, ſondern ſie bringt es nur als eine Vermuthung an: ſonſt wollte ich mir die Hofnung machen, daß es viel- leicht ein fuͤr Sie erfreuliches Geheimniß zwi- ſchen meiner Mutter und Jhrem Onckle An- ton ſeyn moͤchte. Aber wehe Jhrem Onckle, wenn er noch ein andres Geheimniß mit mei- ner Mutter hat. Wenn es irgends moͤglich iſt, ſo muͤſſen Sie zu vermeiden ſuchen, daß Sie nicht nach ſeinem Gute reiſen doͤrfen. Solmes ſoll zugegen ſeyn! der Prediger! Jhr Bruder! Jhre Schweſter! Es iſt eine Capelle auf dem Hofe! Sie werden dort gantz gewiß Herrn Solmes angetrauet. Jhr Muth, den Sie erſt von geſtern her gefaſ- ſet haben, wird bey einer ſolchen Gelegenheit nichts helfen. Sie werden wieder ſanftmuͤthig werden, und keine andere Waffen haben, als Thraͤnen, Bitten und Wehklagen, daruͤber Jhre Angehoͤrigen lachen. So bald der Segen ge- ſprochen iſt, muͤſſen Sie Jhre Thraͤnen vertrock- nen laſſen, und eine ſo demuͤthige Auffuͤhrung annehmen, als hinlaͤnglich iſt, Sie mit Jhrem neuen Oberherrn auszuſoͤhnen, und das Anden- cken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/104
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/104>, abgerufen am 22.11.2024.