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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte

Wenn also eine Ursache, die Sie nicht Lust ge-
habt haben mir zu melden, diese veränderten Er-
klärungen vergrössert haben sollte: so wachen Sie
über sich selbst, wie ich Jhnen schon ehemahls ge-
rathen habe) und mercken Sie genau, wie die Ur-
sache einer solchen Veränderung nach und nach
entstehet. Denn warum sollte sie sich unbemerckt
von Jhnen in Jhr Hertz stehlen dürfen?

Wenn jemand eine starcke Verkältung, ein
Fluß-Fieber bekommt, so setzt er sich nieder, und
denckt nach, wie es anfing, und wie er es bekom-
men hat. Wenn er das erst weiß, so ist er ver-
gnügt, und läßt dem Fieber seine Zeit, und nimmt
etwas zu schwitzen ein, oder sonst eine Quacksalbe-
rey, um es wider los zu werden, wenn es ihm all-
zu beschwerlich ist. Ehe also die Kranckheit, die
Sie wissen und nicht wissen, so hefftig wird, daß
Sie suchen müssen sie zu vertreiben, bemercken Sie
nach meinem Rath, wie sich diese Kranckheit an-
fängt. Denn ich weiß so gewiß zum voraus, als
ich dis schreibe, daß die unverständige Härte der
Jhrigen, und sein einnehmendes artiges Wesen,
es noch so weit bey Jhnen bringen, und für Love-
lacen
alles ausrichten wird, wenn er nicht unver-
ständiger ist, als ich ihn ansehe.

Doch dis auf die Seite gesetzt. Wenn es ent-
weder Herr Lovelace oder Herr Solmes seyn
soll, so kann kein Streit über die Wahl seyn.
Wenn aber alles wahr ist, was erzählet wird, so
wollte ich den schlechtesten unter Jhren vorigen
Freyern dem besten unter diesen beyden vorziehen,

so
Die Geſchichte

Wenn alſo eine Urſache, die Sie nicht Luſt ge-
habt haben mir zu melden, dieſe veraͤnderten Er-
klaͤrungen vergroͤſſert haben ſollte: ſo wachen Sie
uͤber ſich ſelbſt, wie ich Jhnen ſchon ehemahls ge-
rathen habe) und mercken Sie genau, wie die Ur-
ſache einer ſolchen Veraͤnderung nach und nach
entſtehet. Denn warum ſollte ſie ſich unbemerckt
von Jhnen in Jhr Hertz ſtehlen duͤrfen?

Wenn jemand eine ſtarcke Verkaͤltung, ein
Fluß-Fieber bekommt, ſo ſetzt er ſich nieder, und
denckt nach, wie es anfing, und wie er es bekom-
men hat. Wenn er das erſt weiß, ſo iſt er ver-
gnuͤgt, und laͤßt dem Fieber ſeine Zeit, und nimmt
etwas zu ſchwitzen ein, oder ſonſt eine Quackſalbe-
rey, um es wider los zu werden, wenn es ihm all-
zu beſchwerlich iſt. Ehe alſo die Kranckheit, die
Sie wiſſen und nicht wiſſen, ſo hefftig wird, daß
Sie ſuchen muͤſſen ſie zu vertreiben, bemercken Sie
nach meinem Rath, wie ſich dieſe Kranckheit an-
faͤngt. Denn ich weiß ſo gewiß zum voraus, als
ich dis ſchreibe, daß die unverſtaͤndige Haͤrte der
Jhrigen, und ſein einnehmendes artiges Weſen,
es noch ſo weit bey Jhnen bringen, und fuͤr Love-
lacen
alles ausrichten wird, wenn er nicht unver-
ſtaͤndiger iſt, als ich ihn anſehe.

Doch dis auf die Seite geſetzt. Wenn es ent-
weder Herr Lovelace oder Herr Solmes ſeyn
ſoll, ſo kann kein Streit uͤber die Wahl ſeyn.
Wenn aber alles wahr iſt, was erzaͤhlet wird, ſo
wollte ich den ſchlechteſten unter Jhren vorigen
Freyern dem beſten unter dieſen beyden vorziehen,

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[422/0442] Die Geſchichte Wenn alſo eine Urſache, die Sie nicht Luſt ge- habt haben mir zu melden, dieſe veraͤnderten Er- klaͤrungen vergroͤſſert haben ſollte: ſo wachen Sie uͤber ſich ſelbſt, wie ich Jhnen ſchon ehemahls ge- rathen habe) und mercken Sie genau, wie die Ur- ſache einer ſolchen Veraͤnderung nach und nach entſtehet. Denn warum ſollte ſie ſich unbemerckt von Jhnen in Jhr Hertz ſtehlen duͤrfen? Wenn jemand eine ſtarcke Verkaͤltung, ein Fluß-Fieber bekommt, ſo ſetzt er ſich nieder, und denckt nach, wie es anfing, und wie er es bekom- men hat. Wenn er das erſt weiß, ſo iſt er ver- gnuͤgt, und laͤßt dem Fieber ſeine Zeit, und nimmt etwas zu ſchwitzen ein, oder ſonſt eine Quackſalbe- rey, um es wider los zu werden, wenn es ihm all- zu beſchwerlich iſt. Ehe alſo die Kranckheit, die Sie wiſſen und nicht wiſſen, ſo hefftig wird, daß Sie ſuchen muͤſſen ſie zu vertreiben, bemercken Sie nach meinem Rath, wie ſich dieſe Kranckheit an- faͤngt. Denn ich weiß ſo gewiß zum voraus, als ich dis ſchreibe, daß die unverſtaͤndige Haͤrte der Jhrigen, und ſein einnehmendes artiges Weſen, es noch ſo weit bey Jhnen bringen, und fuͤr Love- lacen alles ausrichten wird, wenn er nicht unver- ſtaͤndiger iſt, als ich ihn anſehe. Doch dis auf die Seite geſetzt. Wenn es ent- weder Herr Lovelace oder Herr Solmes ſeyn ſoll, ſo kann kein Streit uͤber die Wahl ſeyn. Wenn aber alles wahr iſt, was erzaͤhlet wird, ſo wollte ich den ſchlechteſten unter Jhren vorigen Freyern dem beſten unter dieſen beyden vorziehen, ſo

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/442>, abgerufen am 23.11.2024.