Befehl nicht erfüllen will, den er doch mit gantzer Macht durchzutreiben und zu behaupten gesinnet ist? wenn ihn noch dazu ein Vortheil und Ver- grösserung der gantzen Familie unbeweglicher macht? wenn ein ungegründeter Groll und Ab- neigung des Vaters, wenn die Rachgier und ei- gennützigen Absichten meines Bruders und meiner Schwester, meine Umstände noch schwerer ma- chen? wenn meine Verbannung mich verhindert meine Sache nicht mündlich vorzustellen, und um Gelindigkeit und Verschonen zu bitten?
Wie unglücklich ist es für mich, mein Schatz, daß diese Anmerckungen nebst dem daraus gezoge- nen Schlusse nur allzurichtig sind? Er sagte alles dieses auf eine viel sanftere Weise, und mit viel grösserer Ehrerbietigkeit gegen meine Familie, als man von einem Herrn hätte vermuthen können, der von den Meinigen auf das äusserste gere itzt ist, und den jedermann für heftig und ungestüm hält.
Sie werden mich abermahls fragen: ob mir das Hertz nicht klopfet? wenn ich daraus, daß er aus Liebe zu mir seine Hitze bändigen kann, den Schluß mache, daß Bewegungs-Gründe von seiner jetzi- gen und künfftigen Wohlfahrt hergenommen etwas bey ihm ausrichten würden, wenn es möglich wä- re, daß sich meine Freunde mit ihm aussöhneten.
Er stellete mir vor: die gantze Welt wüßte es, daß ich auf eine so schimpfliche Weise eingesper- ret sey. Mein Bruder und meine Schwester trü- gen nicht die geringste Scheu, mich überall als eine verzärtelte Tochter abzumahlen, die alle Liebe der
ihrigen
Die Geſchichte
Befehl nicht erfuͤllen will, den er doch mit gantzer Macht durchzutreiben und zu behaupten geſinnet iſt? wenn ihn noch dazu ein Vortheil und Ver- groͤſſerung der gantzen Familie unbeweglicher macht? wenn ein ungegruͤndeter Groll und Ab- neigung des Vaters, wenn die Rachgier und ei- gennuͤtzigen Abſichten meines Bruders und meiner Schweſter, meine Umſtaͤnde noch ſchwerer ma- chen? wenn meine Verbannung mich verhindert meine Sache nicht muͤndlich vorzuſtellen, und um Gelindigkeit und Verſchonen zu bitten?
Wie ungluͤcklich iſt es fuͤr mich, mein Schatz, daß dieſe Anmerckungen nebſt dem daraus gezoge- nen Schluſſe nur allzurichtig ſind? Er ſagte alles dieſes auf eine viel ſanftere Weiſe, und mit viel groͤſſerer Ehrerbietigkeit gegen meine Familie, als man von einem Herrn haͤtte vermuthen koͤnnen, der von den Meinigen auf das aͤuſſerſte gere itzt iſt, und den jedermann fuͤr heftig und ungeſtuͤm haͤlt.
Sie werden mich abermahls fragen: ob mir das Hertz nicht klopfet? wenn ich daraus, daß er aus Liebe zu mir ſeine Hitze baͤndigen kann, den Schluß mache, daß Bewegungs-Gruͤnde von ſeiner jetzi- gen und kuͤnfftigen Wohlfahrt hergenom̃en etwas bey ihm ausrichten wuͤrden, wenn es moͤglich waͤ- re, daß ſich meine Freunde mit ihm ausſoͤhneten.
Er ſtellete mir vor: die gantze Welt wuͤßte es, daß ich auf eine ſo ſchimpfliche Weiſe eingeſper- ret ſey. Mein Bruder und meine Schweſter truͤ- gen nicht die geringſte Scheu, mich uͤberall als eine verzaͤrtelte Tochter abzumahlen, die alle Liebe der
ihrigen
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Die Geſchichte
Befehl nicht erfuͤllen will, den er doch mit gantzer
Macht durchzutreiben und zu behaupten geſinnet
iſt? wenn ihn noch dazu ein Vortheil und Ver-
groͤſſerung der gantzen Familie unbeweglicher
macht? wenn ein ungegruͤndeter Groll und Ab-
neigung des Vaters, wenn die Rachgier und ei-
gennuͤtzigen Abſichten meines Bruders und meiner
Schweſter, meine Umſtaͤnde noch ſchwerer ma-
chen? wenn meine Verbannung mich verhindert
meine Sache nicht muͤndlich vorzuſtellen, und um
Gelindigkeit und Verſchonen zu bitten?
Wie ungluͤcklich iſt es fuͤr mich, mein Schatz,
daß dieſe Anmerckungen nebſt dem daraus gezoge-
nen Schluſſe nur allzurichtig ſind? Er ſagte alles
dieſes auf eine viel ſanftere Weiſe, und mit viel
groͤſſerer Ehrerbietigkeit gegen meine Familie, als
man von einem Herrn haͤtte vermuthen koͤnnen,
der von den Meinigen auf das aͤuſſerſte gere itzt iſt,
und den jedermann fuͤr heftig und ungeſtuͤm haͤlt.
Sie werden mich abermahls fragen: ob mir das
Hertz nicht klopfet? wenn ich daraus, daß er aus
Liebe zu mir ſeine Hitze baͤndigen kann, den Schluß
mache, daß Bewegungs-Gruͤnde von ſeiner jetzi-
gen und kuͤnfftigen Wohlfahrt hergenom̃en etwas
bey ihm ausrichten wuͤrden, wenn es moͤglich waͤ-
re, daß ſich meine Freunde mit ihm ausſoͤhneten.
Er ſtellete mir vor: die gantze Welt wuͤßte es,
daß ich auf eine ſo ſchimpfliche Weiſe eingeſper-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/426>, abgerufen am 23.11.2024.
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