daß er ihr wohl begegnet, zur Danckbarkeit und endlich zur Liebe zu bewegen. Er will deswegen alles vergangene übersehen.
(Alles übersehen! mein Schatz. Herr Solmes soll alles übersehen! Das ist ein ar- tiger Ausdruck.)
Sie sind doch überzeuget, Frau Norton, daß es die Pflicht eines Kindes ist, sich in grossen so wohl als kleinen Dingen dem Willen seiner El- tern zu unterwerfen. Versuchen sie es, ob sie etwas bey ihr ausrichten können. Jch kann nichts ausrichten: ihr Vater auch nicht: ihre Onckles eben so wenig: ob es gleich ihr eigenes Bestes seyn wird, wenn sie sich gefällig gegen uns erweiset. Denn in solchem Falle ist ihr grosväterliches Gut kaum die Hälfte von dem, was wir ihr bey Leben und Sterben zugedacht haben. Wenn noch je- mand etwas bey ihr ausrichten kann, so sind sie es: und ich hoffe, daß sie sich Mühe geben wer- den, es zu thun.
Sie fragte: ob ihr erlaubt wäre, ihnen einige Einwendungen zu machen, ehe sie zu mir hin- auf ginge?
Mein hochmüthiger Bruder antwortete ihr: sie wäre gefodert, mich zu überzeugen, und nicht sie. Und das, gute Frau, (bey ihm heißt sie immer, gute Frau) können sie ihr nur sagen. Die Sa- chen sind so weit gediehen, daß an keine Aende- rung zu gedencken ist. Jhre Einwendungen kön- nen jetzt eben so wenig mehr gehört werden, als meiner Schwester Einwendungen.
Seyn
Die Geſchichte
daß er ihr wohl begegnet, zur Danckbarkeit und endlich zur Liebe zu bewegen. Er will deswegen alles vergangene uͤberſehen.
(Alles uͤberſehen! mein Schatz. Herr Solmes ſoll alles uͤberſehen! Das iſt ein ar- tiger Ausdruck.)
Sie ſind doch uͤberzeuget, Frau Norton, daß es die Pflicht eines Kindes iſt, ſich in groſſen ſo wohl als kleinen Dingen dem Willen ſeiner El- tern zu unterwerfen. Verſuchen ſie es, ob ſie etwas bey ihr ausrichten koͤnnen. Jch kann nichts ausrichten: ihr Vater auch nicht: ihre Onckles eben ſo wenig: ob es gleich ihr eigenes Beſtes ſeyn wird, wenn ſie ſich gefaͤllig gegen uns erweiſet. Denn in ſolchem Falle iſt ihr grosvaͤterliches Gut kaum die Haͤlfte von dem, was wir ihr bey Leben und Sterben zugedacht haben. Wenn noch je- mand etwas bey ihr ausrichten kann, ſo ſind ſie es: und ich hoffe, daß ſie ſich Muͤhe geben wer- den, es zu thun.
Sie fragte: ob ihr erlaubt waͤre, ihnen einige Einwendungen zu machen, ehe ſie zu mir hin- auf ginge?
Mein hochmuͤthiger Bruder antwortete ihr: ſie waͤre gefodert, mich zu uͤberzeugen, und nicht ſie. Und das, gute Frau, (bey ihm heißt ſie immer, gute Frau) koͤnnen ſie ihr nur ſagen. Die Sa- chen ſind ſo weit gediehen, daß an keine Aende- rung zu gedencken iſt. Jhre Einwendungen koͤn- nen jetzt eben ſo wenig mehr gehoͤrt werden, als meiner Schweſter Einwendungen.
Seyn
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Die Geſchichte
daß er ihr wohl begegnet, zur Danckbarkeit und
endlich zur Liebe zu bewegen. Er will deswegen
alles vergangene uͤberſehen.
(Alles uͤberſehen! mein Schatz. Herr
Solmes ſoll alles uͤberſehen! Das iſt ein ar-
tiger Ausdruck.)
Sie ſind doch uͤberzeuget, Frau Norton, daß
es die Pflicht eines Kindes iſt, ſich in groſſen ſo
wohl als kleinen Dingen dem Willen ſeiner El-
tern zu unterwerfen. Verſuchen ſie es, ob ſie
etwas bey ihr ausrichten koͤnnen. Jch kann nichts
ausrichten: ihr Vater auch nicht: ihre Onckles
eben ſo wenig: ob es gleich ihr eigenes Beſtes ſeyn
wird, wenn ſie ſich gefaͤllig gegen uns erweiſet.
Denn in ſolchem Falle iſt ihr grosvaͤterliches Gut
kaum die Haͤlfte von dem, was wir ihr bey Leben
und Sterben zugedacht haben. Wenn noch je-
mand etwas bey ihr ausrichten kann, ſo ſind ſie
es: und ich hoffe, daß ſie ſich Muͤhe geben wer-
den, es zu thun.
Sie fragte: ob ihr erlaubt waͤre, ihnen einige
Einwendungen zu machen, ehe ſie zu mir hin-
auf ginge?
Mein hochmuͤthiger Bruder antwortete ihr: ſie
waͤre gefodert, mich zu uͤberzeugen, und nicht ſie.
Und das, gute Frau, (bey ihm heißt ſie immer,
gute Frau) koͤnnen ſie ihr nur ſagen. Die Sa-
chen ſind ſo weit gediehen, daß an keine Aende-
rung zu gedencken iſt. Jhre Einwendungen koͤn-
nen jetzt eben ſo wenig mehr gehoͤrt werden, als
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/454>, abgerufen am 24.11.2024.
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