worrenes und gefährliches Hertz. Dann und wann steigt ein guter Gedancke darin auf, allein er stirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und ein Kopf der an hösen Erfindungen reich ist, tödtet ihn. Das Glück hat mich in Umstände gesetzt, die mir Muth machen, Streiche zu spielen; und die gute Gesundheit trägt auch das ihrige dazu bey- Doch was soll ich den Schelm bemänteln! Jch wäre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch zum Pfluge gebohren wäre.
Der Teuffel steckt in den Frauens Leuten. Sie sind ewige Verführerinnen. Wer ist jemahls wi- der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl gesündiget hat? Wir Frey-Geister suchen die Tugend gleichsahm auszurotten, und verschwö- ren uns gegen sie: allein was ist das Ziel unserer Wünsche in Absicht auf das Frauenzimmer oh- ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof- nung sind fast unser gantzes Vergnügen: das Zurückdencken an unsern Sieg kann auch ver- gnügen wenn das Hertz schon verhärtet ist, und keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten bat. Allein der Genuß selbst ist ein flüchtiges nichts. Und dieses ist doch der Endzweck, ohne den sich unsere Natur nicht befriedigen läßt.
Du siehest, was für ernsthaffte Gedancken ein unschuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch freue mich, wenn ich mercke, daß meine Besserung noch nicht unmöglich ist: allein ich glaube, ich werde bessere Gesellschaft suchen müssen, als ich bisher gehabt habe.
Wir
Die Geſchichte
worrenes und gefaͤhrliches Hertz. Dann und wann ſteigt ein guter Gedancke darin auf, allein er ſtirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und ein Kopf der an hoͤſen Erfindungen reich iſt, toͤdtet ihn. Das Gluͤck hat mich in Umſtaͤnde geſetzt, die mir Muth machen, Streiche zu ſpielen; und die gute Geſundheit traͤgt auch das ihrige dazu bey- Doch was ſoll ich den Schelm bemaͤnteln! Jch waͤre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch zum Pfluge gebohren waͤre.
Der Teuffel ſteckt in den Frauens Leuten. Sie ſind ewige Verfuͤhrerinnen. Wer iſt jemahls wi- der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl geſuͤndiget hat? Wir Frey-Geiſter ſuchen die Tugend gleichſahm auszurotten, und verſchwoͤ- ren uns gegen ſie: allein was iſt das Ziel unſerer Wuͤnſche in Abſicht auf das Frauenzimmer oh- ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof- nung ſind faſt unſer gantzes Vergnuͤgen: das Zuruͤckdencken an unſern Sieg kann auch ver- gnuͤgen wenn das Hertz ſchon verhaͤrtet iſt, und keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten bat. Allein der Genuß ſelbſt iſt ein fluͤchtiges nichts. Und dieſes iſt doch der Endzweck, ohne den ſich unſere Natur nicht befriedigen laͤßt.
Du ſieheſt, was fuͤr ernſthaffte Gedancken ein unſchuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch freue mich, wenn ich mercke, daß meine Beſſerung noch nicht unmoͤglich iſt: allein ich glaube, ich werde beſſere Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, als ich bisher gehabt habe.
Wir
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0410"n="390"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
worrenes und gefaͤhrliches Hertz. Dann und<lb/>
wann ſteigt ein guter Gedancke darin auf, allein<lb/>
er ſtirbt bald wider. Die Liebe zur <hirendition="#aq">Intrigue,</hi> und<lb/>
ein Kopf der an hoͤſen Erfindungen reich iſt, toͤdtet<lb/>
ihn. Das Gluͤck hat mich in Umſtaͤnde geſetzt, die<lb/>
mir Muth machen, Streiche zu ſpielen; und die<lb/>
gute Geſundheit traͤgt auch das ihrige dazu bey-<lb/>
Doch was ſoll ich den Schelm bemaͤnteln! Jch<lb/>
waͤre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch<lb/>
zum Pfluge gebohren waͤre.</p><lb/><p>Der Teuffel ſteckt in den Frauens Leuten. Sie<lb/>ſind ewige Verfuͤhrerinnen. Wer iſt jemahls wi-<lb/>
der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl<lb/>
geſuͤndiget hat? Wir Frey-Geiſter ſuchen die<lb/>
Tugend gleichſahm auszurotten, und verſchwoͤ-<lb/>
ren uns gegen ſie: allein was iſt das Ziel unſerer<lb/>
Wuͤnſche in Abſicht auf das Frauenzimmer oh-<lb/>
ne Tugend? Die <hirendition="#fr">Vorbereitungen</hi> und die <hirendition="#fr">Hof-<lb/>
nung</hi>ſind faſt unſer gantzes Vergnuͤgen: das<lb/><hirendition="#fr">Zuruͤckdencken</hi> an unſern Sieg kann auch ver-<lb/>
gnuͤgen wenn das Hertz ſchon verhaͤrtet iſt, und<lb/>
keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten<lb/>
bat. Allein der <hirendition="#fr">Genuß</hi>ſelbſt iſt ein fluͤchtiges<lb/>
nichts. Und dieſes iſt doch der Endzweck, ohne<lb/>
den ſich unſere Natur nicht befriedigen laͤßt.</p><lb/><p>Du ſieheſt, was fuͤr ernſthaffte Gedancken ein<lb/>
unſchuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch<lb/>
freue mich, wenn ich mercke, daß meine Beſſerung<lb/>
noch nicht unmoͤglich iſt: allein ich glaube, ich<lb/>
werde beſſere Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, als ich<lb/>
bisher gehabt habe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wir</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[390/0410]
Die Geſchichte
worrenes und gefaͤhrliches Hertz. Dann und
wann ſteigt ein guter Gedancke darin auf, allein
er ſtirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und
ein Kopf der an hoͤſen Erfindungen reich iſt, toͤdtet
ihn. Das Gluͤck hat mich in Umſtaͤnde geſetzt, die
mir Muth machen, Streiche zu ſpielen; und die
gute Geſundheit traͤgt auch das ihrige dazu bey-
Doch was ſoll ich den Schelm bemaͤnteln! Jch
waͤre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch
zum Pfluge gebohren waͤre.
Der Teuffel ſteckt in den Frauens Leuten. Sie
ſind ewige Verfuͤhrerinnen. Wer iſt jemahls wi-
der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl
geſuͤndiget hat? Wir Frey-Geiſter ſuchen die
Tugend gleichſahm auszurotten, und verſchwoͤ-
ren uns gegen ſie: allein was iſt das Ziel unſerer
Wuͤnſche in Abſicht auf das Frauenzimmer oh-
ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof-
nung ſind faſt unſer gantzes Vergnuͤgen: das
Zuruͤckdencken an unſern Sieg kann auch ver-
gnuͤgen wenn das Hertz ſchon verhaͤrtet iſt, und
keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten
bat. Allein der Genuß ſelbſt iſt ein fluͤchtiges
nichts. Und dieſes iſt doch der Endzweck, ohne
den ſich unſere Natur nicht befriedigen laͤßt.
Du ſieheſt, was fuͤr ernſthaffte Gedancken ein
unſchuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch
freue mich, wenn ich mercke, daß meine Beſſerung
noch nicht unmoͤglich iſt: allein ich glaube, ich
werde beſſere Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, als ich
bisher gehabt habe.
Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/410>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.