Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
nöthig hat, wenn er nur verspricht, nicht schlim-
mer mit mir umzugehen als er mit einer gemiethe-
ten Haushälterin thun würde. Oder ich will nach
Florentz zu meinem Vetter Morden reisen,
wenn er noch so lange in Jtalien bleibt. Wenn
ich zu dem einen von beyden reise, so kann nur vor-
gegeben werden, daß ich zu dem andern gereiset
bin, oder daß ich mich an dem Ende der Welt
aufhalte. Jch frage nichts darnach, was man
von mir sagt.

Darf ich euch fragen, Kind, ob ihr mir euren
artigen Vorschlag schriftlich geben wollt.

Ja! von Hertzen gern. Jch ging nach meinem
Closet, und schrieb das, was ich vorhin gesagt hat-
te nebst ein paar Zeilen an meinen Bruder, darm
ich meine Bekümmerniß bezeugte, daß ich ihn be-
leydiget hätte, und ihn bat, er möchte meinem
Vorschlage durch seinen Beyfall das nöthige Ge-
wicht geben. Jch hielte es für allzu klein, Künste
und Ausflüchte zu gebrauchen: er möchte selbst
den Aufsatz machen, durch dessen Unterschrift ich
mich zu allem vorhin gemeldeten verbindlich ma-
chen sollte. Was an der Kraft Rechtens fehlete,
daß sollte mein unbeweglicher Vorsatz ersetzen.
Er könnte mehr als irgend ein anderer dazu bey-
tragen, daß ich wider mit meinen Eltern ausge-
söhnet würde, und ich würde ihm unendlich ver-
pflichtet seyn, wenn er so viel brüderliche Liebe für
mich hätte, mir diesen grossen Liebes-Dienst zu
erzeigen.

Was meinen Sie, wie wandte meine Schwe-

ster

Die Geſchichte
noͤthig hat, wenn er nur verſpricht, nicht ſchlim-
mer mit mir umzugehen als er mit einer gemiethe-
ten Haushaͤlterin thun wuͤrde. Oder ich will nach
Florentz zu meinem Vetter Morden reiſen,
wenn er noch ſo lange in Jtalien bleibt. Wenn
ich zu dem einen von beyden reiſe, ſo kann nur vor-
gegeben werden, daß ich zu dem andern gereiſet
bin, oder daß ich mich an dem Ende der Welt
aufhalte. Jch frage nichts darnach, was man
von mir ſagt.

Darf ich euch fragen, Kind, ob ihr mir euren
artigen Vorſchlag ſchriftlich geben wollt.

Ja! von Hertzen gern. Jch ging nach meinem
Cloſet, und ſchrieb das, was ich vorhin geſagt hat-
te nebſt ein paar Zeilen an meinen Bruder, darm
ich meine Bekuͤmmerniß bezeugte, daß ich ihn be-
leydiget haͤtte, und ihn bat, er moͤchte meinem
Vorſchlage durch ſeinen Beyfall das noͤthige Ge-
wicht geben. Jch hielte es fuͤr allzu klein, Kuͤnſte
und Ausfluͤchte zu gebrauchen: er moͤchte ſelbſt
den Aufſatz machen, durch deſſen Unterſchrift ich
mich zu allem vorhin gemeldeten verbindlich ma-
chen ſollte. Was an der Kraft Rechtens fehlete,
daß ſollte mein unbeweglicher Vorſatz erſetzen.
Er koͤnnte mehr als irgend ein anderer dazu bey-
tragen, daß ich wider mit meinen Eltern ausge-
ſoͤhnet wuͤrde, und ich wuͤrde ihm unendlich ver-
pflichtet ſeyn, wenn er ſo viel bruͤderliche Liebe fuͤr
mich haͤtte, mir dieſen groſſen Liebes-Dienſt zu
erzeigen.

Was meinen Sie, wie wandte meine Schwe-

ſter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0514" n="494"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
no&#x0364;thig hat, wenn er nur ver&#x017F;pricht, nicht &#x017F;chlim-<lb/>
mer mit mir umzugehen als er mit einer gemiethe-<lb/>
ten Hausha&#x0364;lterin thun wu&#x0364;rde. Oder ich will nach<lb/><hi rendition="#fr">Florentz</hi> zu meinem Vetter <hi rendition="#fr">Morden</hi> rei&#x017F;en,<lb/>
wenn er noch &#x017F;o lange in Jtalien bleibt. Wenn<lb/>
ich zu dem einen von beyden rei&#x017F;e, &#x017F;o kann nur vor-<lb/>
gegeben werden, daß ich zu dem andern gerei&#x017F;et<lb/>
bin, oder daß ich mich an dem Ende der Welt<lb/>
aufhalte. Jch frage nichts darnach, was man<lb/>
von mir &#x017F;agt.</p><lb/>
        <p>Darf ich euch fragen, Kind, ob ihr mir euren<lb/>
artigen Vor&#x017F;chlag &#x017F;chriftlich geben wollt.</p><lb/>
        <p>Ja! von Hertzen gern. Jch ging nach meinem<lb/>
Clo&#x017F;et, und &#x017F;chrieb das, was ich vorhin ge&#x017F;agt hat-<lb/>
te neb&#x017F;t ein paar Zeilen an meinen Bruder, darm<lb/>
ich meine Beku&#x0364;mmerniß bezeugte, daß ich ihn be-<lb/>
leydiget ha&#x0364;tte, und ihn bat, er mo&#x0364;chte meinem<lb/>
Vor&#x017F;chlage durch &#x017F;einen Beyfall das no&#x0364;thige Ge-<lb/>
wicht geben. Jch hielte es fu&#x0364;r allzu klein, Ku&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
und Ausflu&#x0364;chte zu gebrauchen: er mo&#x0364;chte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
den Auf&#x017F;atz machen, durch de&#x017F;&#x017F;en Unter&#x017F;chrift ich<lb/>
mich zu allem vorhin gemeldeten verbindlich ma-<lb/>
chen &#x017F;ollte. Was an der Kraft Rechtens fehlete,<lb/>
daß &#x017F;ollte mein unbeweglicher Vor&#x017F;atz er&#x017F;etzen.<lb/>
Er ko&#x0364;nnte mehr als irgend ein anderer dazu bey-<lb/>
tragen, daß ich wider mit meinen Eltern ausge-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnet wu&#x0364;rde, und ich wu&#x0364;rde ihm unendlich ver-<lb/>
pflichtet &#x017F;eyn, wenn er &#x017F;o viel bru&#x0364;derliche Liebe fu&#x0364;r<lb/>
mich ha&#x0364;tte, mir die&#x017F;en gro&#x017F;&#x017F;en Liebes-Dien&#x017F;t zu<lb/>
erzeigen.</p><lb/>
        <p>Was meinen Sie, wie wandte meine Schwe-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[494/0514] Die Geſchichte noͤthig hat, wenn er nur verſpricht, nicht ſchlim- mer mit mir umzugehen als er mit einer gemiethe- ten Haushaͤlterin thun wuͤrde. Oder ich will nach Florentz zu meinem Vetter Morden reiſen, wenn er noch ſo lange in Jtalien bleibt. Wenn ich zu dem einen von beyden reiſe, ſo kann nur vor- gegeben werden, daß ich zu dem andern gereiſet bin, oder daß ich mich an dem Ende der Welt aufhalte. Jch frage nichts darnach, was man von mir ſagt. Darf ich euch fragen, Kind, ob ihr mir euren artigen Vorſchlag ſchriftlich geben wollt. Ja! von Hertzen gern. Jch ging nach meinem Cloſet, und ſchrieb das, was ich vorhin geſagt hat- te nebſt ein paar Zeilen an meinen Bruder, darm ich meine Bekuͤmmerniß bezeugte, daß ich ihn be- leydiget haͤtte, und ihn bat, er moͤchte meinem Vorſchlage durch ſeinen Beyfall das noͤthige Ge- wicht geben. Jch hielte es fuͤr allzu klein, Kuͤnſte und Ausfluͤchte zu gebrauchen: er moͤchte ſelbſt den Aufſatz machen, durch deſſen Unterſchrift ich mich zu allem vorhin gemeldeten verbindlich ma- chen ſollte. Was an der Kraft Rechtens fehlete, daß ſollte mein unbeweglicher Vorſatz erſetzen. Er koͤnnte mehr als irgend ein anderer dazu bey- tragen, daß ich wider mit meinen Eltern ausge- ſoͤhnet wuͤrde, und ich wuͤrde ihm unendlich ver- pflichtet ſeyn, wenn er ſo viel bruͤderliche Liebe fuͤr mich haͤtte, mir dieſen groſſen Liebes-Dienſt zu erzeigen. Was meinen Sie, wie wandte meine Schwe- ſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/514
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/514>, abgerufen am 23.11.2024.