[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.Die Geschichte Seufzer meines Rosen-Knöspchens. Durch mei-ne demüthige Unterthänigkeit will ich ihr ein Zu- trauen zu mir machen. Die Abgelegenheit des Ortes will ich mir gar nicht zu Nutze machen; denn mein eintziger Zweck ist, ihr die Furcht vor mir zu benehmen, und zu machen, daß sie sich künstig auf mein Wort und auf meine Ehrlich- keit verläßt. Jch will mich nur sehr wenig über ihre Anverwante beklagen, und denen gar nicht drohen die mir drohen: allein so wie Drydens Löwe, damit ich meine schöne Beute desto gewis- ser bekommen möge, oder (wo das nicht geschie- het) meinen Muth desto mehr kühlen könne. Sein Hertz ist groß genug den Unmuth zu verheelen, Da, wo die Rache schweigt, da tobt sie in der Seelen, Die Brust durchglüht der Zorn, wenn nie der Mund gedroht: Dem edlen Löwen gleich der in verstell- tem Schlummer Am Wege ruhig liegt, wenn er verhalt- nen Kummer Auf volle Rache spart, und seines Jä- gers Tod Jm Traum schon schäumend schmeckt. Er läst die Mänen sincken Und hält sein Brüllen an, bis sich sein Feind genaht. Begierig auf den Raub und durstig Blut zu trincken, Erwacht
Die Geſchichte Seufzer meines Roſen-Knoͤſpchens. Durch mei-ne demuͤthige Unterthaͤnigkeit will ich ihr ein Zu- trauen zu mir machen. Die Abgelegenheit des Ortes will ich mir gar nicht zu Nutze machen; denn mein eintziger Zweck iſt, ihr die Furcht vor mir zu benehmen, und zu machen, daß ſie ſich kuͤnſtig auf mein Wort und auf meine Ehrlich- keit verlaͤßt. Jch will mich nur ſehr wenig uͤber ihre Anverwante beklagen, und denen gar nicht drohen die mir drohen: allein ſo wie Drydens Loͤwe, damit ich meine ſchoͤne Beute deſto gewiſ- ſer bekommen moͤge, oder (wo das nicht geſchie- het) meinen Muth deſto mehr kuͤhlen koͤnne. Sein Hertz iſt groß genug den Unmuth zu verheelen, Da, wo die Rache ſchweigt, da tobt ſie in der Seelen, Die Bruſt durchgluͤht der Zorn, wenn nie der Mund gedroht: Dem edlen Loͤwen gleich der in verſtell- tem Schlummer Am Wege ruhig liegt, wenn er verhalt- nen Kummer Auf volle Rache ſpart, und ſeines Jaͤ- gers Tod Jm Traum ſchon ſchaͤumend ſchmeckt. Er laͤſt die Maͤnen ſincken Und haͤlt ſein Bruͤllen an, bis ſich ſein Feind genaht. Begierig auf den Raub und durſtig Blut zu trincken, Erwacht
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Die Geſchichte
Seufzer meines Roſen-Knoͤſpchens. Durch mei-
ne demuͤthige Unterthaͤnigkeit will ich ihr ein Zu-
trauen zu mir machen. Die Abgelegenheit des
Ortes will ich mir gar nicht zu Nutze machen;
denn mein eintziger Zweck iſt, ihr die Furcht vor
mir zu benehmen, und zu machen, daß ſie ſich
kuͤnſtig auf mein Wort und auf meine Ehrlich-
keit verlaͤßt. Jch will mich nur ſehr wenig uͤber
ihre Anverwante beklagen, und denen gar nicht
drohen die mir drohen: allein ſo wie Drydens
Loͤwe, damit ich meine ſchoͤne Beute deſto gewiſ-
ſer bekommen moͤge, oder (wo das nicht geſchie-
het) meinen Muth deſto mehr kuͤhlen koͤnne.
Sein Hertz iſt groß genug den Unmuth
zu verheelen,
Da, wo die Rache ſchweigt, da tobt ſie
in der Seelen,
Die Bruſt durchgluͤht der Zorn, wenn
nie der Mund gedroht:
Dem edlen Loͤwen gleich der in verſtell-
tem Schlummer
Am Wege ruhig liegt, wenn er verhalt-
nen Kummer
Auf volle Rache ſpart, und ſeines Jaͤ-
gers Tod
Jm Traum ſchon ſchaͤumend ſchmeckt.
Er laͤſt die Maͤnen ſincken
Und haͤlt ſein Bruͤllen an, bis ſich ſein
Feind genaht.
Begierig auf den Raub und durſtig Blut
zu trincken,
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