zu euch und aus Vorsorge für eure Ehre ge- zwungen ward.
Jhr habt eure Zuneigung gegen einen Böse- wicht so deutlich gestanden, daß alle eure An- verwanten euch billig auf ewig entsagen sollten. Jch für mein Theil werde keiner Frauens-Person etwas glauben, was sie verspricht, und doch vor- giebt, daß es wider ihre Neigung sey, Das eintzige Mittel eur Verderben zu verhüten ist, wenn man es euch unmöglich macht, in euer Unglück zu ren- nen. Jch wollte nicht an euch schreiben, allein eure allzu gütige Schwester hat mich dazu vermocht. Jhr wollt nach Schottland reisen: diese Gnaden- Zeit ist nun versäumet. Jch wollte auch nicht ra- then, daß man euch nach Florentz schicken sollte, um es bey dem Vetter anzufangen, wo ihr es bey dem Gros-Vater gelassen habt. Der brave Herr könnte auch leicht um euret willen in einen un- glücklichen Streit verwickelt werden, und er wür- de alsdenn der angreiffende Theil heissen müssen.
Jhr habt euch in seine Umstände gesetzt, daß ihr selbst den Vorschlag thun müßt, euch vor eu- rem Bösewicht zu verbergen, und durch Hülffe der Unwahrheit vor ihm verborgen zu bleiben. Auf solche Weise ist eure Gefangenschaft das grösseste Glück, das euch hätte begegnen können. Die Aufführung eures Helden in der Kirche, da er sich nach euch umsahe, ist ein genugsames Anzei- gen, wie viel Vermögen er über euch hat, wenn ihr es auch nicht auf eine so schimpfliche Weise gestanden hättet.
Ein-
Erster Theil. J i
der Clariſſa.
zu euch und aus Vorſorge fuͤr eure Ehre ge- zwungen ward.
Jhr habt eure Zuneigung gegen einen Boͤſe- wicht ſo deutlich geſtanden, daß alle eure An- verwanten euch billig auf ewig entſagen ſollten. Jch fuͤr mein Theil werde keiner Frauens-Perſon etwas glauben, was ſie verſpricht, und doch vor- giebt, daß es wider ihre Neigung ſey, Das eintzige Mittel eur Verderben zu verhuͤten iſt, wenn man es euch unmoͤglich macht, in euer Ungluͤck zu ren- nen. Jch wollte nicht an euch ſchreiben, allein eure allzu guͤtige Schweſter hat mich dazu vermocht. Jhr wollt nach Schottland reiſen: dieſe Gnaden- Zeit iſt nun verſaͤumet. Jch wollte auch nicht ra- then, daß man euch nach Florentz ſchicken ſollte, um es bey dem Vetter anzufangen, wo ihr es bey dem Gros-Vater gelaſſen habt. Der brave Herr koͤnnte auch leicht um euret willen in einen un- gluͤcklichen Streit verwickelt werden, und er wuͤr- de alsdenn der angreiffende Theil heiſſen muͤſſen.
Jhr habt euch in ſeine Umſtaͤnde geſetzt, daß ihr ſelbſt den Vorſchlag thun muͤßt, euch vor eu- rem Boͤſewicht zu verbergen, und durch Huͤlffe der Unwahrheit vor ihm verborgen zu bleiben. Auf ſolche Weiſe iſt eure Gefangenſchaft das groͤſſeſte Gluͤck, das euch haͤtte begegnen koͤnnen. Die Auffuͤhrung eures Helden in der Kirche, da er ſich nach euch umſahe, iſt ein genugſames Anzei- gen, wie viel Vermoͤgen er uͤber euch hat, wenn ihr es auch nicht auf eine ſo ſchimpfliche Weiſe geſtanden haͤttet.
Ein-
Erſter Theil. J i
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0517"n="497"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
zu euch und aus Vorſorge fuͤr eure Ehre ge-<lb/>
zwungen ward.</p><lb/><p>Jhr habt eure Zuneigung gegen einen Boͤſe-<lb/>
wicht ſo deutlich geſtanden, daß alle eure An-<lb/>
verwanten euch billig auf ewig entſagen ſollten.<lb/>
Jch fuͤr mein Theil werde keiner Frauens-Perſon<lb/>
etwas glauben, was ſie verſpricht, und doch vor-<lb/>
giebt, daß es wider ihre Neigung ſey, Das eintzige<lb/>
Mittel eur Verderben zu verhuͤten iſt, wenn man<lb/>
es euch unmoͤglich macht, in euer Ungluͤck zu ren-<lb/>
nen. Jch wollte nicht an euch ſchreiben, allein eure<lb/>
allzu guͤtige Schweſter hat mich dazu vermocht.<lb/>
Jhr wollt nach Schottland reiſen: dieſe Gnaden-<lb/>
Zeit iſt nun verſaͤumet. Jch wollte auch nicht ra-<lb/>
then, daß man euch nach <hirendition="#fr">Florentz</hi>ſchicken ſollte,<lb/>
um es bey dem Vetter anzufangen, wo ihr es bey<lb/>
dem Gros-Vater gelaſſen habt. Der brave Herr<lb/>
koͤnnte auch leicht um euret willen in einen un-<lb/>
gluͤcklichen Streit verwickelt werden, und er wuͤr-<lb/>
de alsdenn der angreiffende Theil heiſſen muͤſſen.</p><lb/><p>Jhr habt euch in ſeine Umſtaͤnde geſetzt, daß<lb/>
ihr ſelbſt den Vorſchlag thun muͤßt, euch vor eu-<lb/>
rem Boͤſewicht zu verbergen, und durch Huͤlffe der<lb/>
Unwahrheit vor ihm verborgen zu bleiben. Auf<lb/>ſolche Weiſe iſt eure Gefangenſchaft das groͤſſeſte<lb/>
Gluͤck, das euch haͤtte begegnen koͤnnen. Die<lb/>
Auffuͤhrung eures Helden in der Kirche, da er<lb/>ſich nach euch umſahe, iſt ein genugſames Anzei-<lb/>
gen, wie viel Vermoͤgen er uͤber euch hat, wenn<lb/>
ihr es auch nicht auf eine ſo ſchimpfliche Weiſe<lb/>
geſtanden haͤttet.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Erſter Theil.</hi> J i</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ein-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[497/0517]
der Clariſſa.
zu euch und aus Vorſorge fuͤr eure Ehre ge-
zwungen ward.
Jhr habt eure Zuneigung gegen einen Boͤſe-
wicht ſo deutlich geſtanden, daß alle eure An-
verwanten euch billig auf ewig entſagen ſollten.
Jch fuͤr mein Theil werde keiner Frauens-Perſon
etwas glauben, was ſie verſpricht, und doch vor-
giebt, daß es wider ihre Neigung ſey, Das eintzige
Mittel eur Verderben zu verhuͤten iſt, wenn man
es euch unmoͤglich macht, in euer Ungluͤck zu ren-
nen. Jch wollte nicht an euch ſchreiben, allein eure
allzu guͤtige Schweſter hat mich dazu vermocht.
Jhr wollt nach Schottland reiſen: dieſe Gnaden-
Zeit iſt nun verſaͤumet. Jch wollte auch nicht ra-
then, daß man euch nach Florentz ſchicken ſollte,
um es bey dem Vetter anzufangen, wo ihr es bey
dem Gros-Vater gelaſſen habt. Der brave Herr
koͤnnte auch leicht um euret willen in einen un-
gluͤcklichen Streit verwickelt werden, und er wuͤr-
de alsdenn der angreiffende Theil heiſſen muͤſſen.
Jhr habt euch in ſeine Umſtaͤnde geſetzt, daß
ihr ſelbſt den Vorſchlag thun muͤßt, euch vor eu-
rem Boͤſewicht zu verbergen, und durch Huͤlffe der
Unwahrheit vor ihm verborgen zu bleiben. Auf
ſolche Weiſe iſt eure Gefangenſchaft das groͤſſeſte
Gluͤck, das euch haͤtte begegnen koͤnnen. Die
Auffuͤhrung eures Helden in der Kirche, da er
ſich nach euch umſahe, iſt ein genugſames Anzei-
gen, wie viel Vermoͤgen er uͤber euch hat, wenn
ihr es auch nicht auf eine ſo ſchimpfliche Weiſe
geſtanden haͤttet.
Ein-
Erſter Theil. J i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/517>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.