Jch verstehe euch, was ihr sagen wollt. Wenn ihr eine Manns-Person wäret, so glaubte ich, daß ihr die Graffschafft gewinnen wolltet. (*) Es ist freylich etwas angenehmes für euch, wenn euch jedermann seegnet so oft ihr in die Kirche fahret, und wenn aller Augen auf niemanden als auf euch gerichtet sind. Jhr prediget auf den Dä- chern. Jhr versteckt wahrhaftig eur Licht nicht unter den Scheffel. Allein kömmt es euch nicht hart vor, daß ihr jetzt gehindert werdet, es des Sonntages vor den Leuten leuchten zu lassen? und daß ihr eure Liebe nicht zeigen könnt?
Das sind in der That sehr empfindliche Reden von euch, Arabelle, da ihr so vielen Antheil an meiner Gefangenschafft habt. Fahrt aber nur fort: ihr werdet euch bald aus dem Athem geredet haben. Jch will mir nicht wünschen, daß ich im Stande seyn möge, gleiches mit gleichem zu ver- gelten. Arme Arabelle! (Jch glaube, daß ich hierbey verächtlicher gelachet haben mag, als es sich für eine Schwester schickt.)
Keine verächtliche Gebeerden! (sagte sie mit ei- ner erhabenern Stimme) Nichts von arme Ara- belle! keine solche Reden, damit sich die jüngere Schwester über die ältere hinweg setzt!
Wohlan denn: reiche Arabelle! (mit einem tieffen Knix) das wird euch doch beßer gefallen.
Der
(*) Diejenigen, welche gern zu Gliedern des Unter- Hauses als abgeordnete der Graffschafften erwählt wer- den wollen, suchen sich durch Freygebigkeit unter dem Volck eine Parthey zu machen.
Die Geſchichte
Jch verſtehe euch, was ihr ſagen wollt. Wenn ihr eine Manns-Perſon waͤret, ſo glaubte ich, daß ihr die Graffſchafft gewinnen wolltet. (*) Es iſt freylich etwas angenehmes fuͤr euch, wenn euch jedermann ſeegnet ſo oft ihr in die Kirche fahret, und wenn aller Augen auf niemanden als auf euch gerichtet ſind. Jhr prediget auf den Daͤ- chern. Jhr verſteckt wahrhaftig eur Licht nicht unter den Scheffel. Allein koͤmmt es euch nicht hart vor, daß ihr jetzt gehindert werdet, es des Sonntages vor den Leuten leuchten zu laſſen? und daß ihr eure Liebe nicht zeigen koͤnnt?
Das ſind in der That ſehr empfindliche Reden von euch, Arabelle, da ihr ſo vielen Antheil an meiner Gefangenſchafft habt. Fahrt aber nur fort: ihr werdet euch bald aus dem Athem geredet haben. Jch will mir nicht wuͤnſchen, daß ich im Stande ſeyn moͤge, gleiches mit gleichem zu ver- gelten. Arme Arabelle! (Jch glaube, daß ich hierbey veraͤchtlicher gelachet haben mag, als es ſich fuͤr eine Schweſter ſchickt.)
Keine veraͤchtliche Gebeerden! (ſagte ſie mit ei- ner erhabenern Stimme) Nichts von arme Ara- belle! keine ſolche Reden, damit ſich die juͤngere Schweſter uͤber die aͤltere hinweg ſetzt!
Wohlan denn: reiche Arabelle! (mit einem tieffen Knix) das wird euch doch beßer gefallen.
Der
(*) Diejenigen, welche gern zu Gliedern des Unter- Hauſes als abgeordnete der Graffſchafften erwaͤhlt wer- den wollen, ſuchen ſich durch Freygebigkeit unter dem Volck eine Parthey zu machen.
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Die Geſchichte
Jch verſtehe euch, was ihr ſagen wollt. Wenn
ihr eine Manns-Perſon waͤret, ſo glaubte ich, daß
ihr die Graffſchafft gewinnen wolltet. (*) Es iſt
freylich etwas angenehmes fuͤr euch, wenn euch
jedermann ſeegnet ſo oft ihr in die Kirche fahret,
und wenn aller Augen auf niemanden als auf
euch gerichtet ſind. Jhr prediget auf den Daͤ-
chern. Jhr verſteckt wahrhaftig eur Licht nicht
unter den Scheffel. Allein koͤmmt es euch nicht
hart vor, daß ihr jetzt gehindert werdet, es des
Sonntages vor den Leuten leuchten zu laſſen? und
daß ihr eure Liebe nicht zeigen koͤnnt?
Das ſind in der That ſehr empfindliche Reden
von euch, Arabelle, da ihr ſo vielen Antheil an
meiner Gefangenſchafft habt. Fahrt aber nur
fort: ihr werdet euch bald aus dem Athem geredet
haben. Jch will mir nicht wuͤnſchen, daß ich im
Stande ſeyn moͤge, gleiches mit gleichem zu ver-
gelten. Arme Arabelle! (Jch glaube, daß ich
hierbey veraͤchtlicher gelachet haben mag, als es
ſich fuͤr eine Schweſter ſchickt.)
Keine veraͤchtliche Gebeerden! (ſagte ſie mit ei-
ner erhabenern Stimme) Nichts von arme Ara-
belle! keine ſolche Reden, damit ſich die juͤngere
Schweſter uͤber die aͤltere hinweg ſetzt!
Wohlan denn: reiche Arabelle! (mit einem
tieffen Knix) das wird euch doch beßer gefallen.
Der
(*) Diejenigen, welche gern zu Gliedern des Unter-
Hauſes als abgeordnete der Graffſchafften erwaͤhlt wer-
den wollen, ſuchen ſich durch Freygebigkeit unter dem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/510>, abgerufen am 23.11.2024.
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