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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
worrenes und gefährliches Hertz. Dann und
wann steigt ein guter Gedancke darin auf, allein
er stirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und
ein Kopf der an hösen Erfindungen reich ist, tödtet
ihn. Das Glück hat mich in Umstände gesetzt, die
mir Muth machen, Streiche zu spielen; und die
gute Gesundheit trägt auch das ihrige dazu bey-
Doch was soll ich den Schelm bemänteln! Jch
wäre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch
zum Pfluge gebohren wäre.

Der Teuffel steckt in den Frauens Leuten. Sie
sind ewige Verführerinnen. Wer ist jemahls wi-
der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl
gesündiget hat? Wir Frey-Geister suchen die
Tugend gleichsahm auszurotten, und verschwö-
ren uns gegen sie: allein was ist das Ziel unserer
Wünsche in Absicht auf das Frauenzimmer oh-
ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof-
nung
sind fast unser gantzes Vergnügen: das
Zurückdencken an unsern Sieg kann auch ver-
gnügen wenn das Hertz schon verhärtet ist, und
keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten
bat. Allein der Genuß selbst ist ein flüchtiges
nichts. Und dieses ist doch der Endzweck, ohne
den sich unsere Natur nicht befriedigen läßt.

Du siehest, was für ernsthaffte Gedancken ein
unschuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch
freue mich, wenn ich mercke, daß meine Besserung
noch nicht unmöglich ist: allein ich glaube, ich
werde bessere Gesellschaft suchen müssen, als ich
bisher gehabt habe.

Wir

Die Geſchichte
worrenes und gefaͤhrliches Hertz. Dann und
wann ſteigt ein guter Gedancke darin auf, allein
er ſtirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und
ein Kopf der an hoͤſen Erfindungen reich iſt, toͤdtet
ihn. Das Gluͤck hat mich in Umſtaͤnde geſetzt, die
mir Muth machen, Streiche zu ſpielen; und die
gute Geſundheit traͤgt auch das ihrige dazu bey-
Doch was ſoll ich den Schelm bemaͤnteln! Jch
waͤre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch
zum Pfluge gebohren waͤre.

Der Teuffel ſteckt in den Frauens Leuten. Sie
ſind ewige Verfuͤhrerinnen. Wer iſt jemahls wi-
der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl
geſuͤndiget hat? Wir Frey-Geiſter ſuchen die
Tugend gleichſahm auszurotten, und verſchwoͤ-
ren uns gegen ſie: allein was iſt das Ziel unſerer
Wuͤnſche in Abſicht auf das Frauenzimmer oh-
ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof-
nung
ſind faſt unſer gantzes Vergnuͤgen: das
Zuruͤckdencken an unſern Sieg kann auch ver-
gnuͤgen wenn das Hertz ſchon verhaͤrtet iſt, und
keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten
bat. Allein der Genuß ſelbſt iſt ein fluͤchtiges
nichts. Und dieſes iſt doch der Endzweck, ohne
den ſich unſere Natur nicht befriedigen laͤßt.

Du ſieheſt, was fuͤr ernſthaffte Gedancken ein
unſchuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch
freue mich, wenn ich mercke, daß meine Beſſerung
noch nicht unmoͤglich iſt: allein ich glaube, ich
werde beſſere Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, als ich
bisher gehabt habe.

Wir
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[390/0410] Die Geſchichte worrenes und gefaͤhrliches Hertz. Dann und wann ſteigt ein guter Gedancke darin auf, allein er ſtirbt bald wider. Die Liebe zur Intrigue, und ein Kopf der an hoͤſen Erfindungen reich iſt, toͤdtet ihn. Das Gluͤck hat mich in Umſtaͤnde geſetzt, die mir Muth machen, Streiche zu ſpielen; und die gute Geſundheit traͤgt auch das ihrige dazu bey- Doch was ſoll ich den Schelm bemaͤnteln! Jch waͤre ein Ertz-Schelm geworden, wenn ich auch zum Pfluge gebohren waͤre. Der Teuffel ſteckt in den Frauens Leuten. Sie ſind ewige Verfuͤhrerinnen. Wer iſt jemahls wi- der tugendhaft geworden, nachdem er einmahl geſuͤndiget hat? Wir Frey-Geiſter ſuchen die Tugend gleichſahm auszurotten, und verſchwoͤ- ren uns gegen ſie: allein was iſt das Ziel unſerer Wuͤnſche in Abſicht auf das Frauenzimmer oh- ne Tugend? Die Vorbereitungen und die Hof- nung ſind faſt unſer gantzes Vergnuͤgen: das Zuruͤckdencken an unſern Sieg kann auch ver- gnuͤgen wenn das Hertz ſchon verhaͤrtet iſt, und keins Empfindung von vergangenen Uebelthaten bat. Allein der Genuß ſelbſt iſt ein fluͤchtiges nichts. Und dieſes iſt doch der Endzweck, ohne den ſich unſere Natur nicht befriedigen laͤßt. Du ſieheſt, was fuͤr ernſthaffte Gedancken ein unſchuldiges Kind bey mir erwecken kann. Jch freue mich, wenn ich mercke, daß meine Beſſerung noch nicht unmoͤglich iſt: allein ich glaube, ich werde beſſere Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, als ich bisher gehabt habe. Wir

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/410>, abgerufen am 28.11.2024.