[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.der Clarissa. reiche Bekümmerniß ist, daß diese Vereinigungvielleicht zu meinem Nachtheil gereichen mochte, indem sie siehet, daß sie sich immer mehr gegen mich fremde stellen und zurück halten. Jedoch wenn sie sich nur der Vorzüge mit Nachdruck ge- brauchte, die sie durch ihre vortrefliche Eigen- schaften nothwendig haben muß, so würden diese Familien-Streitigkeiten vielleicht in ihrer ersten Geburt erstickt werden und zwar dis um so viel mehr, da sie versichert seyn kan, daß ich so viel möglich ist nachgeben werde, sowohl weil meine Geschwister älter sind als jch, als auch aus Liebe gegen eine so gütige und vortrefliche Mutter. Denn wenn ich Jhnen, mein Hertz, schreiben Bisweilen möchte ich fast dencken, daß wir wir Erster Theil. D
der Clariſſa. reiche Bekuͤmmerniß iſt, daß dieſe Vereinigungvielleicht zu meinem Nachtheil gereichen mochte, indem ſie ſiehet, daß ſie ſich immer mehr gegen mich fremde ſtellen und zuruͤck halten. Jedoch wenn ſie ſich nur der Vorzuͤge mit Nachdruck ge- brauchte, die ſie durch ihre vortrefliche Eigen- ſchaften nothwendig haben muß, ſo wuͤrden dieſe Familien-Streitigkeiten vielleicht in ihrer erſten Geburt erſtickt werden und zwar dis um ſo viel mehr, da ſie verſichert ſeyn kan, daß ich ſo viel moͤglich iſt nachgeben werde, ſowohl weil meine Geſchwiſter aͤlter ſind als jch, als auch aus Liebe gegen eine ſo guͤtige und vortrefliche Mutter. Denn wenn ich Jhnen, mein Hertz, ſchreiben Bisweilen moͤchte ich faſt dencken, daß wir wir Erſter Theil. D
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="49"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/> reiche Bekuͤmmerniß iſt, daß dieſe Vereinigung<lb/> vielleicht zu meinem Nachtheil gereichen mochte,<lb/> indem ſie ſiehet, daß ſie ſich immer mehr gegen<lb/> mich fremde ſtellen und zuruͤck halten. Jedoch<lb/> wenn ſie ſich nur der Vorzuͤge mit Nachdruck ge-<lb/> brauchte, die ſie durch ihre vortrefliche Eigen-<lb/> ſchaften nothwendig haben muß, ſo wuͤrden dieſe<lb/> Familien-Streitigkeiten vielleicht in ihrer erſten<lb/> Geburt erſtickt werden und zwar dis um ſo viel<lb/> mehr, da ſie verſichert ſeyn kan, daß ich ſo viel<lb/> moͤglich iſt nachgeben werde, ſowohl weil meine<lb/> Geſchwiſter aͤlter ſind als jch, als auch aus Liebe<lb/> gegen eine ſo guͤtige und vortrefliche Mutter.</p><lb/> <p>Denn wenn ich Jhnen, mein Hertz, ſchreiben<lb/> darf, was ich ſonſt niemand wuͤrde mercken laſſen,<lb/> ſo glaube ich, daß wenn ſie nicht ein ſo ſanftes<lb/> Gemuͤth gehabt, und weniger mit Gedult gelit-<lb/> ten haͤtte, ſo wuͤrden auch andere ihr weniger zu<lb/> leiden angemuthet haben. Ein ſchlechter Ruhm,<lb/> werden Sie dencken, fuͤr diejenigen, die eine ſo<lb/> herabgelaſſene Guͤtigkeit nur mißbrauchen, um ſie<lb/> zu kraͤncken und zu beunruhigen.</p><lb/> <p>Bisweilen moͤchte ich faſt dencken, daß wir<lb/> uns nach unſerm Belieben in der Welt in Anſe-<lb/> hen ſetzen und anderer Furcht und Ehrerbietung<lb/> erlangen koͤnnen, wenn wir nur die Gabe haben,<lb/> eigenſinnig auf unſerm Kopf zu beſtehen, und mit<lb/> dieſem Vorſatz unſern erſten Auftritt in der Welt<lb/> machen. Man hat zwar alsdenn weniger Liebe<lb/> zu gewarten: aber das iſt es auch alles. Haben<lb/> wir nur Vermoͤgen die zu zwingen, mit welchen<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Erſter Theil.</hi> D</fw><fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0069]
der Clariſſa.
reiche Bekuͤmmerniß iſt, daß dieſe Vereinigung
vielleicht zu meinem Nachtheil gereichen mochte,
indem ſie ſiehet, daß ſie ſich immer mehr gegen
mich fremde ſtellen und zuruͤck halten. Jedoch
wenn ſie ſich nur der Vorzuͤge mit Nachdruck ge-
brauchte, die ſie durch ihre vortrefliche Eigen-
ſchaften nothwendig haben muß, ſo wuͤrden dieſe
Familien-Streitigkeiten vielleicht in ihrer erſten
Geburt erſtickt werden und zwar dis um ſo viel
mehr, da ſie verſichert ſeyn kan, daß ich ſo viel
moͤglich iſt nachgeben werde, ſowohl weil meine
Geſchwiſter aͤlter ſind als jch, als auch aus Liebe
gegen eine ſo guͤtige und vortrefliche Mutter.
Denn wenn ich Jhnen, mein Hertz, ſchreiben
darf, was ich ſonſt niemand wuͤrde mercken laſſen,
ſo glaube ich, daß wenn ſie nicht ein ſo ſanftes
Gemuͤth gehabt, und weniger mit Gedult gelit-
ten haͤtte, ſo wuͤrden auch andere ihr weniger zu
leiden angemuthet haben. Ein ſchlechter Ruhm,
werden Sie dencken, fuͤr diejenigen, die eine ſo
herabgelaſſene Guͤtigkeit nur mißbrauchen, um ſie
zu kraͤncken und zu beunruhigen.
Bisweilen moͤchte ich faſt dencken, daß wir
uns nach unſerm Belieben in der Welt in Anſe-
hen ſetzen und anderer Furcht und Ehrerbietung
erlangen koͤnnen, wenn wir nur die Gabe haben,
eigenſinnig auf unſerm Kopf zu beſtehen, und mit
dieſem Vorſatz unſern erſten Auftritt in der Welt
machen. Man hat zwar alsdenn weniger Liebe
zu gewarten: aber das iſt es auch alles. Haben
wir nur Vermoͤgen die zu zwingen, mit welchen
wir
Erſter Theil. D
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |