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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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pflegt er sich doch mit Sachen, die den Verstand
angehen nicht sehr zu beschästigen. Das äusser-
liche raubt ihm alle seine Sorgfalt und Aufmerck-
samkeit; sein Nachdencken wird blos zu Erfindun-
gen angewandt, die äussere Gestalt zu schmücken,
oder vielleicht in der That sie lächerlich zu machen.
Alles was er thut, das thut er um sein selbst wil-
len: alles was er bewundert, das ist er selbst: so
oft auch die Schau-Bühne den Stutzer lächerlich
abzubilden und dadurch zu bessern sucht, so pflegen
solche Leute sich doch gemeiniglich durch diese Thor-
heit zu erniedrigen, und werden dadurch bey dem
einen Geschlecht verächtlich, und bey dem andern
der Zeit-Vertreib, wenn es sich über sie lustig macht.

So geht es gemeiniglich mit den geputzten arti-
gen Mannsleuten; darum widerhohle ich mein
Urtheil, daß die blosse Gestalt der Mannsleute ein
Bewegungs-Grund der Zuneigung zu ihnen sey,
dessen sich ein Frauenzimmer billig schämen soll.
Wenn aber ein Mann ausser dem guten Ansehen
auch so viel gelernt hat, und so viel andere Vor-
züge besitzt, daß er auch bey schlechterem Ansehen
dadurch geehret werden würde: so ist die Gestalt
ein Neben-Vorzug. Er verdient alsdenn in der
That Hochachtung, wenn er kein allzu grosser An-
beter von sich selbst ist, und Tugend besitzet.

Herr Lovelace hat in der That einen guten
Geschmack, und weiß, so viel ich mercken kann, von
allem was zu den schönen Wissenschaften gehört
wohl zu urtheilen. Ob er aber gleich einen Spaß
über sich selbst machen, und dadurch seine Einbil-

dung

der Clariſſa.
pflegt er ſich doch mit Sachen, die den Verſtand
angehen nicht ſehr zu beſchaͤſtigen. Das aͤuſſer-
liche raubt ihm alle ſeine Sorgfalt und Aufmerck-
ſamkeit; ſein Nachdencken wird blos zu Erfindun-
gen angewandt, die aͤuſſere Geſtalt zu ſchmuͤcken,
oder vielleicht in der That ſie laͤcherlich zu machen.
Alles was er thut, das thut er um ſein ſelbſt wil-
len: alles was er bewundert, das iſt er ſelbſt: ſo
oft auch die Schau-Buͤhne den Stutzer laͤcherlich
abzubilden und dadurch zu beſſern ſucht, ſo pflegen
ſolche Leute ſich doch gemeiniglich durch dieſe Thor-
heit zu erniedrigen, und werden dadurch bey dem
einen Geſchlecht veraͤchtlich, und bey dem andern
der Zeit-Vertreib, wenn es ſich uͤber ſie luſtig macht.

So geht es gemeiniglich mit den geputzten arti-
gen Mannsleuten; darum widerhohle ich mein
Urtheil, daß die bloſſe Geſtalt der Mannsleute ein
Bewegungs-Grund der Zuneigung zu ihnen ſey,
deſſen ſich ein Frauenzimmer billig ſchaͤmen ſoll.
Wenn aber ein Mann auſſer dem guten Anſehen
auch ſo viel gelernt hat, und ſo viel andere Vor-
zuͤge beſitzt, daß er auch bey ſchlechterem Anſehen
dadurch geehret werden wuͤrde: ſo iſt die Geſtalt
ein Neben-Vorzug. Er verdient alsdenn in der
That Hochachtung, wenn er kein allzu groſſer An-
beter von ſich ſelbſt iſt, und Tugend beſitzet.

Herr Lovelace hat in der That einen guten
Geſchmack, und weiß, ſo viel ich mercken kann, von
allem was zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaften gehoͤrt
wohl zu urtheilen. Ob er aber gleich einen Spaß
uͤber ſich ſelbſt machen, und dadurch ſeine Einbil-

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[463/0483] der Clariſſa. pflegt er ſich doch mit Sachen, die den Verſtand angehen nicht ſehr zu beſchaͤſtigen. Das aͤuſſer- liche raubt ihm alle ſeine Sorgfalt und Aufmerck- ſamkeit; ſein Nachdencken wird blos zu Erfindun- gen angewandt, die aͤuſſere Geſtalt zu ſchmuͤcken, oder vielleicht in der That ſie laͤcherlich zu machen. Alles was er thut, das thut er um ſein ſelbſt wil- len: alles was er bewundert, das iſt er ſelbſt: ſo oft auch die Schau-Buͤhne den Stutzer laͤcherlich abzubilden und dadurch zu beſſern ſucht, ſo pflegen ſolche Leute ſich doch gemeiniglich durch dieſe Thor- heit zu erniedrigen, und werden dadurch bey dem einen Geſchlecht veraͤchtlich, und bey dem andern der Zeit-Vertreib, wenn es ſich uͤber ſie luſtig macht. So geht es gemeiniglich mit den geputzten arti- gen Mannsleuten; darum widerhohle ich mein Urtheil, daß die bloſſe Geſtalt der Mannsleute ein Bewegungs-Grund der Zuneigung zu ihnen ſey, deſſen ſich ein Frauenzimmer billig ſchaͤmen ſoll. Wenn aber ein Mann auſſer dem guten Anſehen auch ſo viel gelernt hat, und ſo viel andere Vor- zuͤge beſitzt, daß er auch bey ſchlechterem Anſehen dadurch geehret werden wuͤrde: ſo iſt die Geſtalt ein Neben-Vorzug. Er verdient alsdenn in der That Hochachtung, wenn er kein allzu groſſer An- beter von ſich ſelbſt iſt, und Tugend beſitzet. Herr Lovelace hat in der That einen guten Geſchmack, und weiß, ſo viel ich mercken kann, von allem was zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaften gehoͤrt wohl zu urtheilen. Ob er aber gleich einen Spaß uͤber ſich ſelbſt machen, und dadurch ſeine Einbil- dung

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/483>, abgerufen am 23.11.2024.